Albrechtskaserne (WUG II)

Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Albrechtskaserne (WUG II)

In Wien wurden von der Wehrmachtsjustiz fünf Gefängnisse betrieben: Die Zentrale (WUG X) befand sich in Wien-Favoriten, wegen Platznot wurde auch in der Albrechtskaserne in Wien-Leopoldstadt ein Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis eingerichtet. Es war Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte.

Teil der Albrechtskaserne (ca. 1900) in Wien-Leopoldstadt (Lizenz: abgelaufen, frei nutzbar, wikimedia-common)

Übernahme durch Wehrmacht und Wehrmachtsjustiz
Nach dem „Anschluss“ 1938 übernahm die Wehrmacht alle Bundesheer-Kasernen, so auch die Albrechtskaserne. Da die Wehrmachtsjustiz nur über ungenügende Hafträume verfügte wurde ein Teil der nach dem Überfall auf Polen leeren Kaserne zum Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis umgebaut.

Nutzung
In das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Albrechtskaserne kamen vor allem verurteilte Soldaten, hingegen kaum Untersuchungs-Häftlinge. Die verurteilten Soldaten sahen entweder einer Verbringung in den sonstigen Wehrmachtsstrafvollzug oder an die Front zur „Frontbewährung“ entgegen – beides mit ungewissem und oft tödlichem Ausgang. Rund zehn Prozent der von Wiener Gerichten verurteilten Personen kamen zumindest kurz in die Albrechtskaserne, das waren 1938 – 1945 mehrere Tausend Personen.

Befreiung und Nutzung nach 1945
Über die Befreiung der Kaserne im April 1945 ist nichts bekannt, bis 1955 war die Kaserne unter sowjetischer Verwaltung. 1955 bezog das Bundesheer und auch Stellen des Verteidigungsministeriums das Gebäude, die Bezeichnung der Kaserne bzw. Amtsgebäude wechselte des Öfteren. Seit 1979 befinden sich die Wiener Stellungskommission am Gelände der Kaserne. Seit Jahren wird über den Verkauf der ehemaligen Kaserne berichtet – der aktuelle bauliche Zustand der Gebäude macht dies sehr wahrscheinlich (Link extern).

Fallbeispiele:
Der 20jährigen Deserteur Johann Wimmer, dem die Flucht aus der Arresthaft in der Albrechtskaserne gelang, danach vom Gericht am Loquaiplatz verurteilt und im Wiener Landesgericht hingerichtet wurde:
Link zu seiner Biografie (DÖW)
Link zum Feldurteil gegen ihn (DÖW)

Trostkaserne

Trostkaserne – Sammelpunkt für Todeskandidaten

In Wien wurden von der Wehrmachtsjustiz fünf Gefängnisse betrieben: Die Zentrale (WUG X) befand sich in Wien-Favoriten, nahe der Trostkaserne. Diese heute Starhemberg-Kaserne genannte Kaserne diente der nationalsozialistischen Militärjustiz als Haftort für Todeskandidaten. Es war Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte.

Geschichte vor 1938
Die Kaserne wurde 1911/12 errichtet, zuerst Erzherzog-Franz-Ferdinand-Infanterie-Kaserne benannt, nach Ausrufung der Republik 1918 sodann Trostkaserne. Die Anlage wurde mehrmals erweitert und modernisiert, Adresse blieb aber immer Gußriegelstraße 45 bzw. Troststraße 105.

Übernahme durch die Wehrmacht
Nach dem „Anschluss“ 1938 übernahm die Wehrmacht alle Bundesheer-Kasernen, so auch die Trostkaserne. Die Kaserne diente zuerst dem Heer, ab 1940 der Luftwaffe, zwischen 1942 und 1944 wurden in Favoriten FlAK-Abteilungen massiv ausgebaut.

Verwendung für die Wehrmachtsjustiz
Zwischen 1940 und 1945 wurden aus den fünf auf die Stadt verteilten Wehrmachtsuntersuchungsgefängnissen, vor allem aus dem nur 1250 Meter entfernten „Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis X“ in der Hardtmuthgasse, zum Tode verurteilte Soldaten in die Trostkaserne gebracht. Sie sollten hier ihre letzte Nacht vor der Hinrichtung am Schießplatz Kagran verbringen sollen. Es handelte sich dabei einerseits um eine logistische Notwendigkeit um den Abtransport der Hinzurichtenden samt der Soldaten, die die Erschießung vornahmen, zu bewerkstelligen. Andererseits handelte es sich dabei um einen militärischen Usus um die „Ausstoßung aus dem Heer“ zu vollziehen.

