WUG Döbling (WUG XIX)

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Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Döbling (WUG XIX)

In Wien wurden von der Wehrmachtsjustiz fünf Gefängnisse betrieben: Die Zentrale (WUG X) befand sich in Wien-Favoriten, eine der vier Nebenstellen war Wien-Döbling eingerichtet. Es war Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte. Das ehemalige Gefängnis dient heute der Bezirksverwaltung als Magistratsgebäude, an die frühere Nutzung während des Nationalsozialismus erinnern noch originale Zellentüren und der Spazierhof des Gefängnis.

Plan des Gefangenenhauses von ca. 1900, zu sehen etwa der Spazierhof und eine Arrestzelle im Erdgeschoß (noch heute vorhanden!) (Quelle: Privatarchiv M.L.)

Plan des Gefangenenhauses von ca. 1900, zu sehen etwa der Spazierhof und eine Arrestzelle im Erdgeschoß (noch heute vorhanden!) (Quelle: Privatarchiv M.L.)

Geschichte vor 1938
Der verwinkelte und mehrmals erweiterte Gebäudekomplex diente vor 1938 verschiedenen staatlichen Stellen, wesentlich Magistratisches Bezirksamt, Bezirkshauptmannschaft sowie dem Bezirksgericht Döbling und Währing. Den Bezirksgerichten waren damals eigenständige Gefangenenhäuser angeschlossen, welches sodann nach 1938 von der Wehrmachtsjustiz übernommen wurde.

Größe und Beschreibung
Das eigentliche Gefängnis ist an der Rückseite Richtung Süden des Objekts Gatterburggasse 12-14. Es handelt sich um ein zweigeschossiges Gebäude mit Arrestzellen auf beiden Geschossen sowie einem Keller. Der maximale Belag lag bei der Errichtung bei rund 40 Personen, wurde aber nicht selten überschritten. Heute zeugen noch Zellentüren und der ungenutzte Spazierhof von der Verwendung als Gefängnis.

Übernahme der Wehrmachtsjustiz
Die Wehrmachtsjustiz verfügte über zu wenig Hafträume, weswegen sie auch das Döblinger Gefangenenhaus übernahm. Bis Ende 1939 fand die Verwendung für das Amtsgericht Döbling (AG Döbling), das ehemalige Bezirksgericht Döbling, ein Ende. Spätestens für 1942 ist die Verwendung als Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis belegt, wahrscheinlich aber schon früher. Das Gefängnis taucht sowohl als „Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Wien, Zweigstelle Döbling“ als auch „Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Döbling“ bzw. „Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis XIX“ in den Akten auf.

Bedeutung
Das WUG XIX war eines der vier Nebenstelle im Gefängnis-Netzwerk der Wiener Militärjustiz. Nur sehr wenige Akten zu Verfahren der Wehrmachtsjustiz sind erhalten geblieben, trotzdem lässt sich vieles über den Haftalltag und die Größenordnung sagen. Die Gefangenen verbrachten hier sowohl Haftstrafen, Untersuchungshaft als auch die Zeit bis zum Weitertransport in andere Gefängnisse – etwa ins Wehrmachtsgefängnis Groß-Mittel (Wiener Neustadt) oder Wehrmachtsgefängnis Glatz; Arreststrafen hingegen keine. Neben der Wehrmachtsstreife lieferten auch andere Stellen des NS-Staates, etwa die Gestapo, Gefangene hier ein oder holte sie ab. Leiter des WUG Gatterburggasse waren scheinbar Emil Riedel sowie Martin Mauser.

Befreiung und Nutzung nach 1945
Es ist nichts über die Befreiung des Gefängnisses selbst bekannt, wahrscheinlich wurden die Gefangenen wie in den anderen Wehrmachtsgefängnissen rechtzeitig Richtung Westen „evakuiert“. Der Bezirk Döbling selbst wurde um den 9. April 1945 durch die Rote Armee befreit. Heute nutzt der Bürgerdienst der Stadt Wien den im Erdgeschoss gelegenen Teil des ehemaligen Gefangenenhauses. Der erste Stock, wo sich die meisten Zellen befanden, wurde zu Schulungsräumen für SchülerInnen und Kindergruppen umgebaut. Der Großteil der für ein Gefangenenhaus typischen Einrichtung wurde entfernt, lediglich eine ehemalige Zellentür mit Guckloch und eine Klappe für Essen sowie der der Spazierhof für die Gefangenen sind noch vorhanden.

Fallbeispiel
Das Schicksal des Kärntner Hermann Pischelsberger, der im WUG Döbling einsaß und in Kagran hingerichtet wurde – Link Fallgeschichte (Erinnern Villach)

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Aktuelle Artikel

Symposium im Regierungsgebäude Stubenring am 23.1.2023

Am 23.1.2023 wurde vor dem Regierungsgebäude am Stubenring eine Gedenktafel von Bundesminister:innen Alma Zadić, Johannes Rauch, Norbert Totschnig und Martin Kocher enthüllt.

Das Symposium begleitete die Enthüllung der Gedenktafel inhaltlich und richtete sich an Wissenschafter:innen, Journalist:innen und vor allem an jene, die tagtäglich in diesem Gebäude arbeiten. Beim Symposium referierten Expert:innen zur Geschichte des Gebäudes und dem Wirken der NS-Militärjustiz in Wien.

Programm:

Eröffnung durch Johannes Rauch, Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

1. Referat: “Nationalsozialistische Verfolgung von Deserteuren und anderen Verweigerern” von Univ.-Prof.in Dr.in Maria Fritsche, Historikerin; derzeit Professorin an der Norwegian University of Science and Technology (NTNU), Trondheim/Norwegen.

2. Referat: “Das Regierungsgebäude am Stubenring als Zentrum der Verfolgung” von Mag. Mathias Lichtenwagner, Politikwissenschaftler; arbeitet für die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG Wien) im Bereich Kunstrückgabe.

3. Referat: “Handlungsspielräume von Gerichtsherren und Richtern” verfasst von Dr. Magnus Koch, derzeit Leiter des Arbeitsbereichs „Ausstellungen und Geschichte“ bei der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung, Hamburg, Deutschland. Kurator der Wanderausstellung „‚Was damals Recht war …‘ – Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht“. Vorgetragen wurde das Referat von Leonhard Srajer.

4. Referat: “Opferfürsorge und Rehabilitierung” von Dr.in Brigitte Bailer, vormals Leiterin des Dokumentationsarchivs des Österreichischen
Widerstandes (DÖW). Arbeiten u.a. zu Nationalsozialismus, Verfolgung, Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rückstellungs- und Entschädigungsgesetzgebung.

Moderation: Mag.a Maria Sterkl, DER STANDARD

Konzeption des Symposiums durch das „Personenkomitee ‚Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz‘“ und durch das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gefördert.

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