WUG Neubau

Briefkopf eines Schreibens aus dem WUG VII an ein Gericht in der Innenstadt. Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Neubau (WUG VII)

In Wien wurden von der Wehrmachtsjustiz fünf Gefängnisse betrieben: Die Zentrale (WUG X) befand sich in Favoriten, eine der Nebenstellen war im Bezirk Neubau eingerichtet. Das Gebäude wird heute als Kindergarten und Wohnhaus verwendet.  Es war Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte. Seit Mai 2014 trägt es eine Informationstafel das seine Geschichte während der NS-Zeit erzählt.

wug-vii_plan1940

Ausschnitt aus einem Plan (etwa 1940), rechte Bildmitte das Gefängnis (rot) eingezeichnet.
Bildquellen: Übersichtsplan ca. 1940 (Ausschnitt), Quelle: Wiener Stadt und Landesarchiv, Kartographische Sammlung, Sammelbestand P4: 4021

Geschichte vor 1938
Das Gebäude war in der Monarchie als „Schottenhof“ bekannt da es immer dem Schottenstift gehörte. 1825/1826 erbaut, war es  Armen- und Versorgungshaus, stiftliches Weinhaus und -keller. Seit 1850 hatte im Gebäude das Bezirksgericht seinen Sitz; es war für die Bezirke Neubau und Mariahilf zuständig. Das Haus verfügte über viele Amtsräume und Gerichtssäle, im Inneren des U-förmigen Baus auch mehrere Arrestzellen. Das Bezirksgericht wurde in die Erste Republik übernommen, ab 1931 kam eine Polizeidienststelle im Haus dazu. Schon 1932 übernahm die Polizei das Gebäude zur Gänze, das Bezirkgericht zog aus. Wohl auch deshalb wurde das Gebäude während der Novemberpogrome 1938 für kurze Zeit von der Polizei genutzt: Gefangen genommene Juden und Jüdinnen, insbesondere aus den Umlandbezirken Mödling und Baden, wurden hier kurzzeitig festgehalten.

 

 

wug-vii_zellenplan

Ausschnitt aus einem Gebäudeplan, um 1900.
Bildquellen: Archiv M.L.

Baulichkeit
Das Gebäude liegt an der Ecke eines Häuserblocks, Ecke Burggasse und Hermanngasse. Die zwei Haupttrakte wiesen Büroräume und große Gerichtsräume auf – heute sind dort Wohnungen und ein Kindergarten. Im hinteren Teil gab es mehrere Hafträume und Arreste. In der Monarchie boten die Zellen Platz für rund 40 Personen sowie eine Isolierzelle, ob diese Kapazitäten in der Ersten Republik oder im Nationalsozialismus erweitert geworden sind ist unbekannt.

 

 

wug-vii_inhaftnahme

Standartisierter Inhaftnahmezettel eines Gefangenen der NS-Militärjustiz. Aufnahme in der Zentrale „Hardtmuthgasse“, dann Übernahme ins WUG VII.
Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Haftanstalt für die Wehrmacht
Wann genau die Wehrmacht in Neubau ein Gefängnis einrichtete ist unklar, vermutlich erst 1944/1945. Die meisten Häftlinge wurden aus der Zentralen Haftanstalt in Favoriten (WUG X) hierher verlegt. Entweder weil sie auf ihr Gerichtsverfahren oder nach der Verurteilung auf die Verlegung in ein anderes Gefängnis warten mussten. Einige Gefangene wurden auch verurteilt, ihre Strafen aber zur „Frontbewährung“ ausgesetzt: Das bedeutete, dass sie zum Beispiel ohne Ausrüstung an gefährlichen Frontabschnitten Minen räumen oder Verwunderte bergen mussten. Vor solchen Einsätzen kamen die Gefangenen meist für einige Wochen ins WUG II im 2. Bezirk. Auch Todeskandidaten befanden sich in der Hermanngasse: Sie verbrachten hier die letzten Wochen vor ihrer Hinrichtung im Landgericht I oder dem Militärschießplatz Kagran. Auch andere NS-Organisationen, etwa die Gestapo, durften auf das Gebäude und die Gefangenen zugreifen.

Bedeutung
Das WUG VII war eines der vier Nebenstelle im Gefängnis-Netzwerk der Wiener Militärjustiz. Nur wenige Akten zu Verfahren der Wehrmachtsjustiz sind erhalten geblieben. Trotzdem lässt sich sagen, dass viele hundert Wehrmachtshäftlinge in der Hermanngasse 38 einsaßen – Größtenteils wohl Untersuchungs-Häftlinge und Verurteilte, die auf ihren Weitertransport in die verschiedenen Formen des Wehrmachtstrafvollzugs warteten.

wug-vii_tafel-detail

Gedenktafel am Gebäude des ehemaligen WUG VII in Wien-Neubau, Hermanngasse 38. Bildquelle: www.deserteursdenkmal.at

Befreiung April 1945
Über die Tage während der Befreiung ist nichts genaues bekannt. Die Haftanstalt wurde bis Ende März 1945 schrittweise evakuiert, die Gefangenen Richtung Westen getrieben. Ebenso wenig weiß man über den „leitenden Hauptmann“ des WUG VII, Emil Riedel. Nach der Befreiung 1945 übernahm das Schottenstift das Gebäude wieder, es beherbergte Büros, ein katholisches Verbindungsheim und seit 1984/85 einen Pfarrkindergarten. 2010 ließ das Stift das Haus grundlegend umbauen, die ehemaligen Zellen wurden zu Wohnraum umgewandeln. Nach Abschluss der Renovierung brachten am 8.Mai Mai 2014 der Abt des Schottenstiftes (Abt Johannes Jung) und der Neubauer Bezirksvorsteher (Thomas Blimlinger) eine Informationstafel zur Geschichte des Gebäudes an.