Bericht
Der Wehrmachtsgeistlichen Franz Loidl war einer der wenigen Zeugen dieser Vorgänge. Er berichtet nach 1945:

„Daraufhin wurde der Soldat von zwei Begleitern abgeführt, in eine abgetragene Militärhose samt Rock gesteckt und zur Armensünderzelle geleitet. Man nannte dies ‚Ausstoßung aus dem Heer‘. Die düstere Zelle hatte kein Fenster, nur eine Klomuschel, einen wackeligen Tisch und zwei einfache Sessel als Einrichtung. Ein paarmal gab es ein dürftiges Henkermahl auf einem Blechteller, auch das hörte später auf. Nur Zigaretten verblieben. (…) Zur Wache vor der offenen Tür gesellten sich immer wieder abwechselnd Soldaten/Kameraden, die den Armen durch Gespräche, Witze etc. abzulenken suchten, auch sich mit ihm zu unterhalten anfingen.“

„Ein ärmlicher Tisch, zwei Sessel und ein Eisenbett waren mit dem WC die einzige Einrichtung des fensterlosen, schmalen Raumes. Vor der dauernd offengelassenen Tür (wegen der Beobachtung, damit sich der Verurteilte nicht etwas zufüge) postierte sich die Wache.“

„Da die ganze Nacht über geraucht wurde und der Qualm keinen Abzug hatte, brannten mir ein paar Tage lang die Augen oder schmerzten mich, wie man besser sagt. Seither weiß ich, wie ähnlich nach einer Operation eine Nacht dahinschleicht und wie eine Ewigkeit nicht zu vergehen scheint. Dieses Warten die Nacht über bis zum Morgen des letzten Tages sei die eigentliche Todesstrafe und Abbüßung, da jeder Todeskandidat die unabwendbare sofortige Vollstreckung als Erlösung empfinden, ja sogar wünschen würde, wie mir vom Kommandanten erzählt wurde. (…) Die schweren Stiefeltritte, das laute Rufen und das Zuschlagen der Eisentüren [ließen] kaum ein Stündchen Ruhe zu. Auch ließ es mir keine Ruhe, wollte ich ja den Armen nicht allein und sich selbst überlassen. Man hatte mir nicht nur einmal bedeutet, daß ein auf das Sterben Wartender das Alleinsein und Gefühl der Verlassenheit sehr hart und beängstigend empfinde.“

„Allzu langsam krochen die frühen Morgenstunden etwa ab zwei oder drei Uhr hin, zumal es nun auch im so grau und öd wirkenden Hause ruhig geworden war. Da die Erschießung mit Tagesanbruch vollzogen werden mußte – etwa zwischen 6:15 – 7:15 Uhr, je nach Jahreszeit –, wurde es bald nach 5 Uhr früh lebendig im Haus. Schlösser-Rasseln, Auf- und Zuschlagen der schweren Gitter, schwere Stiefeltritte ließen die Nähe des Aufbruchs und der Abfahrt ahnen. Ein Unteroffizier vom Dienst mit Helfern erschien, legte die Hände des Todeskandidaten in Ketten (Schließen), dann auch die Füße (um die Knöchel), aber gelockert, so daß er mit Hilfe der Begleiter trippeln konnte. Es ging über die Treppe hinab in den öden Hof, wo schon der Autokar, der vergitterte, dem Polizeiauto „Grüner Heinrich“ gleichende LKW wartete. Eine Wachmannschaft stieg nach. (…) Hie und da ein Blick durch die Fensterlucke ließ erkennen, daß sich der kleine Konvoi über die Triesterstraße, den Margaretner- und Wiednergürtel, die Prinz-Eugen-Straße, den Schwarzenbergplatz und Ring, vorbei an der Urania, dem Tegetthofdenkmal und über die Reichsbrücke auf holpriger Straße bewegte.“

Heutige Starhemberg-Kaserne des Österreichischen Bundesheeres, frühere Trostkaserne (Quelle: Wikimedia, Lizenz: Creative Commons by-sa 3.0 de)

Befreiung 1945 und Nutzung heute
Die Kaserne war als Teil der FlAK-Großkampfbatterie „Wienerberg“ stark in die Kämpfe gegen die Rote Armee eingebunden die ab dem 5.April 1945 versuchte Wien von der Wehrmacht und SS zu befreien. Erst am Abend des 6. Aprils war Wien-Favoriten bis zum Gürtel befreit. Bis 1955 benutzte die Rote Armee die Trostkaserne, danach übernahm sie das Bundesheer. 1967 erfolgte die Umbenennung in Starhemberg-Kaserne, die heute als Fernmeldetruppenschule dient.

