Gerichtsherren-Standort Concordiaplatz 1

Das Gebäude am Concordiaplatz 1 diente während des Zweiten Weltkriegs als Dienstort des “Kommandeurs der Panzertruppen XVII” und war somit Teil des Netzwerks der nationalsozialistischen Militärjustiz. Heute befindet sich hier ein Amtsgebäude des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF).

Concordiaplatz 1, 1010 Wien, September 1942 (Bild: HMW, Sammlung Wien Museum)
Concordiaplatz 1, 1010 Wien, September 1942 (Bild: HMW, Sammlung Wien Museum)
 
Geschichte vor 1938
Das Gebäude wurde ca. 1880 von Wilhelm Stiassny auf dem Grund des alten K.K. Arsenals errichtet, das sich bis ca. 1860 an dieser Stelle befand. Stiassny war Architekt und Lokalpolitiker, sowie lange Jahre im Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien tätig. Er plante Kultstätten, wie die alte israelitische Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs, war beteiligt an der Gesellschaft zur Sammlung jüdischer Kulturgüter, die das Jüdische Museum gründete und war international für seine Synagogenbauten bekannt, u.a. der “Polnischen Schul” im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Der Concordiaplatz 1 stand laut dem Grundbuch durchgehend im alleinigen Eigentum eines Herrn Albrecht Marquis von Hohenkubin. Zeitgleich zur Gebäudeerrichtung wurde der Concordiaplatz angelegt und nach dem Schriftstellerverein Concordia benannt, der in der nahegelegenen Werdertorgasse seinen Sitz hatte.
 
Verwendung durch Wehrmacht und NS-Militärjustiz
In Österreich gab es bis zum “Anschluss” an das Deutsche Reich im März 1938 keine Militärjustiz. Diese war als Errungenschaft von 1918 in der Ersten Republik abgeschafft worden und auch dem Austrofaschismus gelang keine Wiedereinführung. Nach dem “Anschluss” 1938 stand die Wehrmacht (und ihre Justiz) vor dem Problem, einerseits geeignete Räumlichkeiten für die NS-Militärjustiz zu akquirieren und andererseits, geeignetes Personal zu finden und rasch auszubilden. Für den Aufbau der NS-Militärjustiz in Wien war 18 Monate Zeit. Bis zum Überfall auf Polen war dieser Prozess abgeschlossen. Die Wehrmachtsjustiz hatte sich etabliert und zahlreiche Standorte bezogen, darunter mehrere Gerichtsstandorte, Haftanstalten und Hinrichtungsorte für die Exekution von Todesurteilen gegen Soldaten und Zivilist:innen. Während des Krieges wurde das Netzwerk der NS-Militärjustiz in Wien weiter ausgebaut und war schlussendlich an zwei Dutzend Standorten aktiv. Die NS-Militärjustiz verhängte während des Zweiten Weltkriegs mehr als 30.000 Todesurteile, darunter gegen Soldaten, Kriegsgefangene und Zivilist:innen, insbesondere aus den von der Wehrmacht besetzten Gebieten in ganz Europa. Die meisten Todesurteile ergingen gegen Deserteure und “Wehrkraftzersetzer”. Viele tausend weitere Soldaten starben nach kriegsgerichtlichen Urteilen in sogenannten Bewährungseinheiten an der Front.
Faksimile, Ermittlungsakt gegen J. B., vom Juli 1943 
(Aktenquelle: ÖSTA/DWM/Ger)
Faksimile, Ermittlungsakt gegen J. B., vom Juli 1943
(Aktenquelle: ÖSTA/DWM/Ger)

Spätestens ab 1943 bezog der Kommandeur der Panzertruppe XVII den Standort Concordiaplatz, was sich nicht zuletzt aus den ab diesem Zeitpunkt hier unterzeichneten Urteilen ablesen lässt. Aus der Zeit existieren zudem Aufnahmen des Gebäudes, die es als militärisch gesichert und bewacht zeigen. Die Zahl XVII bezieht sich auf den Wehrkreis XVII, der in etwa aus den heutigen Bundesländern Wien, Nieder- und Oberösterreich bestand. Bei diesem Verband handelte sich um einen Verband des Ersatzheeres, zuständig für Rekrutierung, Ausbildung und Versorgung. Über die Menge an Verfahren – und damit auch die Menge der Todesurteile – lassen sich in Ermangelung von Forschung zu diesem Standort bzw. diesem Verband aus heutiger Sicht keine gesicherten Angaben machen.

 
Die NS-Militärjustiz und seine Gerichtsherren
Für das Verständnis der Struktur der NS-Militärjustiz ist entscheidend, dass es ab 1939 keinen Instanzenzug gab. Das bedeutet, dass Berufungen nicht möglich waren, Gnadengesuche in der Regel aussichtslos waren und alleine der übergeordnete Gerichtsherr ausschlaggebend war. Kommandanten, also die tatsächlichen Befehlshaber der Streitkräfte, waren auf zweierlei Weise zentral in die Gerichtsbarkeit eingebunden: Erstens als alleinige Autorität in der Disziplinarstrafordnung, da der Kommandant der jeweiligen Einheit sowohl im Krieg als auch im Frieden weitreichende Straf- und Disziplinierungsbefugnisse hatte. Zweitens prüfte der Kommandant der Einheit alle Gerichtsurteile der ihm untergeordneten Gliederungen.
 
Der Gerichtsherr war in der Strafgerichtsbarkeit “Herr des Verfahrens” und “Träger der Gerichtsbarkeit”. Der Gerichtsherr leitete das Verfahren ein, wies es Gericht und Richter zu und prüfte die ergangenen Entscheidungen. Ein Richter des mit der Ermittlung und Verhandlung betrauten Gerichtes erstellte dem Gerichtsherrn dazu ein Rechtsgutachten. Der Gerichtsherr hatte anschließend die Möglichkeit, das Urteil aufzuheben, zu bestätigen, neu verhandeln zu lassen oder an eine übergeordnete Stelle weiterzuleiten. Dem Gerichtsherrn bot sich damit großer Handlungsspielraum.
 
Schon vor dem Prozess bestimmte der Gerichtsherr Ankläger, Richter und Verteidiger und übte auch auf diese Weise massiven Einfluss auf das Verfahren aus. Bei schwereren Delikten wurden in den Prozess auch höhere Führungsebenen beigezogen.
 
Die NS-Militärjustiz war für alle Soldaten (einschließlich der Luftwaffe und Kriegsmarine), Wehrmachtsbeamt:innen, Wehrpflichtigen im Beurlaubtenstand (“Heimaturlaub”), Verwundeten während der Genesung, nichtmilitärischen Angehörigen einer Dienststelle sowie in Kriegszeiten Personen des Gefolges, Kriegsgefangenen und, in besonderen Fällen, auch für Zivilist:innen, zuständig. Somit wurden auch Frauen systematisch zu Opfern der NS-Militärjustiz.
 
Fallbeispiel
Am 14. Juni 1943 meldete die Bahnhofswachkompanie am Pressburgerbahn-Bahnhof (heute Wien Mitte) an die Streifenabteilung Groß-Wien und deren Kommandeur, beide in der Rossauerkaserne, dass sie an diesem Tag B. am Bahnhof festgenommen haben. Die Verhaftung wurde der Wehrmachtskommandantur Wien, Abt. Ib/D, Universitätsstraße, gemeldet und B. von dieser Abteilung am 15. Juni verhört, wobei unklar bleibt, wo dieses Verhör stattfand. Zur Auswahl stehen mehrere Wehrmachtsuntersuchungsgefängnisse, die Rossauerkaserne oder der Standort der Wehrmachtskommandantur Wien in der Universitätsstraße 7.
 
Im Verhör gab B. an, nach seinem Urlaub seine Einheit, die nun in Mödling war, nicht gefunden zu haben. Daraufhin habe er seinen Urlaubsschein so manipuliert, dass er zwei Wochen länger Urlaub hatte. Das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis X (Wien, Favoriten) meldete am 16. Juni 1944, dass B. am Vortag eingeliefert worden sei. Das Verfahren endete mit mehreren Monaten Gefängnis, das zur Frontbewährung ausgesetzt wurde, wobei vier Wochen Arrest im Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis II (Wien, Leopoldstadt) abzuleisten waren. Das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis II meldete an das Gericht: Wehrmachuntersuchungsgefängnis Wien, Zweigstelle Wien II, Albrechtskaserne St.L. I 145/43 Wien, den 8. Juli 1943
 

An das Gericht der Division 177, Wien VI. Es wird mitgeteilt, dass Gefr. B. Joh., 1.Pz.Ers.Ausb.Abt. 4, Wien Mödling, am 7. Juli, 18:00 Uhr zur Strafverbüssung in das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis eingeliefert wurde. Strafbeginn: 1.Juli, 0:00, Strafende: 28.Juli, 24:00, Strafe: 4 Wochen gesch. Arrest.

Danach wurde B. zur Frontbewährung einer Einheit zugeteilt. Beim Bestätigungsverfahren des Urteils, das im Rundlauf vom Gericht zur Einheit, weiter zum Gerichtsherrn und zurück zum Gericht geht, zeichnete das Urteil ein “Kommandeur der Panzertruppen XVII”, Concordiaplatz 1 ab.

Quelle: Verfahren I 155/43 vor dem Gericht der Wehrmachtskommandantur Wien und I 557/1943 vor dem Gericht der Division 177. In: ÖStA/AdR, DWM/Gerichtsakten Div. 177, Kt. 4, Akt 90
 
Aufarbeitung und Gedenken
Lange Zeit spielte die Darstellung der Gebäudegeschichte mit Bezug auf die Verwendung während des Nationalsozialismus für die das Gebäude nützenden Ministerien keine Rolle. Die Verwendung des Gebäudes durch die Wehrmacht für Zwecke der Militärjustiz und der Organisation der nationalsozialistischen Angriffskriege wurden von Seiten der Ministerien nicht öffentlich thematisiert. Seit den 2010er Jahren kommt es zu einem schrittweisen Umdenken: Die Ministerien setzen sich zunehmend umfassender mit der eigenen Gebäudegeschichte auseinander.
 
Am 29. August 2024 wurde vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Ao. Univ.-Prof. Dr. Martin Polaschek, eine Gedenktafel am Gebäude enthüllt, die die NS-Geschichte des Gebäudes detailliert darstellt.
BMBWF/©eap.at 

Gericht der Division 177, Standort Stubenring

Gericht der Division 177, Standort Stubenring

Im ehem. Kriegsministerium (heutiges Regierungsgebäude) am Stubenring 1, befanden sich 1938 bis 1945 eine ganze Reihe von für die Etablierung der Wehrmachtsjustiz wichtige Stellen und Gerichte. In diesem Gebäude wurde das Netzwerk der NS-Militärjustiz in Österreich und Wien aufgebaut und über sieben Jahre lang betrieben.

Die deutsche Wehrmacht bezieht im März 1938 das ehemalige Kriegsministerium am Stubenring (Bild: Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung/Albert Hilscher)

Die deutsche Wehrmacht bezieht im März 1938 das ehemalige Kriegsministerium am Stubenring (Bild: Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung/Albert Hilscher)

 
Geschichte vor 1938
Das Gebäude wurde 1913 als k.u.k. Reichskriegsministerium errichtet und blieb auch nach der Ausrufung der Republik im Herbst 1918 in militärischer Verwendung. Als „Liquidierendes Kriegsministerium“ war es für die Demobilisierung der k.u.k. Armee und danach als „Staatsamt für Heereswesen“ für den Aufbau des Bundesheers der Ersten Republik verantwortlich. Im Jahr 1924 nahm die Radio-Verkehrs AG (kurz RAVAG), die erste österreichische Rundfunkgesellschaft, ihren Betrieb auf. Während des Austrofaschismus stand der Stubenring 1 einige Male im Brennpunkt österreichischer Politik, unter anderem wurde hier Kurt Schuschnigg zum Nachfolger des ermordeten Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß ernannt.
 
Nach dem „Anschluss“
Mit 1. April 1938 zogen das Generalkommando des XVII. Armeekorps (A.K.) und die Kommandantur des Wehrkreises XVII mit ihren jeweiligen Stäben und Abteilungen – darunter das Gericht des XVII. A.K. – in das ehemalige Kriegsministerium ein. Die Juristen am Stubenring etablierten in kurzer Zeit eine politisch willfährige Justiz und schworen Richter, Justizbeamte und Offiziere auf die kommenden Eroberungskriege und den Vollzug der neuen Rechtsordnung ein.
 