 

Fallbeispiel zum WUG Neubau:

 

 

 

 

Total Page Visits: 2178 - Today Page Visits: 3

Aktuelle Artikel

Symposium im Regierungsgebäude Stubenring am 23.1.2023

Am 23.1.2023 wurde vor dem Regierungsgebäude am Stubenring eine Gedenktafel von Bundesminister:innen Alma Zadić, Johannes Rauch, Norbert Totschnig und Martin Kocher enthüllt.

Das Symposium begleitete die Enthüllung der Gedenktafel inhaltlich und richtete sich an Wissenschafter:innen, Journalist:innen und vor allem an jene, die tagtäglich in diesem Gebäude arbeiten. Beim Symposium referierten Expert:innen zur Geschichte des Gebäudes und dem Wirken der NS-Militärjustiz in Wien.

Programm:

Eröffnung durch Johannes Rauch, Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

1. Referat: “Nationalsozialistische Verfolgung von Deserteuren und anderen Verweigerern” von Univ.-Prof.in Dr.in Maria Fritsche, Historikerin; derzeit Professorin an der Norwegian University of Science and Technology (NTNU), Trondheim/Norwegen.

2. Referat: “Das Regierungsgebäude am Stubenring als Zentrum der Verfolgung” von Mag. Mathias Lichtenwagner, Politikwissenschaftler; arbeitet für die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG Wien) im Bereich Kunstrückgabe.

3. Referat: “Handlungsspielräume von Gerichtsherren und Richtern” verfasst von Dr. Magnus Koch, derzeit Leiter des Arbeitsbereichs „Ausstellungen und Geschichte“ bei der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung, Hamburg, Deutschland. Kurator der Wanderausstellung „‚Was damals Recht war …‘ – Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht“. Vorgetragen wurde das Referat von Leonhard Srajer.

4. Referat: “Opferfürsorge und Rehabilitierung” von Dr.in Brigitte Bailer, vormals Leiterin des Dokumentationsarchivs des Österreichischen
Widerstandes (DÖW). Arbeiten u.a. zu Nationalsozialismus, Verfolgung, Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rückstellungs- und Entschädigungsgesetzgebung.

Moderation: Mag.a Maria Sterkl, DER STANDARD

Konzeption des Symposiums durch das „Personenkomitee ‚Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz‘“ und durch das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gefördert.

Total Page Visits: 2178 - Today Page Visits: 3
  1. Gedenktafel-Enthüllung Stubenring, 23. Jänner 2023 Kommentare deaktiviert für Gedenktafel-Enthüllung Stubenring, 23. Jänner 2023
  2. Intervention: Orte und Opfer der NS-Militärgerichtsbarkeit in Wien Kommentare deaktiviert für Intervention: Orte und Opfer der NS-Militärgerichtsbarkeit in Wien
  3. Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz in Kagran 2021 Kommentare deaktiviert für Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz in Kagran 2021
  4. Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz in Kagran 2020 Kommentare deaktiviert für Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz in Kagran 2020
  5. Aktion/Vortrag: Wehrmachtsdeserteure & Partisan*innen in Kärnten/Koroška: Dank und Anerkennung dem antifaschistischen Widerstand Kommentare deaktiviert für Aktion/Vortrag: Wehrmachtsdeserteure & Partisan*innen in Kärnten/Koroška: Dank und Anerkennung dem antifaschistischen Widerstand
  6. Nachruf Richard Wadani Kommentare deaktiviert für Nachruf Richard Wadani
  7. Vortrag/Lesung: Wehrmachtsdeserteure in Südtirol (1943–1945) Kommentare deaktiviert für Vortrag/Lesung: Wehrmachtsdeserteure in Südtirol (1943–1945)
  8. Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz in Kagran 2019 Kommentare deaktiviert für Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz in Kagran 2019
  9. Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz in Kagran 2018 Kommentare deaktiviert für Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz in Kagran 2018
  10. Lange Nacht der Museen goes Deserteursdenkmal Kommentare deaktiviert für Lange Nacht der Museen goes Deserteursdenkmal
  11. Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz in Kagran 2017 Kommentare deaktiviert für Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz in Kagran 2017
  12. Gedenkfeier beim Deserteursdenkmal Kommentare deaktiviert für Gedenkfeier beim Deserteursdenkmal
  13. 6. Mai 2017: Gedenk- und Befreiungsfeier: Richard Wadani spricht in Greifenburg Kommentare deaktiviert für 6. Mai 2017: Gedenk- und Befreiungsfeier: Richard Wadani spricht in Greifenburg
  14. Demokratiepreis des Parlaments an Personenkomitee verliehen Kommentare deaktiviert für Demokratiepreis des Parlaments an Personenkomitee verliehen
  15. Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz in Kagran 2016 Kommentare deaktiviert für Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz in Kagran 2016
  16. Filmpräsentation Filmclub Bozen 19.10.2016 Kommentare deaktiviert für Filmpräsentation Filmclub Bozen 19.10.2016
  17. Buchpräsentation Ballhausplatz 23.09.2016 Kommentare deaktiviert für Buchpräsentation Ballhausplatz 23.09.2016
  18. Gedenkveranstaltung Ballhausplatz 03.09.2016 Kommentare deaktiviert für Gedenkveranstaltung Ballhausplatz 03.09.2016
  19. Gespräch mit Richard Wadani Kommentare deaktiviert für Gespräch mit Richard Wadani