Enthüllung Gedenktafel am ehemaligen Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Favoriten (WUG X)

Am 30. April 2015 wurde im Bezirk Favoriten am ehemaligen Wehrmachtsgefängnis von der Bezirksvertretung eine ausführliche Gedenktafel errichtet. Die Gedenktafel stellt durch das mittig platzierte “X” einen optischen Bezug zum zentralen Denkmal am Ballhausplatz her. Aus der Einladung:

wug-x_tafel-2015Bezirksvorsteherin Hermine Mospointner und der Arbeitskreis Gedenkpolitik der Bezirksvertretung laden ein zur

Feierlichen Enthüllung einer Gedenktafel am ehemaligen Wehrmachtsuntersuchungs-Gefängnis Wien 10, Hardtmuthgasse 40-42

am Donnerstag, dem 30. April 2015 um 17:00 Uhr

Das Gebäude der heutigen Justizanstalt Favoriten diente von 1938-1945 als Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis („WUG X“). Es war damit Teil des nationalsozialistischen Terror- und Unrechtssystems.
Dieses Gefängnis war die größte Militärhaftanstalt Wiens. Tausende Menschen befanden sich hier in Untersuchungshaft und warteten auf ihre Verfahren. Todesurteile ließ die Wehrmachtsjustiz an zwei Hinrichtungsorten in Wien vollstrecken: Durch Erschießung am Schießplatz Kagran oder durch Köpfen oder Hängen im Land(es)gericht I.

Die juristische Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren und anderen Opfern der NS-Militärjustiz begann in Österreich erst in den späten 1990er Jahren.

Auch im öffentlichen Raum findet dieser Prozess seinen Niederschlag. Seit Oktober 2014 erinnert am Ballhausplatz ein Denkmal an die Opfer der NS-Militärjustiz.

Ablauf:
1. Begrüßung Bezirksvorsteherin Hermine Mospointner
2. Der Arbeitskreis Gedenkpolitik der Bezirks- vertretung, Vorsitzende Bezirksrätin Sascha Resch
3. „Gedenken und Mahnen- Erinnerungspolitik und Gedächtnislandschaften in Wien“, Dr.in Claudia Kuretsidis-Haider, Leiterin der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz am Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes

Mehr Infos zum Ort ansich gibt es hier: Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Favoriten (WUG X).

Danke an Michael Schmid für das Überlassen der drei Fotos (Alle Rechte bei schmid-photography.com).

WUG Favoriten – Fallbeispiel (Fam. Ulsamer)

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Fallbeispiel zum WUG X: Familie Ulsamer

Bild von Edgar Ulsamer, darunter seine Verfolgungsgründe: „Desertion, amerikanischer Fallschirmagent“ Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Bild von Edgar Ulsamer, darunter seine Verfolgungsgründe: „Desertion, amerikanischer Fallschirmagent“
Bildquelle: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Edgar Ulsamer ist am 23.8.1924 in Wien zur Welt gekommen, sein Eltern waren Karl und Herta Ulsamer. Beim „Anschluss“ Österreichs an Deutschland war Edgar 13 Jahre alt. Er besuchte in Wien die Volksschule, dann ein Realgymnasium, engagierte sich bei der Hitlerjugend. Zu Ostern 1942 bestand er die Matura. Er inskribierte gleich darauf an der Universität Wien um Zeitungswissenschaften zu studieren, wurde aber eingezogen: erst zum Reichsarbeitsdienst, nach seinem 18. Geburtstag im Herbst 1942 zur Wehrmacht. Ausgebildet in einer Nachrichteneinheit kam er Ende 1943 an die italienische Front. Zu diesem Zeitpunkt hatte die US-Armee Italien zu einem großen Teil befreit, am 7. Jänner 1944 wurde Edgar mit seiner Einheit gefangengenommen.