Briefkopf des Gerichts der Division 177, Standort Stubenring (Quelle: DÖW)

Briefkopf des Gerichts der Division 177, Standort Stubenring (Quelle: DÖW)

Aufbau der NS-Militärjustiz
In Österreich standen 18 Monate zur Verfügung, um eine Militärjustiz zu etablieren und diese entsprechend auf die Kriegserfordernisse vorzubereiten. Das Gericht des XVII. A.K. trug dabei die Hauptverantwortung. Die Berufungsinstanz wurde zweckentfremdet und in ein Konditionierungs- und Radikalisierungsinstrument umgebaut.
 
Nach Kriegsbeginn im September 1939 wurde das Gericht der Division 177 am Stubenring 1 etabliert. Außerdem hatten der Oberstkriegsgerichtsrat des Dienstaufsichtsbezirks 4 im Gebäude seinen Dienstort, weiters der Sachbearbeiters für den Reichkriegsanwalt und die Korps- bzw. Divisions-Stab und -Kommandantur in ihrer Funktion als Gerichsherren.
 
Der Platzbedarf des Gerichtes der Division 177 war mit Sicherheit hoch, da es erstinstanzlich urteilte und daher auch alle weiteren Verfahrensschritte – bis hin zur Korrespondenz mit Wehrmachtgefängnissen und Feldstrafgefangenenabteilungen über den Strafvollzug – zu überwachen hatte. Es ist anzunehmen, dass die Einrichtung eines zweiten Gerichtsstandortes am Loquaiplatz zwischen 1940 und 1942 dem immer dramatischer werdenden Platzmangel am Stubenring geschuldet war, während die Übersiedlung einer Abteilung des Gerichtes in die Hohenstaufengasse wohl durch die Konzentrierung auf die Verfolgung der sogenannten Selbstverstümmlerseuche begründet wurde.
 
Der ebenfalls am Stubenring 1 angesiedelte Oberstkriegsgerichtsrat des Dienstaufsichtsbezirks (DAB) 4 war in Gerichtsbelangen für die Wehrkreise XVII und XVIII zuständig. Er koordinierte den Aufbau der NS-Militärjustiz in den Wehrkreisen XVII und XVIII, wozu nicht nur die Klärung und Organisation von Abläufen und Zuständigkeiten zählte, sondern auch die Auswahl, Bestellung und Zuteilung von Richtern. Im ersten Halbjahr 1943 war der Oberstkriegsgerichtsrat im DAB 4 für mindestens fünf Gerichte und über 60 Richter in sieben Städten zuständig.
 
Generäle des österreichischen Bundesheeres werden 1938 im Marmorsaal des Kriegsministeriums, der später dem Gericht als Verhandlungssaal diente, in die Wehrmacht übernommen und vereidigt. (Bild: Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung/Albert Hilscher)

Generäle des österreichischen Bundesheeres werden 1938 im Marmorsaal des Kriegsministeriums, der später dem Gericht als Verhandlungssaal diente, in die Wehrmacht übernommen und vereidigt. (Bild: Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung/Albert Hilscher)

Reichskriegsgericht und Gerichtsherren
Das Reichskriegsgericht (RKG) verfügte über eine fix bestellte Reichskriegsanwaltschaft unter einem Oberreichskriegsanwalt. Vorarbeiten und -erhebungen zu RKG-Verfahren betreffend die Wehrkreise XVII und XVIII vor dem RKG wurden in Wien erledigt. Dabei kamen verschiedene Richter als (Rechts-)Gutachter und Untersuchungsführer zum Einsatz.
 
Am Stubenring 1 residierten weiters die Befehlshaber – und damit die Gerichtsherren – des Wehrkreises XVII. Diese Funktion wurde zwischen 1938 und 1945 von vier Generalen ausgeübt – Werner Kienitz, Otto von Stülpnagel, Alfred Streccius und Albrecht Schubert.
 
Als letzte Behörde, die am Stubenring 1 mit der Verfolgung von militärischen Delikten befasst war, ist die Abwehrstelle XVII (ASt XVII) zu nennen, die als militärischer Geheimdienst eigentlich für Spionageabwehr zuständig war und im 4. Stock untergebracht war. Sie brachte Verfahren ins Rollen, indem sie verdächtige Wehrmachtsangehörige bei der Wehrmachtsstreife oder direkt bei Gericht anzeigte, und gab im weiteren Verlauf dieser Verfahren auch politische Einschätzungen zu den Beschuldigten ab.
 
Der „heldenhafte Offizierswiderstand“ am Stubenring
Das ehemalige Kriegsministerium spielte sowohl bei der Operation „Walküre“ als auch bei den späteren Aktionen „Herbstlaub 44“ und „Radetzky“ des militärischen Widerstands eine Rolle. Nach dem Scheitern von „Walküre“ (also der geplante Putsch nach einem gelungenen Attentat auf Adolf Hitler) konzentrierte man sich auf die von Major Carl Szokoll, Ordonnanzoffizier beim Stv. Generalkommando des XVII. A.K. am Stubenring 1, für Herbst 1944 (daher der Name „Herbstlaub 44“) erwartete Befreiung durch die Alliierten. Daraus wurde aber nichts, und so sandte Szokoll Anfang April 1945 im Rahmen der „Operation Radetzky“ seinen Vertrauten, Oberfeldwebel Ferdinand Käs, zur Roten Armee, um Unterstützungsmöglichkeiten bei der bevorstehenden Besetzung Wiens zu besprechen. Die Kollaboration wurde jedoch verraten, SD und SS stürmten den Stubenring – das vermeintliche Zentrum des militärischen Widerstands – und die Rote Armee musste Wien allein befreien.
 
Befreiung 1945
Der Stubenring 1 war schon im März 1945 von einer Bombe getroffen worden und wurde in den letzten Kriegstagen auch noch Opfer eines Großbrandes. Dennoch koordinierte das Wehrkreiskommando von hier aus in Absprache mit der Stadtkommandantur in der Universitätsstraße 7 die Verteidigung der Stadt und die Evakuierungsmaßnahmen der Wehr- macht.
 
Nach 1945
Das Gebäude wurde 1946 an die Republik zurückgestellt. Es war so schwer beschädigt, dass man eine Komplettabtragung erwog aber verwarf. Die Wiederherstellung und Erweiterung des Bauwerkes um zwei Etagen dauerte drei, die Rekonstruktion der Inneneinrichtung weitere zehn Jahre. Schließlich entpuppte sich das Haus als zu groß für die militärischen Bedürfnisse der Zweiten Republik, weshalb das Amt für Landesverteidigung, die Übernahme ablehnte. Der Gebäudekomplex steht heute im Besitz des Wirtschaftsministeriums, wird von der Burghauptmannschaft Österreich verwaltet und dient, drei Bundesminister:innen als Amtssitz.
 
Aufarbeitung und Gedenken
Lange Zeit spielte die Darstellung der Gebäudegeschichte mit Bezug auf die Verwendung während dem Nationalsozialismus für die das Gebäude nützenden Ministerien keine Rolle. Anschluss, Funktion für die Miltärjustiz oder für die nationalsozialistischen Angriffskriege kamen nicht vor. Seit 2010er Jahren kommt es zu einem schrittweisen Umdenken – Ministerien stellen sich der Gebäudegeschichte umfassender. Am 23. Jänner 2023 wurde durch die Bundesminister:innen Alma Zadić, Johannes Rauch, Norbert Totschnig und Martin Kocher eine Gedenktafel am Gebäude enthüllt, die die NS-Geschichte des Gebäudes umfassend darstellt.
 
 Seit Jänner 2023 hängt eine Gedenktafel am Regierungsgebäude Stubenring (Bild: Lorenzo Vincentini)

Seit Jänner 2023 hängt eine Gedenktafel am Regierungsgebäude Stubenring (Bild: Lorenzo Vincentini)

Gericht der Division 177, Standort Hohenstaufengasse

Gericht der Division 177, Standort Hohenstaufengasse

Im Gebäude Hohenstaufengasse 3 befand sich ab Ende 1943 bis zur Befreiung ein Gericht der NS-Militärjustiz. Es war Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, u.a. verfolgte.

Briefkopf des Gerichts der Divison 177, Standort Hohenstaufengasse 3 (Quelle: DÖW)

Briefkopf des Gerichts der Divison 177, Standort Hohenstaufengasse 3 (Quelle: DÖW)

Geschichte vor 1938
Das Gebäude Hohenstaufengasse 3 wurde von Otto Wagner in den Jahren 1882-1884 für die Zentraleuropäische Länderbank errichtet. Es gilt als hervorragendes Beispiel für das Frühwerk des berühmten Jugendstilarchitekten und findet daher in zahlreichen Architekturlexika Erwähnung. Die Länderbank verkaufte das Haus im Sommer 1938 an das Deutsche Reich. Die Wehrmacht ließ sogleich Modernisierungen durchführen, einige Zeit nutzten auch andere Stellen das Gebäude, darunter das Ministerium für Landwirtschaft. Der große, helle Kassensaal und die Tresorräume im Keller bestehen bis heute.


NS-Militärjustiz
Das Feldkriegsgericht der Division 177 besaß in Wien bereits zwei Standorte, am Stubenring und Loquaiplatz. Ende 1943 wurde ein dritter Standort in der Hohenstaufengasse 3 eingerichtet. Man kann davon ausgehen, dass der Standort und die neue Abteilung III eigens zur Verfolgung des ‚Selbstverstümmler-Unwesens‘, das dem Divisionsrichter Karl Everts ein ideologischer Dorn im Auge war, eingerichtet wurden. Die geografische Nähe zu den Verhörräumlichkeiten in der Roßauer Kaserne und zum Gericht der Wehrmachtskommandantur Wien in der Universtitätsstraße boten zusätzliche Vorteile gegenüber der Mariahilfer Hauptstelle. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten insgesamt rund 17 Richter am Gericht der Division 177.


Jagd nach „Selbstverstümmlern“
Die nunmehrige Abteilung III des Gerichts der Division 177 unter der Leitung von Karl Everts führte vor allem einen unerbittlichen Kampf gegen Selbstverstümmler. Man war bei Gericht der Überzeugung, dass durch absichtlich beigefügte Verletzungen und Selbstansteckungen, falsche Krankmeldungen oder mutwilliger Verlängerung von Heilungsprozessen in Wien massenweise der Dienst in der Wehrmacht verweigert wurde.

Karl Everts, der schon vor dem Krieg als Richter beim Gericht der 2. Panzer-Division in Wien stationiert gewesen war, baute in Zusammenarbeit mit der Fahndungsgruppe 200 der Heeresstreife ein engmaschiges Netzwerk der Verfolgung auf, das sich anfangs auf bestimmte Formen von Knochenbrüchen und Kniegelenksverletzungen konzentrierte, schon bald aber jede vermutete Selbstverstümmelung untersuchte.

Die Fahndungsgruppe 200 lieferte Everts im Frühsommer 1944 zwar erste Hinweise auf systematisch betriebene Selbstverstümmelungen, es fehlten aber die Beweise. Dies änderte sich, als es Everts im Juli 1944 gelang, einen Denunzianten, dem er Strafmilderung versprochen hatte, in das Reservelazarett XIa in der Boerhavegasse in Wien-Landstraße einzuschleusen. Es wurde in Folge ein Netzwerk aus Denunziant:innen und Spion:innen aufgebaut, welche häufige Treffpunkte wie Schwimmbäder und Kaffeehäuser bzw. Tatorte wie Lazarette ausspähten. Zusätzlich kontrollierte die Heeresstreife vermehrt die Reservelazarette in Wien, um dort sowohl medizinisches Personal als auch Patienten unter Druck zu setzen und zu Denunziationen anzustiften.

Um sich selbstverletztende Soldaten zu finden war jedes Mittel Recht, auch explizit Folter. So meinte Everts in einer Urteilsbegründung:

„Wenn zeitlich und örtlich bestimmte Verletzungen geradezu seuchenartig auftreten, die am Marke und an der Wehrkraft eines Volkes, welches einen Kampf auf Leben und Tod führt, rütteln, dann müssen und können auch gegebenenfalls Mittel zur Anwendung gebracht werden, die geeignet sind, derartige Verbrecher zum Sprechen zu bringen. Bei der Auswahl der Mittel kann naturgemäß nicht jener Maßstab angelegt werden, wie er in Friedenszeiten üblich ist.“



Um die Kommunikation zwischen Hohenstaufengasse und Roßauer Kaserne zu vereinfachen, wo die Wehrmachtsstreife mit der Aufgabe betraut war, mit Verhören und Folterungen zu den erwünschten Geständnissen zu kommen, wurde ein Mitarbeiter des Gerichts direkt in der Kaserne stationiert.

Bereits am 4. August 1944 ging Everts davon aus, mindestens achtzig Fälle von Selbstverstümmelung zur Verhandlung bringen zu können. Die Anklagepunkte, die Everts ab Oktober 1944 verschriftlichte, basierten zu einem Großteil auf durch Folter erpressten Geständnissen, da die meisten Ärzte sich weigerten, tendenziöse Gutachten auszustellen, die die Anklage unterstützten. Zwischen 23. Oktober und 19. Dezember 1944 wurden jedenfalls 68 Personen, Frauen und Männer, wegen Selbstverstümmelung oder Beihilfe zur Selbstverstümmelung verurteilt, 27 von ihnen zum Tode, die übrigen Angeklagten erhielten insgesamt 378 Jahre Zuchthaus. 14 der zum Tode Verurteilten wurden am 7. Februar 1945 am Militärschießplatz Kagran erschossen. Everts leitete und organisierte diese Hinrichtungen.

Durchhalten in der Hohenstaufengasse
Noch am 15. Februar 1945, also zwei Monate vor der Befreiung Wiens durch die Rote Armee, führte Karl Everts Verfahren gegen Selbstverstümmler. Die Richter in der Hohenstaufengasse 3 hielten sogar in den letzten Tagen bis zur Befreiung den Dienstbetrieb aufrecht. Dieser bestand zu diesem Zeitpunkt vor allem daraus, verurteilte Soldaten zur „Frontbewährung“ zu schicken, also der Österreich vom Osten her befreienden Roten Armee entgegenzuschicken. Erst rund um den 4.4.1945 dürften sich auch die letzten Richter nach Oberösterreich abgesetzt haben.

Der historische Gerichtssaal des Divisonsgerichts dient heute als Sitzungszimmer (Quelle: Alexander Wallner)

Der historische Gerichtssaal des Divisonsgerichts dient heute als Sitzungszimmer (Quelle: Alexander Wallner)

Nach 1945
Das Gebäude fiel als „Deutsches Eigentum“ der Republik Österreich zu. In den ersten Jahren wurde es von den verschiedenen militärischen Stellen verwendet, dem folgte (wie am Otto-Wagner-Platz) das Zentralbüro des European Recovery Program (ERC, „Marshall-Plan“). Nach dessen Auslaufen nutzten verschiedene Bundesstellen (Bundesverlag, Lehrmittelstelle, Fremdenverkehrswerbung, Archiv des Innenministeriums, usw.) das Gebäude. Seit 1994 wurde es vom Bundeskanzleramt (Sektion III) genutzt, seit 2018 ist es Teil des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS). Der ehemalige Gerichtssaal ist heute ein Sitzungszimmer.


Aufarbeitung und Gedenken
Lange Zeit spielte die Darstellung der Gebäudegeschichte in Bezug auf die Verwendung während dem Nationalsozialismus für die das Gebäude nützenden Ministerien keine Rolle. Seit den 2010er Jahren wurde durch zivilgesellschaftliche Kampagnen die Geschichte des Gebäudes in der Öffentlichkeit thematisiert. So wies Richard Wadani, Wehrmachtsdeserteur und Ehrenobmann des Vereins ‚Personenkomitee Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz‘ am 13.8.2009 bei einer Pressekonferenz vor Ort auf das fehlende Gedenken hin:

Heldendenkmäler gibt es überall, aber an die Opfer erinnert nichts.



Am 6.9.2009 brachte eine vergangenheitspolitische Initiative namens ‚AK Denkmalpflege‘ während eines aktionistischen Stadtspazierganges eine temporäre Gedenktafel mit folgender Aufschrift am Gebäude an:

Hier, auf dem NS-Feldkriegsgericht für Wien von 1943-1945, hängt [k]eine Gedenktafel für die Verfolgten und Ermordeten der NS- Militärjustiz.



Am 12. Jänner 2024 wurde von Vizekanzler und Bundesminister Werner Kogler, in Anwesenheit der Bundesminister:innen Alma Zadić und Johannes Rauch, der zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures, sowie Bezirksvorsteher Markus Figl, eine Gedenktafel am Gebäude enthüllt, die auf die NS-Geschichte des Gebäudes verweist. Im Rahmen der feierlichen Enthüllung spielte das Ensemble der Gardemusik Wien das Moorsoldatenlied.

Fallbeispiele

Gericht Div. 177, Loquaiplatz

Briefkopf Gericht der Division 177, Standort Loquaiplatz. Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Gericht der Division 177, Standort Loquaiplatz

Im Gebäude Loquaiplatz 9 befand sich ab 1939 bis zur Befreiung ein Gerichts der NS-Militärjustiz. Es war Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte.

Geschichte vor 1938
Die Geschichte des Gebäudes am Loquaiplatz 9 (mit Fronten zur Königsegggasse 10 bzw. Otto-Bauer-Gasse 7-9, damals: Kasernengasse 7-9) ist eng mit der ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung verbunden. Deren Einrichtungen litten unter Platznot, weswegen für die Arbeiter-Krankenkasse das Gebäude errichtet und 1904 bezogen wurde. Das Haus war während der Ersten Republik deshalb auch Angriffen ausgesetzt, etwa im September 1932 während des Wiener NSDAP-Gauparteitages.
Das Haus bezog 1934 – nach dem Verbot aller sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Organisationen – die austrofaschistische Einheitsgewerkschaft und eine Soldatenorganisation.

Nach dem „Anschluss“
Direkt nach dem „Anschluss“ Österreichs übernahm die Deutsche Arbeitsfront (DAF)  das Gebäude. Bald darauf meldete die Wehrmacht Verwendung an, welche zu diesem Zeitpunkt auf der Suche nach Gerichts- und Haftgebäude war. Noch 1939 übersiedelten Teile des Gerichts der Division 177 aus der Zentrale am Stubenring ins Gebäude Loquaiplatz 9.

Verfügung des Gerichts der Division 177, Standort Loquaiplatz 9 über die Vorführung eines Verdächtigen zur Hauptverhandlung (Quelle: DÖW)

Verfügung des Gerichts der Division 177, Standort Loquaiplatz 9 über die Vorführung eines Verdächtigen zur Hauptverhandlung (Quelle: DÖW)

Nutzung durch die Wehrmachtsjustiz
Im Gebäude fanden Richter und ihre MitarbeiterInnen sowie Gerichtsherren und ihre Stäbe Platz. Man nützte dazu zwei Etagen (erster Stock und Hochparterre) als Gerichts- und Büroräumlichkeiten, die Etagen darüber als Wohnungen. Zumindest 1944 diente der Standort am Loquaiplatz als „Hauptstelle“ der Division 177. Diese verfügte zu diesem Zeitpunkt über drei Standorte in Wien und eine in Brno/Brünn, elf bis 17 Richter sprachen an diesen Recht.
Unter den am Mariahilfer Standort tätigen Militärrichtern war Karl Everts, Leopold Breitler und Erich Schwinge, ein zentraler Kommentator des NS-Militärstrafrechts und nach dem Krieg Apologet der Wehrmachtjustiz.

Ansicht des Gebäudes heute (jedoch noch ohne Gedenktafel), Ecke Loquaiplatz und Königsegggasse (Bild: Alexander Wallner)

Ansicht des Gebäudes heute (jedoch noch ohne Gedenktafel), Ecke Loquaiplatz und Königsegggasse (Bild: Alexander Wallner)

Urteilsbestätigung durch Gerichtsherren
Die der Militärgerichtsbarkeit zugrundeliegende Logik verlangte eine Bestätigung jedes Urteils durch den Gerichtsherren. Der Loquaiplatz war einer jener Dienstorte von Gerichtsherren, an denen die Urteile – von der Arreststrafe bis zum Todesurteil – wirksam und gültig wurden. Für die meisten Verfahren der Division 177 war dies Generalmajor Erich Müller-Derichsweiler.

Gedenktafel, Loquaiplatz (Quelle: privat)

Gedenktafel, Loquaiplatz (Quelle: privat)

Nach 1945
Über die Befreiung des Gerichtsgebäudes ist nichts bekannt. 1948 wurde das Gebäude an den ÖGB restituiert, 1961 erwarb es die Stadt Wien. Heute beherbergt es neben zahlreichen Wohnung etwa auch die SPÖ-Mariahilf und ein städtisches Haus der Begegnung. Seit 2013 weist eine Erinnerungsstafel des Bezirks auf die Geschichte und Funktion des Gebäudes hin.

Fallbeispiel:
Johann Wimmer wurde vom Gericht am Loquaiplatz 9 im Jahr 1943 wegen Fahnenflucht als 20jähriger zum Tode verurteilt. Zwei Personen, die Wimmer halfen, ihn versteckten und mit Essen versorgten, wurden zu Haftstrafen verurteilt.
Link zur Biografie von Johann Wimmer (DÖW)
Link zum Urteil gegen Johann Wimmer (samt Adressangabe Loquaiplatz 9)

Zentralgericht des Heeres, Außenstelle Wien

Zentralgericht des Heeres, Außenstelle Wien

Über dem heutigen Amtsgebäude des Bundesheeres am Franz-Josefs-Kai 7-9 wehte bis 1945 die Reichskriegsflagge, in ihm tagte die Wiener Außenstelle des Zentralgericht des Heeres. Es war als Gericht der NS-Militärjustiz Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte.

Inserat eines Kleiderhauses, 1932, mit Anschrift (Quelle: Lehmann)

Inserat eines Kleiderhauses, 1932, mit Anschrift (Quelle: Lehmann)

Geschichte vor 1938
Der „Industriepalast“ am Franz-Josefs-Kai 7-9 war bis in die 1930er Jahre eine weithin bekannte Adresse: eine Vielzahl an Speditionen, Reisebüros, Großhandelsfirmen, Verlage und ähnlichen Unternehmen boten dort ihre Dienste an. 1932 hatten 60 Wiener Firmen dort Niederlassungen auf rund 2000 Quadratmetern, ein Beispiel siehe nebenbei. Das für Moriz Brill erbaute Gebäude wurde 1907 fertig gestellt und verfügte sogar über einen eigenen Abgang zur damaligen Stadtbahn (heute: Linie U4).

Übernahme Wehrmachtsjustiz
Die BesitzerInnen des Gebäudes wurden 1938 enteignet, das nunmehr „arisierte“ Gebäude für Dienststellen des Dritten Reiches adaptiert. Kurzfristig bezog das in Auflösung befindliche und aus dem Stubenring ausquartierte Ministerium für Wirtschaft und Arbeit das Gebäude, 1939 folgte die Wehrmacht mit verschiedenen Dienststellen.

Ausschnitt aus einer Ansicht des Franz-Josefs-Kais, 1913; Ganz rechts im Bild der Industriepalast, links die Urania (Quelle: Wiener Linien, Bildstrecke)

Ausschnitt aus einer Ansicht des Franz-Josefs-Kais, 1913; Ganz rechts im Bild der Industriepalast, links die Urania (Quelle: Wiener Linien, Bildstrecke)

Gericht der Wehrmachtskommandantur Berlin, Außenstelle Wien
Es handelte sich dabei um ein Gericht mit besonderer Zuständigkeit innerhalb der Wehrmachtsjustiz. Es war kein Höchstgericht, manche grundsätzlichen Entscheidungen aber für andere Gerichte bindend. Es wurde 1934 unter der Bezeichnung „Gericht der  Wehrmachtskommandantur Berlin“ gegründet, seit 1938 besaß es seine einzige Außenstelle in Wien. Es ist strikt vom Gericht der  Wehrmachtskommandantur Wien zu unterscheiden.
Das Gericht der Wehrmachtskommandantur Berlin war ua. zuständig für alle im Ersatzheer anfallenden Fälle von Wehrkraftzersetzung (mit Ausnahmen, etwa Selbstverstümmelung), Verstößen gegen das „Heimtückegesetz“, politischen Strafsachen, Homosexualität sowie alle Fahnenflüchtigen, die nach drei Monaten Fahndung nicht gestellt  wurden.

Über 100 Richter waren in Berlin und Wien an diesem Gericht tätig und führten rund 46.000 Verfahren. Die Zuständigkeit dieses Wiener Gerichts reichte weit in den von der Wehrmacht besetzten Osten und Süden und Westen, hier wurden Verfahren aus Griechenland, Rumänien und Frankreich verhandelt. Die Verhafteten wurden dabei nur selten dem Gericht selbst vorgeführt, meist das Urteil dem Soldaten nur verlesen und vor Ort exekutiert.

Briefkopf des Gerichts der Wehrmachtskommandantur Berlin, Außenstelle Wien mit Adresse Franz-Josefs-Kai 7-9 vom 2.Februar 1944 (Quelle: DÖW)

Briefkopf des Gerichts der Wehrmachtskommandantur Berlin, Außenstelle Wien mit Adresse Franz-Josefs-Kai 7-9 vom 2.Februar 1944 (Quelle: DÖW)

Zentralgericht des Heeres, Außenstelle Wien
Im Frühjahr 1944 wurde das Zentralgericht des Heeres gegründet  und übernahm die allermeisten Agenden des Gerichts der Wehrmachtskommandantur Berlin. Auch die Außenstelle Wien ging in diese neuen Strukturen über. Die Größe des Gerichts blieb dabei im Wesentlichen gleich, ebenso die Anzahl der Verfahren. 1945  dürften Teile des Zentralgerichts des Heeres in die Hohenstaufengasse 3 übersiedelt sein, möglicherweise wegen Platzmangel oder Schäden am Gebäude.