Bild der Mutter von Edgar, Herta Ulsamer.“ Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Bild der Mutter von Edgar, Herta Ulsamer.“
Bildquelle: wie oben

Im Kriegsgefangenenlager meldete sich Edgar Ulsamer freiwillig, die Alliierten im Kampf gegen Deutschland zu unterstützen. Er wurde in einem Kurs ausgebildet, etwa im Fallschirmspringen, Umgang mit Funkgeräten, Sprengstoff und amerikanischen Waffen. Er war dabei auch mit anderen Österreicher zusammen. Im Herbst 1944 sprang er zusammen mit zwei anderen Österreichern und dem amerikanischen Captain Taylor über dem Neusiedlersee ab, da die drei Österreicher dort Verwandte und Bekannte hatten, von denen sie Unterstützung erwarteten. Ihr Auftrag war, Nachrichten für taktische Flugangriffe zu sammeln und wenn möglich Kontakte zu PartisanInnen aufzunehmen. Edgar traf seine Mutter, welche ihren Sohn mehrfach in den Verstecken um den Neusiedlersee besuchte und Verpflegung brachte. Auch Edgars Vater, Karl Ulsamer, besuchte seinen Sohn – jedoch mit dem Ziel, ihn davon zu überzeugen sich zu stellen. Erst beim zweiten Besuch gab er dieses Vorhaben auf und unterstützte seinen Sohn. Bekannte aus Wiener Neustadt erklärten sich erst bereit die Abgesprungenen aufzunehmen, zeigte sie dann jedoch bei der Polizei an.

Bild von Karl Ulsamer, darunter sein Urteil: „Zum Tode verurteilt“. Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Bild von Karl Ulsamer, darunter sein Urteil: „Zum Tode verurteilt“.
Bildquelle: wie oben

Die Gestapo nahm sie alle rund um den 30.November 1944 fest. Erst später wurde festgestellt, dass sie der Wehrmachtsjustiz übergeben werden müssten, da Edgar ja Soldat und Karl Offizier war. Nur Herta Ulsamer verblieb durchgehend im Gefangenenhaus des Landgerichts. Edgar befand sich bis 1.März 1945 im Polizeigefangenhaus an der Rossauerlände, kam dann ins WUG X. Die anderen drei befanden sich in anderen Haftanstalten. Am 11.März 1945 wurden Edgar Ulsamer, seine zwei Kollegen und sein Vater vom 4. Senat des Reichkriegsgerichts in Wien (Schwindgasse 8) wegen „Kriegsverrat, Spionage und Fahnenflucht“ zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung war für 4. April 1945 angesetzt, die Rote Armee startete am 6. April 1945 die Befreiung Wiens von Süden her. Schon Tage zuvor wurde daher das Gefängnis evakuiert. Karl und Edgar gelang während der Evakuierung die Flucht. Herta Ulsamer kam am 6.April 1945 frei.

WUG Favoriten

„Da saß schon einer drin, ein Fahrer, am Steuer. Der eine hat sich nach vorne hingesetzt und der Gefreite hinten zu mir. Das war ein Erlebnis. Nach Monaten im Gefängnis. Von Mai bis Oktober habe ich kaum das Tageslicht gesehen, und jetzt saß ich in einem offenen Wagen. […] Trotzdem, ich konnte natürlich auch erkennen, wohin es geht. Durch die Stadt, hinaus zum Ring, zum Gürtel, raus in den zehnten Bezirk. Sag ich zu dem Gefreiten nebenan, habe ich mich getraut und gefragt: „Sagen Sie, wohin fahren wir?“ Ich war eigentlich angenehm überrascht, als er mir Wienerisch geantwortet hat: „Nach Favoriten, ins Wehrmachtsgefängnis.“ (Roman Haller: Interview, geführt von Vladimir Vertlib, März 1997. DÖW 51666.)

Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Favoriten (WUG X)

Ein so großes und dichtes Netzwerk der Verfolgung wie das der NS-Militärjustiz braucht ausreichend Hafträume. In Wien wurden von der Wehrmacht fünf Gefängnisse betrieben: Das größte und wichtigste befand sich in Favoriten. Die heutige Justizanstalt Favoriten war zwischen 1938 und 1945 das zentrale Haftgebäude der NS-Militärjustiz in Wien: Das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis X (»WUG X«). Durch den heute unscheinbaren aber großen Komplex gingen nahezu alle Untersuchungshäftlinge die in Wien und dem ganzen Wehrkreis XVII innerhalb der Wehrmacht festgenommen wurden.