Briefkopf des Zentralgerichts des Heeres, Außenstelle Wien mit Adresse Franz-Josefs-Kai 7-9 vom 4.Juni 1944 (Quelle: DÖW)

Briefkopf des Zentralgerichts des Heeres, Außenstelle Wien mit Adresse Franz-Josefs-Kai 7-9 vom 4.Juni 1944 (Quelle: DÖW)

Kommandantur der Wehrmachtsstreife
Die Wehrmachtsstreife war im Wesentlichen für Fahndung nach und Festnahme von verdächtigen Soldaten zuständig. Ihr Zentrum bildete die nahegelegene Rossauerkaserne, wohin die Festgenommenen gebracht wurden und wo Verhöre und Folterungen stattfanden. Übergeordnete Stellen waren die Kommandostandorte am Franz-Josefs-Kai 7-9 und  am Kohlmarkt 8-10. Gestapo, Schutzpolizei und Wehrmachtsstreife unterstützten einander bei der Fahndung nach Verdächtigen stark, tauschten Informationen aus und bedienten sich des  gleichen Netzwerks aus InformantInnen- und DenunziantInnen. Sie überstellten sich Verhaftete, die in die jeweils anderen Zuständigkeitsbereiche fielen. Entlang des Donaukanals konzentrierten sich diese Institutionen auch räumlich:  Die Gestapo-Zentrale am Morzinplatz lag nur 400 Meter von der Kommandantur der Wehrmachtsstreife entfernt, wenige hundert Meter flussaufwärts folgten die Rossauerkaserne als Verhör- und Folterort sowie  das Polizeigefängnis Rossauerlände, das alle drei nutzten.

Eingang des Amtsgebäude Franz-Josefs-Kai 7-9 (Quelle: Alexander Wallner)

Eingang des Amtsgebäude Franz-Josefs-Kai 7-9 (Quelle: Alexander Wallner)

Frontansicht des Amtsgebäude Franz-Josefs-Kai 7-9 (Quelle: Alexander Wallner)

Frontansicht des Amtsgebäude Franz-Josefs-Kai 7-9 (Quelle: Alexander Wallner)

Nach 1945
Das Gebäude wurde bei der Befreiung leicht beschädigt. Es fiel der Republik Österreich zu, obwohl es vor der „Arisierung“ gar nicht staatlichen Stellen diente. Gleich nach 1945 nutzte die Vorgänger-Institutionen des Bundesheeres und teils auch andere Einrichtungen der öffentlichen Hand das Gebäude. Erst Anfang 1955 wurde das Gebäude formal den enteigneten BesitzerInnen restituiert und daraufhin für das Verteidigungsministerium zurückgekauft. Ab 1957 wurde das Gebäude renoviert und modernisiert, damals erhielt es auch die schmucklose, grau-braune Fassade. Seither dient es dem Verteidigungsministerium als „Amtsgebäude Franz-Josefs-Kai“, zeitweise auch als Sitz des Ministers.

Gericht der 2.Panzer-Division

Gericht der 2.Panzer-Division

Im Gebäude Otto-Wagner-Platz 5 bestand ab 1938 ein großes Gericht der Wehrmacht. Als Gerichte der NS-Militärjustiz war sie Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte.

Inserat Phönix-Versicherung, 1930, mit Anschrift (Quelle: Lehmann)

Inserat Phönix-Versicherung, 1930, mit Anschrift (Q: Lehmann)

Geschichte vor 1938
Das Gebäude wurde 1928/1929 von Ernst Epstein als Hauptsitz der Versicherungs-Gesellschaft Phönix erbaut. Die „Phönix“ war eine der größten österreichischen Versicherungen der Zwischenkriegszeit und durch Sponsoring stark mit der Innenpolitik verknüpft. Anfang 1936 erschütterte der Phönix-Skandal und seine Auswirkungen die Innenpolitik des austrofaschistischen Regimes, die Firma wurde noch 1936 liquidiert.

Übernahme Wehrmachtsjustiz
1938 übernahm gleich nach dem „Anschluss“ Österreichs Kommandantur und Gericht der 2. Panzer-Division das riesige,  siebengeschoßige Gebäude. Die 2. Panzer-Division wurde 1935 in Deutschland aufgestellt und 1938 nach Wien verlegt, im September 1939 verließ sie bedingt durch den Überfall auf Polen die Stadt wieder. Das Gericht der 2. Panzer-Division war eines von vier Divisionsgerichten zwischen März 1938 und September 1939 das in Wien tätig war. Alle befanden sich im örtlichen Nahbereich zum heutigen Landesgericht, das damals als Haftanstalt diente.

Größe und Verfahren
Über die Anzahl an Verfahren des Gerichts in diesen achtzehn Monaten bis Kriegsbeginn ist wenig bekannt, die Delikate waren meist minderschwer, oftmals Bagatellen und selten „politisch“. Am Gericht der 2. Panzer-Division dienten bis 1939 zumindest sechs Richter, darunter Karl Everts, der ab 1944 als Richter am Gericht der Division 177 ein leidenschaftliche Jagd auf Selbstverstümmler veranstaltete. Welche Behörde 1939 bis zur Befreiung das Gebäude nützte ist nicht bekannt.

Blick auf das Gebäude, heute von der Finanzmarktaufsicht benützt. Rechts im Hintergrund das Wiener Landesgericht. (Quelle: Alexander Wallner)

Blick auf das Gebäude, heute von der Finanzmarktaufsicht benützt. Rechts im Hintergrund das Wiener Landesgericht. (Quelle: Alexander Wallner)

Nach 1945
Das Gebäude übernahm die ECA Special Mission (Economic Cooperation Administration), eine US-Berhörde, die den Marshall-Plan umsetzte (Adresse: Frankhplatz 3). Ihr folgte 1958 die Österreichische Mineralverwaltung (später: OMV), ab 2009 die Finanznmarktaufsicht (FMA).

Gerichte Schwindgasse

flag_uk flag_at

Schwindgasse 8 – Luftwaffen-Gericht und Reichkriegsgericht

Im Gebäude Schwindgasse 8 bestand ab 1938 ein großes Luftwaffen-Gericht, später auch eine Außenstelle des Reichkriegsgericht. Als Gerichte der NS-Militärjustiz war sie Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte.

Briefkopf eines Schreibens des Gerichts des Luftgaus an eine Wiener Haftanstalt, 1942 (Quelle: DÖW)

Briefkopf eines Schreibens des Gerichts des Luftgaus an eine Wiener Haftanstalt, 1942 (Quelle: DÖW)

Einrichtung Gericht des Luftgau
Direkt nach dem „Anschluss“ 1938 bezog in der Schwindgasse 8 das Luftwaffen-Gericht Quartier. Dabei war die örtliche Nähe zu anderen hohen Stellen der Luftwaffe (Luftflottenkommando 4 am Schwarzenbergplatz, Luftgaukommando XVII am Schillerplatz) vorteilhaft. Das Gericht firmierte seit 1938 unter der Bezeichnung „Feldgericht des Luftgaus XVII“, später auch als „Feldgericht des kommandierenden Generals und Befehlshabers im Luftgau XVII“.

Zuständigkeit und Größe
Der Luftgau XVII war sehr groß und bestand aus einem Gutteil des heutigen Österreichs und der heutigen tschechischen Republik. Alle Angehörigen der Luftwaffe – Offiziere, Soldaten sowie etliche ZivilistInnen – unterstanden dem Luftgau-Gericht so nicht speziellere oder direktere Gerichte zuständig waren. Das Gericht unterhielt auch Außenstellen, etwa in Linz und Brno. Teilweise arbeiteten bis zu acht Richter gleichzeitig an diesem Gericht, ein Dienstaufsichtsrichter führte es. Urteil des Gerichts mussten von Gerichtsherren – den jeweiligen Luftwaffen-Kommandanten – unterzeichnet werden, die meisten saßen örtlich in den oben genannten Kommandanturen.

Ausschnitt aus einer Verfahrensverfügung gegen Angehörige einer steirischen Widerstandsgruppe (OFF) zu einer Verhandlung in der Schwindgasse 8, 1944 (Quelle: DÖW 21062/85C)

Ausschnitt aus einer Verfahrensverfügung gegen Angehörige einer steirischen Widerstandsgruppe (OFF) zu einer Verhandlung in der Schwindgasse 8, 1944 (Quelle: DÖW 21062/85C)

Reichskriegsgericht
Das Reichskriegsgericht (RKG) bestand in Berlin seit 1936, nach dem „Anschluss“ 1938 dehnte es seine Zuständigkeit auf Österreich aus. Bis zum Kriegsbeginn 1939 war es vor allem für Revisionsverfahren, nebst Verfahren wegen Hoch- und Landesverrat, zuständig. Manche seiner Entscheidungen waren richtungsweisend und verbindlich für andere Kriegsgerichte. Mitte August 1943 wechselte der Gerichtssitz von Berlin nach Torgau. Der 1941 eingerichtete 4. Senat des RKG tagte spätestens ab Herbst 1944 teils in der Schwindgasse in Wien. In mehr als 10.000 Fällen wurde vom RKG Ermittlungen geführt, rund die Hälfte dann auch angeklagt.

Zuständigkeiten des Reichskriegsgerichts
Das RKG war für bestimmte Delikte zuständig, egal ob von Soldaten oder ZivilistInnen verübt. Es war vor allem zuständig für die Delikte des Hochverrats, Landesverrats, Kriegsverrats, bei Angriffen auf den Führer und Reichskanzler, bei bestimmten Fällen der Wehrkraftzersetzung . Besonders viele Fälle religiöser und politischer (Kriegsdienst)Verweigerung landeten beim RKG.

Urteilspraxis des Reichskriegsgerichts
Von den 1189 verhängten Todesurteilen wurden 1049 vollstreckt, die meisten wegen Spionage (340), Landesverrat (313) und Zersetzung der Wehrkraft (313); ferner betrafen die Urteile mehr Zivilpersonen als Militärangehörige (689 zu 500), die meisten Militärangehörige waren wiederum Teil des Heeres. (422)

Bulgarische Botschaft heute (Bild: Mathias Lichtenwagner)

Bulgarische Botschaft heute (Bild: Mathias Lichtenwagner)

Auflösung beider Gerichte
Ende März 1945 wurde das Luftwaffengericht nach Oberösterreich verlegt, es bezog in Linz und Stadl-Paura bei Lambach Quartier. Wahrscheinlich wurde auch das Reichskriegsgericht zum gleichen Zeitpunkt aus der Schwindgasse abgezogen. Gegen Richter und Bedienstete des Luftwaffen-Gerichts in der Schwindgasse wurde 1945 ein Ermittlungsverfahren nach dem Kriegsverbrechergesetz geführt, bis Mitte 1947 jedoch alle Beschuldigten enthaftet und alle Verfahren eingestellt. Die Richter gaben zwar zu Protokoll, dutzende Todesurteile gegen Deserteure und Wehrkraftzersetzer gesprochen zu haben – das blieb für sie aber ohne Konsequenzen.

Die diplomatische Vertretung Bulgariens nutzt seit 1957 das Gebäude.

Fallbeispiel:
Karl und Edgar Ulsamer wurde am 11.März 1945 vom Reichskriegsgericht in der Schwindgasse zum Tode verurteilt, während der Evakuierung des WUG X gelang ihnen jedoch die Flucht.

Feldgericht Maxingstraße

Feldgericht in der Maxingstraße 20
Die Villa in der in der Maxingstraße 20 wurde 1938 enteignet und diente ab 1941 als Luftwaffen-Feldgericht. Als Gericht der NS-Militärjustiz war es Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte.

Die Villa Trebitsch in der Maxingstraße 20, um ca. 1942 (Bild: Privatarchiv Mathias Lichtenwagner)

Die Villa Trebitsch in der Maxingstraße 20, um ca. 1942 (Bild: Privatarchiv Mathias Lichtenwagner)

Verwendung vor 1938
Die Villa ließ 1907/08 der Übersetzer, Lyriker und Journalist Siegfried Trebitsch erbauen. Nach dem „Anschluss“ 1938 war das Ehepaar Trebitsch zur Flucht gezwungen und musste sich verarmt und über 70-Jährige in der Schweiz ein neue Existenz aufbauen. Die gesamte Einrichtung der Villa wurde in einer „privaten Versteigerung“ unter BeamtInnen der Vermögensverkehrsstelle und deren Bekannten im Herbst 1940 entwendet. Mitte Jänner 1941 besichtigten erstmals Offiziere der Luftwaffe das Gebäude um es sodann für die Einrichtung eines Gerichts zu übernehmen.