Ausschnitt eines Briefkopfes aus einem Verfahren der NS-Militärjustiz. Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Ausschnitt eines Briefkopfes aus einem Verfahren der NS-Militärjustiz.
Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Geschichte vor 1938
Die Geschichte des Gefängnisses ist eng mit dem Bezirksgericht Favoriten verbunden. Dieses wurde 1882 eingerichtet, jedoch an anderer Stelle. Erst ab 1914 bezog das Gericht das heutige Gebäude, ihm angeschlossen war ein Gefangenenhaus – das spätere Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis X. Bis 1938 blieb diese Verbindung bestehen. Die akute Raumnot der neu aufgebauten NS-Militärjustiz in Wien führte das Objekt 1938 von der zivilen Justiz zur Wehrmachtsjustiz die so – wie man damals feststellte – »das schönste und modernste Gerichtsgebäude Wiens« erhielt.

Die heutige Justizanstalt Favoriten, 2013. Bildquellen: privat

Die heutige Justizanstalt Favoriten, 2013.
Bildquellen: privat M.L.

Baulichkeit
Auf vier Stockwerken befanden sich auf den Straßenseiten Hardtmuthgasse und Muhrengasse die beiden Hafttrakte, an deren Schnittpunkt befand sich ein Wachzimmer. Das Gefangenenhaus war für 145 Gefangene in 43 Einzel- und 20 Gemeinschaftszellen konzipiert – zu dieser Zeit waren die Zellen aber auch teils mehrfach überbelegt. Im Erdgeschoß befanden sich Isolier- und Dunkelzellen, ebenso im Keller. Ein Eingang befand sich in der Hardtmuthgasse, eine Einfahrt in der Muhrengasse. Das Gefangenenhaus wurde seit seinem hundertjährigen Bestehen mehrfach umgebaut und erweitert.

 

Ausschnitt aus einem Urteils des Gerichts der Division 177. Die elf Angeklagten wurden auf fünf verschiedene Haftanstalten aufgeteilt. Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Ausschnitt aus einem Urteils des Gerichts der Division 177. Die elf Angeklagten wurden auf fünf verschiedene Haftanstalten aufgeteilt.
Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Zentrale Haftanstalt
Der NS-Militärjustiz in Wien diente das Objekt als zentrale Haftanstalt. Die von den Einheiten angezeigten Personen wurden hier ebenso eingeliefert wie die von den Gerichten zur Fahndung Ausgeschriebenen. Die Gefangenen wurde in Folge vom WUG X auf die vier Zweigstellen aufgeteilt. Die Zweigstellen in den Bezirken Wien-Neubau (WUG VII), Wien-Döbling (WUG XIX), Wien-Floridsdorf (WUG XXI) und Wien-Leopoldstadt (WUG II) waren der Favoritner Zentrale nachgeordnet und auch wesentlich kleiner. Das WUG X wies also neben einem hohen Belag einen noch höheren Durchlauf auf. Geleitet wurde die Anstalt von einem Major Weddige. Das sonstige Personal setze sich sowohl aus Soldaten und Zivilisten zusammen, darunter auch ein Truppenarzt der die Haftfähigkeit bestätigte bzw. Häftlinge in ein Lazarett überwies.

Die Bezeichnung des „WUG X“ ist nicht immer einheitlich, es taucht in der Literatur und in den Akten als Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis (WUG) und Standortarrestanstalt und den Ortszusätzen Favoriten, X oder Hardtmuthgasse auf. Entgegen dem Eindruck, den die Bezeichnung Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis suggeriert, wurden auch Haftstrafen und Arreststrafen im WUG X vollstreckt: Diese dauerten in einigen Fällen durchaus auch mehrere Jahre.

Bedeutung
Die zentrale Stellung des WUG X im Netzwerk der Wiener NS-Militärjustiz hat für eine gute Aktenüberlieferung gesorgt. Die Breite der Vergehen der WUG X-Insassen reicht von Selbstverstümmelung im Heimaturlaub und Desertion an der Ostfront, bis hin zu Führerbeleidigung durch Jugendliche in der FlAK-Stellung und putschverdächtigen Offizieren. Durch die Rolle Wiens als Knotenpunkt als »Bollwerk des deutschen Südostens«, erstreckte sich das Einzugsgebiet der hier eingelieferten Personen von Rumänien bis Griechenland, also weit in den von der Wehrmacht besetzten Raum. Das führte dazu, dass die unterschiedlichsten Personen über ihre Haft berichten konnten: Darunter der Wiener Künstler Roman Haller, der sich hier in Untersuchungshaft vor seinem Kriegsgerichtsprozess befand, oder etwa der spätere Justizminister Christian Broda, der hier 1943 drei Monate einsaß.