Kriegsrichter des "Feldgericht des Höheren Fliegerausbildungskommandeurs 17" im Garten des Gerichts, Mai 1942 (Bild: Privatarchiv Mathias Lichtenwagner)

Kriegsrichter des “Feldgericht des Höheren Fliegerausbildungskommandeurs 17” im Garten des Gerichts, Mai 1942 (sitzend, 4.v.L.: Kriegsgerichtsrat Dr. Kunze, 5.v.L.: Kriegsgerichtsrat Dr. Schweiger) (Bild: Privatarchiv Mathias Lichtenwagner)

Luftwaffen-Gericht
Im Umfeld bestanden mehrere Einrichtungen der Luftwaffe, darunter die Zentrale des Höheren Fliegerausbildungskommandos 17 und die Luftwaffen-Kaserne am Küniglberg. Dies machte die Errichtung eines entsprechenden Gerichtes in Wien-Hietzing – weit abseits der anderen Wiener Militärgerichte – notwendig. Das Feldgericht des Höheren Fliegerausbildungskommandeurs 17 hatte ein relativ hohes Aufkommen an Verfahren, bis zu 70 pro Monat. Das Gericht war zumindest bis 1943 tätig, möglicherweise auch länger. Verfolgte der Luftwaffen-Gerichte saßen meist im WUG XXI in Wien-Floridsdorf ein, zum Tode verurteilte Soldaten der Luftwaffe wurden oft am Schießplatz Kagran hingerichtet,

Befreiung und Nicht-Rückgabe
Das Haus fiel nach der Befreiung 1945 als „Deutsches Eigentum“ der Republik Österreich zu, welche es 1946 sofort an die Tschechoslowakische Republik verkaufte. Seit diesem Zeitpunkt diente es als Residenz des tschechoslowakischen, seit 1993 als Wohnsitz des slowakischen Botschafters. Die „arisierte“ Villa und das „eingezogenes“ Vermögen wurde niemals restituiert, vor Ort erinnert heute kein Hinweis an Trebitsch oder das NS-Militärgericht – sehrwohl jedoch an den Architekten der Villa…

WUG XXI – Floridsdorf

Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Floridsdorf (WUG XXI)

In Wien wurden von der Wehrmachtsjustiz fünf Gefängnisse betrieben: Die Zentrale (WUG X) befand sich in Wien-Favoriten, die erste und größte Nebenstellen war in Wien-Floridsdorf eingerichtet. Es war Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte.  Das historische Gebäude wird auch heute noch als Gefängnis genutzt.

Bezirksgericht (rechts, Altbau) und Justizanstalt (links, moderner Bau), 2012. (Quelle: Privatarchiv Mathias Lichtenwagner)

Bezirksgericht (rechts, Altbau) und Justizanstalt (links, moderner Bau), 2012. (Quelle: Privatarchiv Mathias Lichtenwagner)

Geschichte vor 1938
Das markante und große Gebäude wurde 1896 errichtet. Es beherbergte als Amtsgebäude Bezirksgericht samt Gefangenenhaus, Polizeistation und Magistratisches Bezirksamt, zudem mehrere Wohnungen. 1905 wurde Floridsdorf ein Wiener Bezirk, das Gefangenenhaus mehrmals erweitert und erneuert – es besaß 1938 zumindest 23 Zellen.

Übernahme der Wehrmachtsjustiz
Die Wehrmachtsjustiz verfügte direkt nach dem „Anschluss“ 1938 über zu wenig Hafträume, weswegen man Gefangenenhäuser der zivilen Justiz übernahm. Das Gefängnis in der Gerichtsgasse war das Erste, noch 1938 wurden hier Soldaten inhaftiert. Zum größten Teil betraf dies Soldaten der Luftwaffe. Das Gefängnis firmierte unter dem Titel „Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Floridsdorf“ oder „Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis XXI“ sowie teils auch als „Luftwaffen-Standortarrestanstalt“.

Nutzen und Netzwerk
Einerseits wurden im WUG XXI Soldaten von ihren militärischen Verbänden bei Verdacht selbst oder von Wehrmachtsstreife und anderen NS-Behörden, etwa der Polizei oder Gestapo, eingeliefert. Andererseits verbrachten Soldaten hier auch nach ihrer Verurteilung durch die Gerichte in der Innenstadt ihre Haft- bzw. Arreststrafen oder die Zeit bis zum Weitertransport in andere Anstalten des Strafvollzugs. Wie viele Soldaten das Gefängnis von 1938 bis 1945 durchliefen ist nicht exakt bestimmbar, vorsichtige Hochrechnungen ergeben weit über 1.000 Gefangene.

Blick aus dem Gefängnis-Spazierhof auf den historischen Teil des Gefangenenhauses, 2012. (Quelle: Privatarchiv Mathias Lichtenwagner)

Blick aus dem Gefängnis-Spazierhof auf den historischen Teil des Gefangenenhauses, 2012. (Quelle: Privatarchiv Mathias Lichtenwagner)

Befreiung und Nutzung nach 1945
Die Gegend um das Gefängnis stand, bedingt durch die vielen Firmen und die Remise, im Fokus der taktischen Flugangriffen der Alliierten, wovon auch der nicht-vollendete FlAK-Bunker gegenüber dem Gefängnis zeugt. Teile des Gebäudes wurden auch durch Bomben getroffen, wahrscheinlich aber nicht der Gefängnistrakt. Es ist nichts über die Befreiung des Gefängnisses selbst bekannt, wahrscheinlich wurden die Gefangenen wie in den anderen Wehrmachtsgefängnissen rechtzeitig Richtung Westen „evakuiert“. Die Hinrichtung der Offiziere Alfred Huth, Rudolf Raschke und Karl Biedermann am 6.4.1945 am nahen Floridsdorfer Spitz durch SS bzw. SD hat nichts mit der Haftanstalt zu tun. Der Bezirk selbst wurde erst Mitte April 1945 vollständig von der Wehrmacht befreit. Das Gefängnis wird seit 1997 als Außenstelle der Justizanstalt Mittersteig verwendet.

Fallbeispiel
Erich Salda wurde in der Rossauer Kaserne verhört, saß dann bis zu seiner Verurteilung vor dem Gericht der Div. 177 am 27.10.1944 im WUG XXI ein. Er wurde am 7.2.1945 am Hinrichtungsplatz Kagran mit anderen wegen mehrfacher Selbstverstümmelung erschossen: Einmal verletzte er sich selbst absichtlich um nicht mehr dienen zu müssen, zweimal half er Kameraden – Link Erschießung (DÖW)Link Foto Erich Salda (DÖW)

WUG Döbling (WUG XIX)

wug19_b

Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Döbling (WUG XIX)

In Wien wurden von der Wehrmachtsjustiz fünf Gefängnisse betrieben: Die Zentrale (WUG X) befand sich in Wien-Favoriten, eine der vier Nebenstellen war Wien-Döbling eingerichtet. Es war Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte. Das ehemalige Gefängnis dient heute der Bezirksverwaltung als Magistratsgebäude, an die frühere Nutzung während des Nationalsozialismus erinnern noch originale Zellentüren und der Spazierhof des Gefängnis.

Plan des Gefangenenhauses von ca. 1900, zu sehen etwa der Spazierhof und eine Arrestzelle im Erdgeschoß (noch heute vorhanden!) (Quelle: Privatarchiv M.L.)

Plan des Gefangenenhauses von ca. 1900, zu sehen etwa der Spazierhof und eine Arrestzelle im Erdgeschoß (noch heute vorhanden!) (Quelle: Privatarchiv M.L.)

Geschichte vor 1938
Der verwinkelte und mehrmals erweiterte Gebäudekomplex diente vor 1938 verschiedenen staatlichen Stellen, wesentlich Magistratisches Bezirksamt, Bezirkshauptmannschaft sowie dem Bezirksgericht Döbling und Währing. Den Bezirksgerichten waren damals eigenständige Gefangenenhäuser angeschlossen, welches sodann nach 1938 von der Wehrmachtsjustiz übernommen wurde.

Größe und Beschreibung
Das eigentliche Gefängnis ist an der Rückseite Richtung Süden des Objekts Gatterburggasse 12-14. Es handelt sich um ein zweigeschossiges Gebäude mit Arrestzellen auf beiden Geschossen sowie einem Keller. Der maximale Belag lag bei der Errichtung bei rund 40 Personen, wurde aber nicht selten überschritten. Heute zeugen noch Zellentüren und der ungenutzte Spazierhof von der Verwendung als Gefängnis.

Übernahme der Wehrmachtsjustiz
Die Wehrmachtsjustiz verfügte über zu wenig Hafträume, weswegen sie auch das Döblinger Gefangenenhaus übernahm. Bis Ende 1939 fand die Verwendung für das Amtsgericht Döbling (AG Döbling), das ehemalige Bezirksgericht Döbling, ein Ende. Spätestens für 1942 ist die Verwendung als Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis belegt, wahrscheinlich aber schon früher. Das Gefängnis taucht sowohl als „Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Wien, Zweigstelle Döbling“ als auch „Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Döbling“ bzw. „Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis XIX“ in den Akten auf.

Bedeutung
Das WUG XIX war eines der vier Nebenstelle im Gefängnis-Netzwerk der Wiener Militärjustiz. Nur sehr wenige Akten zu Verfahren der Wehrmachtsjustiz sind erhalten geblieben, trotzdem lässt sich vieles über den Haftalltag und die Größenordnung sagen. Die Gefangenen verbrachten hier sowohl Haftstrafen, Untersuchungshaft als auch die Zeit bis zum Weitertransport in andere Gefängnisse – etwa ins Wehrmachtsgefängnis Groß-Mittel (Wiener Neustadt) oder Wehrmachtsgefängnis Glatz; Arreststrafen hingegen keine. Neben der Wehrmachtsstreife lieferten auch andere Stellen des NS-Staates, etwa die Gestapo, Gefangene hier ein oder holte sie ab. Leiter des WUG Gatterburggasse waren scheinbar Emil Riedel sowie Martin Mauser.

Befreiung und Nutzung nach 1945
Es ist nichts über die Befreiung des Gefängnisses selbst bekannt, wahrscheinlich wurden die Gefangenen wie in den anderen Wehrmachtsgefängnissen rechtzeitig Richtung Westen „evakuiert“. Der Bezirk Döbling selbst wurde um den 9. April 1945 durch die Rote Armee befreit. Heute nutzt der Bürgerdienst der Stadt Wien den im Erdgeschoss gelegenen Teil des ehemaligen Gefangenenhauses. Der erste Stock, wo sich die meisten Zellen befanden, wurde zu Schulungsräumen für SchülerInnen und Kindergruppen umgebaut. Der Großteil der für ein Gefangenenhaus typischen Einrichtung wurde entfernt, lediglich eine ehemalige Zellentür mit Guckloch und eine Klappe für Essen sowie der der Spazierhof für die Gefangenen sind noch vorhanden.

Fallbeispiel
Das Schicksal des Kärntner Hermann Pischelsberger, der im WUG Döbling einsaß und in Kagran hingerichtet wurde – Link Fallgeschichte (Erinnern Villach)

Albrechtskaserne (WUG II)

Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Albrechtskaserne (WUG II)

In Wien wurden von der Wehrmachtsjustiz fünf Gefängnisse betrieben: Die Zentrale (WUG X) befand sich in Wien-Favoriten, wegen Platznot wurde auch in der Albrechtskaserne in Wien-Leopoldstadt ein Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis eingerichtet. Es war Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte.

Teil der Albrechtskaserne (ca. 1900) in Wien-Leopoldstadt (Lizenz: abgelaufen, frei nutzbar, wikimedia-common)

Übernahme durch Wehrmacht und Wehrmachtsjustiz
Nach dem „Anschluss“ 1938 übernahm die Wehrmacht alle Bundesheer-Kasernen, so auch die Albrechtskaserne. Da die Wehrmachtsjustiz nur über ungenügende Hafträume verfügte wurde ein Teil der nach dem Überfall auf Polen leeren Kaserne zum Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis umgebaut.

Nutzung
In das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Albrechtskaserne kamen vor allem verurteilte Soldaten, hingegen kaum Untersuchungs-Häftlinge. Die verurteilten Soldaten sahen entweder einer Verbringung in den sonstigen Wehrmachtsstrafvollzug oder an die Front zur „Frontbewährung“ entgegen – beides mit ungewissem und oft tödlichem Ausgang. Rund zehn Prozent der von Wiener Gerichten verurteilten Personen kamen zumindest kurz in die Albrechtskaserne, das waren 1938 – 1945 mehrere Tausend Personen.

Befreiung und Nutzung nach 1945
Über die Befreiung der Kaserne im April 1945 ist nichts bekannt, bis 1955 war die Kaserne unter sowjetischer Verwaltung. 1955 bezog das Bundesheer und auch Stellen des Verteidigungsministeriums das Gebäude, die Bezeichnung der Kaserne bzw. Amtsgebäude wechselte des Öfteren. Seit 1979 befinden sich die Wiener Stellungskommission am Gelände der Kaserne. Seit Jahren wird über den Verkauf der ehemaligen Kaserne berichtet – der aktuelle bauliche Zustand der Gebäude macht dies sehr wahrscheinlich (Link extern).

Fallbeispiele:
Der 20jährigen Deserteur Johann Wimmer, dem die Flucht aus der Arresthaft in der Albrechtskaserne gelang, danach vom Gericht am Loquaiplatz verurteilt und im Wiener Landesgericht hingerichtet wurde:
Link zu seiner Biografie (DÖW)
Link zum Feldurteil gegen ihn (DÖW)

Trostkaserne

Trostkaserne – Sammelpunkt für Todeskandidaten

In Wien wurden von der Wehrmachtsjustiz fünf Gefängnisse betrieben: Die Zentrale (WUG X) befand sich in Wien-Favoriten, nahe der Trostkaserne. Diese heute Starhemberg-Kaserne genannte Kaserne diente der nationalsozialistischen Militärjustiz als Haftort für Todeskandidaten. Es war Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte.

Geschichte vor 1938
Die Kaserne wurde 1911/12 errichtet, zuerst Erzherzog-Franz-Ferdinand-Infanterie-Kaserne benannt, nach Ausrufung der Republik 1918 sodann Trostkaserne. Die Anlage wurde mehrmals erweitert und modernisiert, Adresse blieb aber immer Gußriegelstraße 45 bzw. Troststraße 105.

Übernahme durch die Wehrmacht
Nach dem „Anschluss“ 1938 übernahm die Wehrmacht alle Bundesheer-Kasernen, so auch die Trostkaserne. Die Kaserne diente zuerst dem Heer, ab 1940 der Luftwaffe, zwischen 1942 und 1944 wurden in Favoriten FlAK-Abteilungen massiv ausgebaut.

Verwendung für die Wehrmachtsjustiz
Zwischen 1940 und 1945 wurden aus den fünf auf die Stadt verteilten Wehrmachtsuntersuchungsgefängnissen, vor allem aus dem nur 1250 Meter entfernten „Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis X“ in der Hardtmuthgasse, zum Tode verurteilte Soldaten in die Trostkaserne gebracht. Sie sollten hier ihre letzte Nacht vor der Hinrichtung am Schießplatz Kagran verbringen sollen. Es handelte sich dabei einerseits um eine logistische Notwendigkeit um den Abtransport der Hinzurichtenden samt der Soldaten, die die Erschießung vornahmen, zu bewerkstelligen. Andererseits handelte es sich dabei um einen militärischen Usus um die „Ausstoßung aus dem Heer“ zu vollziehen.

Bericht
Der Wehrmachtsgeistlichen Franz Loidl war einer der wenigen Zeugen dieser Vorgänge. Er berichtet nach 1945:

„Daraufhin wurde der Soldat von zwei Begleitern abgeführt, in eine abgetragene Militärhose samt Rock gesteckt und zur Armensünderzelle geleitet. Man nannte dies ‚Ausstoßung aus dem Heer‘. Die düstere Zelle hatte kein Fenster, nur eine Klomuschel, einen wackeligen Tisch und zwei einfache Sessel als Einrichtung. Ein paarmal gab es ein dürftiges Henkermahl auf einem Blechteller, auch das hörte später auf. Nur Zigaretten verblieben. (…) Zur Wache vor der offenen Tür gesellten sich immer wieder abwechselnd Soldaten/Kameraden, die den Armen durch Gespräche, Witze etc. abzulenken suchten, auch sich mit ihm zu unterhalten anfingen.“

„Ein ärmlicher Tisch, zwei Sessel und ein Eisenbett waren mit dem WC die einzige Einrichtung des fensterlosen, schmalen Raumes. Vor der dauernd offengelassenen Tür (wegen der Beobachtung, damit sich der Verurteilte nicht etwas zufüge) postierte sich die Wache.“

„Da die ganze Nacht über geraucht wurde und der Qualm keinen Abzug hatte, brannten mir ein paar Tage lang die Augen oder schmerzten mich, wie man besser sagt. Seither weiß ich, wie ähnlich nach einer Operation eine Nacht dahinschleicht und wie eine Ewigkeit nicht zu vergehen scheint. Dieses Warten die Nacht über bis zum Morgen des letzten Tages sei die eigentliche Todesstrafe und Abbüßung, da jeder Todeskandidat die unabwendbare sofortige Vollstreckung als Erlösung empfinden, ja sogar wünschen würde, wie mir vom Kommandanten erzählt wurde. (…) Die schweren Stiefeltritte, das laute Rufen und das Zuschlagen der Eisentüren [ließen] kaum ein Stündchen Ruhe zu. Auch ließ es mir keine Ruhe, wollte ich ja den Armen nicht allein und sich selbst überlassen. Man hatte mir nicht nur einmal bedeutet, daß ein auf das Sterben Wartender das Alleinsein und Gefühl der Verlassenheit sehr hart und beängstigend empfinde.“

„Allzu langsam krochen die frühen Morgenstunden etwa ab zwei oder drei Uhr hin, zumal es nun auch im so grau und öd wirkenden Hause ruhig geworden war. Da die Erschießung mit Tagesanbruch vollzogen werden mußte – etwa zwischen 6:15 – 7:15 Uhr, je nach Jahreszeit –, wurde es bald nach 5 Uhr früh lebendig im Haus. Schlösser-Rasseln, Auf- und Zuschlagen der schweren Gitter, schwere Stiefeltritte ließen die Nähe des Aufbruchs und der Abfahrt ahnen. Ein Unteroffizier vom Dienst mit Helfern erschien, legte die Hände des Todeskandidaten in Ketten (Schließen), dann auch die Füße (um die Knöchel), aber gelockert, so daß er mit Hilfe der Begleiter trippeln konnte. Es ging über die Treppe hinab in den öden Hof, wo schon der Autokar, der vergitterte, dem Polizeiauto „Grüner Heinrich“ gleichende LKW wartete. Eine Wachmannschaft stieg nach. (…) Hie und da ein Blick durch die Fensterlucke ließ erkennen, daß sich der kleine Konvoi über die Triesterstraße, den Margaretner- und Wiednergürtel, die Prinz-Eugen-Straße, den Schwarzenbergplatz und Ring, vorbei an der Urania, dem Tegetthofdenkmal und über die Reichsbrücke auf holpriger Straße bewegte.“

Heutige Starhemberg-Kaserne des Österreichischen Bundesheeres, frühere Trostkaserne (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons by-sa 3.0 de)

Befreiung 1945 und Nutzung heute
Die Kaserne war als Teil der FlAK-Großkampfbatterie „Wienerberg“ stark in die Kämpfe gegen die Rote Armee eingebunden die ab dem 5.April 1945 versuchte Wien von der Wehrmacht und SS zu befreien. Erst am Abend des 6. Aprils war Wien-Favoriten bis zum Gürtel befreit. Bis 1955 benutzte die Rote Armee die Trostkaserne, danach übernahm sie das Bundesheer. 1967 erfolgte die Umbenennung in Starhemberg-Kaserne, die heute als Fernmeldetruppenschule dient.

Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz in Kagran 2015

Auch heuer – und trotz der Ersten Gedenkfeier beim Deserteursdenkmal am Ballhausplatz – fand am 26.Oktober 2015 wieder eine Gedenkfeier in Kagran beim ehemaligen Schießplatz statt. Im Folgenden die Einladung, die Fotos reichen wir nach.

Nie wieder Gleichschritt!
14. Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz
Das Personenkomitee »Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz« lädt herzlich zur 14. Gedenkveranstaltung »Nie wieder Gleichschritt!« an der ehemaligen Hinrichtungsstätte auf dem Gelände des Militärschießplatzes Kagran ein. Dort starben zwischen 1938 und 1945 Hunderte wegen Fahnenflucht und Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilte Wehrmachtsoldaten im Kugelhagel von Exekutionskommandos. Wir treffen uns zum Gedenken an alle ungehorsamen Soldaten und ZivilistInnen, die von Wehrmacht und SS ermordet wurden.

Zeit: 26. Oktober 2015, 10 Uhr 30 Uhr
Ort: Gedenkstein im Donaupark
Es spricht
Richard Wadani – Ehrenobmann des Personenkomitees „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“

Das Video der Gedenkfeier 2015 ist dem Youtube-Profil der AUGE/UG entnommen, wer sichs direkt dort ansehen möchte: Link zum Youtube-Video.

Enthüllung Gedenktafel am ehemaligen Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Favoriten (WUG X)

Am 30. April 2015 wurde im Bezirk Favoriten am ehemaligen Wehrmachtsgefängnis von der Bezirksvertretung eine ausführliche Gedenktafel errichtet. Die Gedenktafel stellt durch das mittig platzierte “X” einen optischen Bezug zum zentralen Denkmal am Ballhausplatz her. Aus der Einladung:

wug-x_tafel-2015Bezirksvorsteherin Hermine Mospointner und der Arbeitskreis Gedenkpolitik der Bezirksvertretung laden ein zur

Feierlichen Enthüllung einer Gedenktafel am ehemaligen Wehrmachtsuntersuchungs-Gefängnis Wien 10, Hardtmuthgasse 40-42

am Donnerstag, dem 30. April 2015 um 17:00 Uhr

Das Gebäude der heutigen Justizanstalt Favoriten diente von 1938-1945 als Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis („WUG X“). Es war damit Teil des nationalsozialistischen Terror- und Unrechtssystems.
Dieses Gefängnis war die größte Militärhaftanstalt Wiens. Tausende Menschen befanden sich hier in Untersuchungshaft und warteten auf ihre Verfahren. Todesurteile ließ die Wehrmachtsjustiz an zwei Hinrichtungsorten in Wien vollstrecken: Durch Erschießung am Schießplatz Kagran oder durch Köpfen oder Hängen im Land(es)gericht I.

Die juristische Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren und anderen Opfern der NS-Militärjustiz begann in Österreich erst in den späten 1990er Jahren.

Auch im öffentlichen Raum findet dieser Prozess seinen Niederschlag. Seit Oktober 2014 erinnert am Ballhausplatz ein Denkmal an die Opfer der NS-Militärjustiz.

Ablauf:
1. Begrüßung Bezirksvorsteherin Hermine Mospointner
2. Der Arbeitskreis Gedenkpolitik der Bezirks- vertretung, Vorsitzende Bezirksrätin Sascha Resch
3. „Gedenken und Mahnen- Erinnerungspolitik und Gedächtnislandschaften in Wien“, Dr.in Claudia Kuretsidis-Haider, Leiterin der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz am Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes

Mehr Infos zum Ort ansich gibt es hier: Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Favoriten (WUG X).

Danke an Michael Schmid für das Überlassen der drei Fotos (Alle Rechte bei schmid-photography.com).

Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz in Kagran 2014

Für Sonntag, den 26.Oktober 2014 lud das “Personenkomitee ‘Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz'” zur Gedenkfeier nach Kagran. Sowohl Einladung als auch die Feier standen unter dem Eindruck des zwei Tage zuvor eröffneten Deserteursdenkmals am Ballhausplatz. Aus der Einladung:

Auch wenn es kaum möglich schien: Die Republik hat sich verändert. Am 24. Oktober 2014 wird der Bundespräsident am Ballhausplatz feierlich das Denkmal für die Wehrmachtsdeserteure und alle anderen Verfolgten der
NS-Militärjustiz eröffnen. Dies wird der vorläufige Endpunkt einer Entwicklung sein, die einige wenige, der Kälte trotzende Unentwegte im Herbst 2002 im Donaupark angestoßen haben. Damals fand beim Gedenkstein auf dem Gelände des ehemaligen Militärschießplatzes Kagran die erste Kranzniederlegung für die Opfer der Wehrmachtsjustiz statt. Wir haben einen langen Weg zurückgelegt.

Die Gedenkkultur mag – und das ist ja auch ein Grund zur Freude – ins politische Zentrum gerückt sein, aber das ist kein Grund für uns, die Peripherie zu vergessen. Wir versammeln uns daher auch heuer wieder am 26. Oktober 2014 um 10.30 Uhr beim Gedenkstein im Donaupark an der Arbeiterstrandbadstraße, um der ungehorsamen Soldaten und ZivilistInnen zu gedenken, die zwischen 1938 und 1945 von Wehrmacht und SS ermordet wurden.

Es sprechen:
Viktoria Spielmann, Vorsitzende der Bundesvertretung der Österreichischen HochschülerInnenschaft

Richard Wadani, Wehrmachtsdeserteur und Ehrenobmann des Personenkomitees „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“

Den Text der Rede von Viktoria Spielmann ist hier zu finden (Link ÖH-Homepage).

Alle Fotos zur Verfügung gestellt vom Archiv des Vereins “Personenkomitee ‘Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz'”

WUG Favoriten

„Da saß schon einer drin, ein Fahrer, am Steuer. Der eine hat sich nach vorne hingesetzt und der Gefreite hinten zu mir. Das war ein Erlebnis. Nach Monaten im Gefängnis. Von Mai bis Oktober habe ich kaum das Tageslicht gesehen, und jetzt saß ich in einem offenen Wagen. […] Trotzdem, ich konnte natürlich auch erkennen, wohin es geht. Durch die Stadt, hinaus zum Ring, zum Gürtel, raus in den zehnten Bezirk. Sag ich zu dem Gefreiten nebenan, habe ich mich getraut und gefragt: „Sagen Sie, wohin fahren wir?“ Ich war eigentlich angenehm überrascht, als er mir Wienerisch geantwortet hat: „Nach Favoriten, ins Wehrmachtsgefängnis.“ (Roman Haller: Interview, geführt von Vladimir Vertlib, März 1997. DÖW 51666.)

Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Favoriten (WUG X)

Ein so großes und dichtes Netzwerk der Verfolgung wie das der NS-Militärjustiz braucht ausreichend Hafträume. In Wien wurden von der Wehrmacht fünf Gefängnisse betrieben: Das größte und wichtigste befand sich in Favoriten. Die heutige Justizanstalt Favoriten war zwischen 1938 und 1945 das zentrale Haftgebäude der NS-Militärjustiz in Wien: Das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis X (»WUG X«). Durch den heute unscheinbaren aber großen Komplex gingen nahezu alle Untersuchungshäftlinge die in Wien und dem ganzen Wehrkreis XVII innerhalb der Wehrmacht festgenommen wurden.

Ausschnitt eines Briefkopfes aus einem Verfahren der NS-Militärjustiz. Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Ausschnitt eines Briefkopfes aus einem Verfahren der NS-Militärjustiz.
Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Geschichte vor 1938
Die Geschichte des Gefängnisses ist eng mit dem Bezirksgericht Favoriten verbunden. Dieses wurde 1882 eingerichtet, jedoch an anderer Stelle. Erst ab 1914 bezog das Gericht das heutige Gebäude, ihm angeschlossen war ein Gefangenenhaus – das spätere Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis X. Bis 1938 blieb diese Verbindung bestehen. Die akute Raumnot der neu aufgebauten NS-Militärjustiz in Wien führte das Objekt 1938 von der zivilen Justiz zur Wehrmachtsjustiz die so – wie man damals feststellte – »das schönste und modernste Gerichtsgebäude Wiens« erhielt.

Die heutige Justizanstalt Favoriten, 2013. Bildquellen: privat

Die heutige Justizanstalt Favoriten, 2013.
Bildquellen: privat M.L.

Baulichkeit
Auf vier Stockwerken befanden sich auf den Straßenseiten Hardtmuthgasse und Muhrengasse die beiden Hafttrakte, an deren Schnittpunkt befand sich ein Wachzimmer. Das Gefangenenhaus war für 145 Gefangene in 43 Einzel- und 20 Gemeinschaftszellen konzipiert – zu dieser Zeit waren die Zellen aber auch teils mehrfach überbelegt. Im Erdgeschoß befanden sich Isolier- und Dunkelzellen, ebenso im Keller. Ein Eingang befand sich in der Hardtmuthgasse, eine Einfahrt in der Muhrengasse. Das Gefangenenhaus wurde seit seinem hundertjährigen Bestehen mehrfach umgebaut und erweitert.

 

Ausschnitt aus einem Urteils des Gerichts der Division 177. Die elf Angeklagten wurden auf fünf verschiedene Haftanstalten aufgeteilt. Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Ausschnitt aus einem Urteils des Gerichts der Division 177. Die elf Angeklagten wurden auf fünf verschiedene Haftanstalten aufgeteilt.
Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Zentrale Haftanstalt
Der NS-Militärjustiz in Wien diente das Objekt als zentrale Haftanstalt. Die von den Einheiten angezeigten Personen wurden hier ebenso eingeliefert wie die von den Gerichten zur Fahndung Ausgeschriebenen. Die Gefangenen wurde in Folge vom WUG X auf die vier Zweigstellen aufgeteilt. Die Zweigstellen in den Bezirken Wien-Neubau (WUG VII), Wien-Döbling (WUG XIX), Wien-Floridsdorf (WUG XXI) und Wien-Leopoldstadt (WUG II) waren der Favoritner Zentrale nachgeordnet und auch wesentlich kleiner. Das WUG X wies also neben einem hohen Belag einen noch höheren Durchlauf auf. Geleitet wurde die Anstalt von einem Major Weddige. Das sonstige Personal setze sich sowohl aus Soldaten und Zivilisten zusammen, darunter auch ein Truppenarzt der die Haftfähigkeit bestätigte bzw. Häftlinge in ein Lazarett überwies.

Die Bezeichnung des „WUG X“ ist nicht immer einheitlich, es taucht in der Literatur und in den Akten als Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis (WUG) und Standortarrestanstalt und den Ortszusätzen Favoriten, X oder Hardtmuthgasse auf. Entgegen dem Eindruck, den die Bezeichnung Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis suggeriert, wurden auch Haftstrafen und Arreststrafen im WUG X vollstreckt: Diese dauerten in einigen Fällen durchaus auch mehrere Jahre.

Bedeutung
Die zentrale Stellung des WUG X im Netzwerk der Wiener NS-Militärjustiz hat für eine gute Aktenüberlieferung gesorgt. Die Breite der Vergehen der WUG X-Insassen reicht von Selbstverstümmelung im Heimaturlaub und Desertion an der Ostfront, bis hin zu Führerbeleidigung durch Jugendliche in der FlAK-Stellung und putschverdächtigen Offizieren. Durch die Rolle Wiens als Knotenpunkt als »Bollwerk des deutschen Südostens«, erstreckte sich das Einzugsgebiet der hier eingelieferten Personen von Rumänien bis Griechenland, also weit in den von der Wehrmacht besetzten Raum. Das führte dazu, dass die unterschiedlichsten Personen über ihre Haft berichten konnten: Darunter der Wiener Künstler Roman Haller, der sich hier in Untersuchungshaft vor seinem Kriegsgerichtsprozess befand, oder etwa der spätere Justizminister Christian Broda, der hier 1943 drei Monate einsaß.

Querschnitt durch das Gebäude, zu sehen die Mauer im Gefängnishof, Plan: ca. 1920. Bildquellen: privat M.L.

Querschnitt durch das Gebäude, zu sehen die Mauer im Gefängnishof, Plan der Baupolizei ca. 1920.
Bildquellen: privat M.L.

Folter und Selbstmord
Es gibt vereinzelte Hinweise auf Folter im WUG X, jedenfalls kam es zu Übergriffen der Wachmannschaft auf die Gefangenen. Grundsätzlich wurden Verhöre und Folter aber vor allem in der Rossauer Kaserne angewandt. Auch gibt es Berichte über Selbstmorde um dem Haftalltag, den Übergriffen oder der Verurteilung zu entkommen.

Todesurteile
Personen, gegen die Todesurteile ergangen waren, verbrachten die Zeit bis zur Vollstreckung getrennt in den verschiedenen Wiener Haftanstalten. Einige Tage vor der Hinrichtung wurden sie gesammelt. Transporte brachten sie zum einen in das Landgericht I. Zum Zwecke der Abschreckung vor weiteren Desertionen ließ die NS-Militärjustiz Massenhinrichtungen vor Publikum am Schießplatz Kagran durchführen. Die Verurteilten verbrachten die Nächte davor in der heutigen Starhembergkaserne (früher: Trostkaserne). Das »WUG X« war in diesen Fällen zentral in das Hinrichtungs-Prozedere eingebunden, der Kommandant des WUG X verlas den Hinzurichtenden vor der Hinrichtung auch das Urteil.

Aufriss des Hofes und der Zellen, unten im Bild: Isolierzellen und Dunkelkammer, Plan: ca. 1920. Bildquellen: privat M.L.

Aufriss des Hofes und der Zellen, unten im Bild: Isolierzellen und Dunkelkammer, Plan der Baupolizei ca. 1920.
Bildquellen: privat M.L.

Evakuierung 1945
Auch als sich die Alliierten der Stadt Wien näherten, hielt die Wiener NS-Militärjustiz den Betrieb weiter aufrecht: Die Verfolgung von Deserteuren, Selbstverstümmlern usw. wurde sogar ausgebaut. Mehr und mehr Soldaten und ZivilistInnen durchliefen die die Hafteinrichtungen. Bis zuletzt wurden Verurteilte der NS-Militärjustiz „zur Frontbewährung“ in den Osten geschickt.
Ende März 1945 löste die Gefängnisleitung das Gefängnis auf. Die Insassen wurden Richtung Westen evakuiert. Ziel war das Wehrmachtsgefangenenanstalt Döllersheim/Allensteig, ein Außenlager des Wehrmachtsgefängnis Glatz (Kłodzko). Auf dem Weg dorthin gelang einigen die Flucht, andere wiederum wurden erschossen.

Tafel der Bezirksvertretung Favoriten, 2015

Tafel der Bezirksvertretung Favoriten, 2015

Befreiung April 1945
Die Rote Armee stand Anfang April 1945 vor Wien. Am 6. April begann sie damit das Stadtgebiet von Süden her zu befreien und im Westen zu umfassen; noch an diesem Tag wurde der ganze Bezirk Favoriten befreit, so auch das Gefängnis. Die Justizwache übernahm das Gebäude und und unterstellte es der Kriminalpolizei, kurzzeitig waren im Gebäude auch nationalsozialistische ParteifunktionärInnen inhaftiert.

Aufarbeitung
Ende April 2015 wurde von der Bezirksvertretung Favoriten ein Erinnerungszeichen am Gebäude errichtet. 100 Jahre nach Gebäudeerrichtung und 75 Jahre nach Einrichtung des „WUG X“ erinnert eine Tafel an die Geschichte des Gebäudes sowie die Leiden der Verfolgten und Opfer des NS-Regimes.

Fallbeispiel WUG-X: Edgar Ulsamer, Herta Ulsamer, Karl Ulsamer.

Fallbeispiel WUG-X: Edgar Ulsamer, Herta Ulsamer, Karl Ulsamer.

Fallbeispiele zum WUG X Favoriten:

 

 

 

WUG Neubau

Briefkopf eines Schreibens aus dem WUG VII an ein Gericht in der Innenstadt. Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Neubau (WUG VII)

In Wien wurden von der Wehrmachtsjustiz fünf Gefängnisse betrieben: Die Zentrale (WUG X) befand sich in Favoriten, eine der Nebenstellen war im Bezirk Neubau eingerichtet. Das Gebäude wird heute als Kindergarten und Wohnhaus verwendet.  Es war Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte. Seit Mai 2014 trägt es eine Informationstafel das seine Geschichte während der NS-Zeit erzählt.

wug-vii_plan1940

Ausschnitt aus einem Plan (etwa 1940), rechte Bildmitte das Gefängnis (rot) eingezeichnet.
Bildquellen: Übersichtsplan ca. 1940 (Ausschnitt), Quelle: Wiener Stadt und Landesarchiv, Kartographische Sammlung, Sammelbestand P4: 4021

Geschichte vor 1938
Das Gebäude war in der Monarchie als „Schottenhof“ bekannt da es immer dem Schottenstift gehörte. 1825/1826 erbaut, war es  Armen- und Versorgungshaus, stiftliches Weinhaus und -keller. Seit 1850 hatte im Gebäude das Bezirksgericht seinen Sitz; es war für die Bezirke Neubau und Mariahilf zuständig. Das Haus verfügte über viele Amtsräume und Gerichtssäle, im Inneren des U-förmigen Baus auch mehrere Arrestzellen. Das Bezirksgericht wurde in die Erste Republik übernommen, ab 1931 kam eine Polizeidienststelle im Haus dazu. Schon 1932 übernahm die Polizei das Gebäude zur Gänze, das Bezirkgericht zog aus. Wohl auch deshalb wurde das Gebäude während der Novemberpogrome 1938 für kurze Zeit von der Polizei genutzt: Gefangen genommene Juden und Jüdinnen, insbesondere aus den Umlandbezirken Mödling und Baden, wurden hier kurzzeitig festgehalten.

 

 

wug-vii_zellenplan

Ausschnitt aus einem Gebäudeplan, um 1900.
Bildquellen: Archiv M.L.

Baulichkeit
Das Gebäude liegt an der Ecke eines Häuserblocks, Ecke Burggasse und Hermanngasse. Die zwei Haupttrakte wiesen Büroräume und große Gerichtsräume auf – heute sind dort Wohnungen und ein Kindergarten. Im hinteren Teil gab es mehrere Hafträume und Arreste. In der Monarchie boten die Zellen Platz für rund 40 Personen sowie eine Isolierzelle, ob diese Kapazitäten in der Ersten Republik oder im Nationalsozialismus erweitert geworden sind ist unbekannt.

 

 

wug-vii_inhaftnahme

Standartisierter Inhaftnahmezettel eines Gefangenen der NS-Militärjustiz. Aufnahme in der Zentrale „Hardtmuthgasse“, dann Übernahme ins WUG VII.
Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Haftanstalt für die Wehrmacht
Wann genau die Wehrmacht in Neubau ein Gefängnis einrichtete ist unklar, vermutlich erst 1944/1945. Die meisten Häftlinge wurden aus der Zentralen Haftanstalt in Favoriten (WUG X) hierher verlegt. Entweder weil sie auf ihr Gerichtsverfahren oder nach der Verurteilung auf die Verlegung in ein anderes Gefängnis warten mussten. Einige Gefangene wurden auch verurteilt, ihre Strafen aber zur „Frontbewährung“ ausgesetzt: Das bedeutete, dass sie zum Beispiel ohne Ausrüstung an gefährlichen Frontabschnitten Minen räumen oder Verwunderte bergen mussten. Vor solchen Einsätzen kamen die Gefangenen meist für einige Wochen ins WUG II im 2. Bezirk. Auch Todeskandidaten befanden sich in der Hermanngasse: Sie verbrachten hier die letzten Wochen vor ihrer Hinrichtung im Landgericht I oder dem Militärschießplatz Kagran. Auch andere NS-Organisationen, etwa die Gestapo, durften auf das Gebäude und die Gefangenen zugreifen.

Bedeutung
Das WUG VII war eines der vier Nebenstelle im Gefängnis-Netzwerk der Wiener Militärjustiz. Nur wenige Akten zu Verfahren der Wehrmachtsjustiz sind erhalten geblieben. Trotzdem lässt sich sagen, dass viele hundert Wehrmachtshäftlinge in der Hermanngasse 38 einsaßen – Größtenteils wohl Untersuchungs-Häftlinge und Verurteilte, die auf ihren Weitertransport in die verschiedenen Formen des Wehrmachtstrafvollzugs warteten.

wug-vii_tafel-detail

Gedenktafel am Gebäude des ehemaligen WUG VII in Wien-Neubau, Hermanngasse 38. Bildquelle: www.deserteursdenkmal.at

Befreiung April 1945
Über die Tage während der Befreiung ist nichts genaues bekannt. Die Haftanstalt wurde bis Ende März 1945 schrittweise evakuiert, die Gefangenen Richtung Westen getrieben. Ebenso wenig weiß man über den „leitenden Hauptmann“ des WUG VII, Emil Riedel. Nach der Befreiung 1945 übernahm das Schottenstift das Gebäude wieder, es beherbergte Büros, ein katholisches Verbindungsheim und seit 1984/85 einen Pfarrkindergarten. 2010 ließ das Stift das Haus grundlegend umbauen, die ehemaligen Zellen wurden zu Wohnraum umgewandeln. Nach Abschluss der Renovierung brachten am 8.Mai Mai 2014 der Abt des Schottenstiftes (Abt Johannes Jung) und der Neubauer Bezirksvorsteher (Thomas Blimlinger) eine Informationstafel zur Geschichte des Gebäudes an.

 

Fallbeispiel zum WUG Neubau:

 

 

 

 

Enthüllung Gedenktafel Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Neubau (WUG VII)

Von der Eröffnung einer Gedenktafel am ehemaligen Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Neubau (WUG VII) berichtet folgender Bericht auf der Seite der Bezirksvertretung Neubau. Die Gedenktafel stellt durch das mittig platzierte “X” einen optischen Bezug zum zentralen Denkmal am Ballhausplatz her.

So sieht die 2014 errichtete Gedenktafel aus.

So sieht die 2014 errichtete Gedenktafel aus.

Gedenktafel für das ehemalige Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Wien-Neubau

Anlässlich des Tags der Befreiung am 8. Mai enthüllten Bezirksvorsteher Mag. Thomas Blimlinger und Abt Johannes Jung eine Gedenktafel, die an das ehemalige Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis erinnert, das sich im Gebäude des Stifts Schotten in der Hermanngasse 38 Ecke Burggasse 69 befand.

1931 bezog die Polizei das Gebäude, Ende 1931 zogen die Bezirksgerichte aus. Während der antisemitischen Pogrome im November 1938 wurde das Gebäude kurzzeitig als Sammelstätte für eine unbekannte Anzahl Verfolgter verwendet. Nach dem “Anschluss” 1938 ging das Bundesheer in der deutschen Wehrmacht auf. Wegen der tausenden Verfahren gegen Soldaten und Zivilpersonen hatte die Wehrmachtsjustiz großen Platzbedarf und übernahm auch dieses Gebäude als “Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis – Zweigstelle Neubau”.

Das Gefängnis war eines von sechs Zweigstellen, in denen Soldaten und Offiziere, aber auch Zivilpersonen, die der Fahnenflucht, der “Wehrkraftzersetzung”, des Kriegsverrats oder anderer Delikte verdächtig erschienen, inhaftiert wurden.

Denkmal der Opfer der NS-Militärjustiz

Ab Herbst 2014 erinnert ein Denkmal am Wiener Ballhausplatz an die Opfer der NS-Militärjustiz und würdigt an diesem zentralen und symbolischen Ort der Republik. Dazugehörig werden an verschiedenen geschichtsträchtigen Orten Gedenktafeln eingerichtet.

Die Gedenktafel in Neubau ist ein Teil dieses Projekts und die erste in Wien. Das zentrale X auf der Tafel verweist auf das Deserteursdenkmal in X-Form am Ballhausplatz.

Mehr Infos zum Ort gibts unter diesem Link.

Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz in Kagran 2013

Am 26.10.2013 fand am ehemaligen Schießplatz in Kagran bei der Gedenktafel für die dort hingereichteten Soldaten und Zivilisten eine Gedenkveranstaltung statt. Im Folgenden der Einladungtext des Personenkomittee ‘Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz’ und einige Fotos und auch ein Video von der Veranstaltung.

Nie wieder Gleichschritt!
12. Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz
Zeit: 26. Oktober 2013, 11 Uhr
Ort: Gedenkstein im Donaupark

Das Personenkomitee »Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz« lädt herzlich zur 12. Gedenkveranstaltung »Nie wieder Gleichschritt!« an der ehemaligen Hinrichtungsstätte auf dem Gelände des Militärschießplatzes Kagran ein. Dort starben zwischen 1938 und 1945 Hunderte wegen Fahnenflucht und Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilte Wehrmachtsoldaten im Kugelhagel von Exekutionskommandos. Wir treffen uns zum Gedenken an alle ungehorsamen Soldaten und ZivilistInnen, die von Wehrmacht und SS ermordet wurden.

Programm

  • Begrüßung: Terezija Stoisits, Ehrenmitglied des Personenkomitees »Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz«
  • David Ellensohn, Klubobmann des Grünen Gemeinderatsklubs, “Warum ein Deserteursdenkmal in Österreich 69 Jahre braucht”
  • Mathias Lichtenwagner, Politkwissenschaftler, “Vernetztes Gedenken: Das Deserteursdenkmal am Ballhausplatz und die Orte der Verfolgung in Wien”

Das Video der Gedenkfeier 2013 ist dem Youtube-Profil der AUGE/UG entnommen, wer sichs direkt dort ansehen möchte: Link zum Youtube-Video.

 

Rechte an den Bildern beim Archiv des Personenkomitees. Video von youtube bzw. AUGE/UG (Danke!), folglich Rechte auch dort.

Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz in Kagran 2012

Am Freitag den 26.10.2012 fand am ehemaligen Schießplatz Kagran bei der Gedenktafel für die dort hingereichteten Soldaten und Zivilisten eine Gedenkveranstaltung statt. Der Veranstaltung gingen etliche und wochenlange nicht-öffentliche Diskussionen voraus:

Im Sommer und Herbst 2012 stand der Standort für das Deserteursdenkmal noch nicht fest, zur Diskussion standen diverse Standorte, das “Personenkomitee ‘Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz'” hat öffentlich seine Präferenz für den Ballhausplatz kundgetan – siehe Presseberichte 2012. Um diesen Anspruch zu unterstreichen war für das Jahr 2012 auch geplant an diesem Ort die sonst in Kagran stattfindende Gedenkveranstaltung am Ballhausplatz abzuhalten. Das “Personenkomitee ‘Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz'” meldete für den 26.10.(2012) eine Veranstaltung an, welche am 20.9.2012 der Versammlungsbehörde kundgetan wurde. Am 10.10.2012 erreichte die Anmelder_innen und das Personenkomitee die Mitteilung, dass die Versammlung nicht stattfinden könne, da just an Stelle des zukünftigen Deserteursdenkmals das Österreichische Bundesheer seine Transportfahrzeuge abstellen müsse – Untersagung zur Ansicht. Die Versammlungsbehörde berief sich bei der Ablehnung auf einen Bescheid der MA46 vom 25.09.2012 zugunsten des Militärkommandos Wien. Die Veranstaltung musste also erneut in die Peripherie ausweichen.

Im Folgenden der Einladungtext des Personenkomittee ‘Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz’, ausnahmsweise gleich zwei Videos und einige Fotos von der Veranstaltung.

„Es ist sehr erfreulich, dass sich die Stadt zu dieser Entscheidung durchgerungen hat.“ (Richard Wadani zur Standortentscheidung der Stadt Wien für das künftige Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz am Ballhausplatz)

Nie wieder Gleichschritt!
11. Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz
Das Personenkomitee »Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz« lädt herzlich zur 11. Gedenkveranstaltung »Nie wieder Gleichschritt!« an der ehemaligen Hinrichtungsstätte auf dem Gelände des Militärschießplatzes Kagran ein. Dort starben zwischen 1938 und 1945 Hunderte wegen Fahnenflucht und Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilte Wehrmachtsoldaten im Kugelhagel von Exekutionskommandos. Wir treffen uns zum Gedenken an alle ungehorsamen Soldaten und ZivilistInnen, die von Wehrmacht und SS ermordet wurden.

Zeit: 26. Oktober 2012, 11 Uhr
Ort: Gedenkstein im Donaupark

Programm

Begrüßung durch Richard Wadani, Wehrmachtsdeserteur und Ehrenobmann des Personenkomitees »Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz«

Harald Walser, Abgeordneter zum Nationalrat / Die Grünen, Zu den Auseinandersetzungen um die Rehabilitierung und das Wiener Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz

Mercedes Echerer, Schauspielerin, Szenische Lesung von Gerichtsurteilen gegen Deserteure und andere Verfolgte der NS-Militärjustiz (1939-1945) [verhindert, Anm.]

Das Original der Einladung als PDF: Einladung 2012.

Tatsächlich war Mercedes Echerer verhindert. Statt ihr hat Carmen Renate Köper, Schauspieler, Filmemacherin und Autorin in Wien, spontan die szenische Lesung übernommen.

 

Erstes Video der Gedenkfeier 2012, entnommen dem Youtube-Profil von Peter Eschberg, wer sichs direkt dort ansehen möchte: Link zum Youtube-Video.

Zweites Video der Gedenkfeier 2012, entnommen dem Youtube-Profil der AUGE/UG, wer sichs direkt dort ansehen möchte: Link zum Youtube-Video.

Und als wären die vielen Fotos und Videos nicht genug, gibt es sogar noch zwei Ton-Mitschnitte, wie so oft von Radio Orange 94.0 mitgeschnitten. Das könnt ihr direkt bei ihnen anhören – Bericht “Gedenken an Opfer der NS-Militärjustiz am 26. Oktober 2012 – zum letzten Mal im Wiener Donaupark” (CBA) (Hinweis: es gibt dort zwei Dateien: einen kommentierten 5-Minuten Zusammenschnitt und einen ungeschnittenen Gesamtmitschnitt!) – oder aber direkt hier:

“5-Minuten-Beitrag für ZIP-FM-Lokalausgabe inkl. Interview mit Richard Wadani” (von CBA/Radio_Orange)

“Unbearbeiteter Mitschnitt der Gedenkveranstaltung am 26.10.2012 im Wiener Donaupark” (von CBA/Radio_Orange)

 

Alle Fotos zur Verfügung gestellt von Alexander Wallner. Videos aufgenommen von Peter Eschberg und AUGE/UG. Mitschnitte von Gerhard Kettler von Radio Orange 94.0. Danke euch allen.