Querschnitt durch das Gebäude, zu sehen die Mauer im Gefängnishof, Plan: ca. 1920. Bildquellen: privat M.L.

Querschnitt durch das Gebäude, zu sehen die Mauer im Gefängnishof, Plan der Baupolizei ca. 1920.
Bildquellen: privat M.L.

Folter und Selbstmord
Es gibt vereinzelte Hinweise auf Folter im WUG X, jedenfalls kam es zu Übergriffen der Wachmannschaft auf die Gefangenen. Grundsätzlich wurden Verhöre und Folter aber vor allem in der Rossauer Kaserne angewandt. Auch gibt es Berichte über Selbstmorde um dem Haftalltag, den Übergriffen oder der Verurteilung zu entkommen.

Todesurteile
Personen, gegen die Todesurteile ergangen waren, verbrachten die Zeit bis zur Vollstreckung getrennt in den verschiedenen Wiener Haftanstalten. Einige Tage vor der Hinrichtung wurden sie gesammelt. Transporte brachten sie zum einen in das Landgericht I. Zum Zwecke der Abschreckung vor weiteren Desertionen ließ die NS-Militärjustiz Massenhinrichtungen vor Publikum am Schießplatz Kagran durchführen. Die Verurteilten verbrachten die Nächte davor in der heutigen Starhembergkaserne (früher: Trostkaserne). Das »WUG X« war in diesen Fällen zentral in das Hinrichtungs-Prozedere eingebunden, der Kommandant des WUG X verlas den Hinzurichtenden vor der Hinrichtung auch das Urteil.

Aufriss des Hofes und der Zellen, unten im Bild: Isolierzellen und Dunkelkammer, Plan: ca. 1920. Bildquellen: privat M.L.

Aufriss des Hofes und der Zellen, unten im Bild: Isolierzellen und Dunkelkammer, Plan der Baupolizei ca. 1920.
Bildquellen: privat M.L.

Evakuierung 1945
Auch als sich die Alliierten der Stadt Wien näherten, hielt die Wiener NS-Militärjustiz den Betrieb weiter aufrecht: Die Verfolgung von Deserteuren, Selbstverstümmlern usw. wurde sogar ausgebaut. Mehr und mehr Soldaten und ZivilistInnen durchliefen die die Hafteinrichtungen. Bis zuletzt wurden Verurteilte der NS-Militärjustiz „zur Frontbewährung“ in den Osten geschickt.
Ende März 1945 löste die Gefängnisleitung das Gefängnis auf. Die Insassen wurden Richtung Westen evakuiert. Ziel war das Wehrmachtsgefangenenanstalt Döllersheim/Allensteig, ein Außenlager des Wehrmachtsgefängnis Glatz (Kłodzko). Auf dem Weg dorthin gelang einigen die Flucht, andere wiederum wurden erschossen.

Tafel der Bezirksvertretung Favoriten, 2015

Tafel der Bezirksvertretung Favoriten, 2015

Befreiung April 1945
Die Rote Armee stand Anfang April 1945 vor Wien. Am 6. April begann sie damit das Stadtgebiet von Süden her zu befreien und im Westen zu umfassen; noch an diesem Tag wurde der ganze Bezirk Favoriten befreit, so auch das Gefängnis. Die Justizwache übernahm das Gebäude und und unterstellte es der Kriminalpolizei, kurzzeitig waren im Gebäude auch nationalsozialistische ParteifunktionärInnen inhaftiert.

Aufarbeitung
Ende April 2015 wurde von der Bezirksvertretung Favoriten ein Erinnerungszeichen am Gebäude errichtet. 100 Jahre nach Gebäudeerrichtung und 75 Jahre nach Einrichtung des „WUG X“ erinnert eine Tafel an die Geschichte des Gebäudes sowie die Leiden der Verfolgten und Opfer des NS-Regimes.

Fallbeispiel WUG-X: Edgar Ulsamer, Herta Ulsamer, Karl Ulsamer.

Fallbeispiel WUG-X: Edgar Ulsamer, Herta Ulsamer, Karl Ulsamer.

Fallbeispiele zum WUG X Favoriten: