Mathias B. wurde 1914 geboren und wuchs in Schattendorf, einer kleinen Gemeinde nahe der ungarischen Grenze auf. Er besuchte acht Klassen der Volksschule, danach arbeitete er als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft und auch im Straßenbau. 1940 wurde er zur Wehrmacht eingezogen, nach zwei Monaten Ausbildung kam er zu den Pionieren. Von seinen Vorgesetzten wurde er als „unsoldatisch“ beschrieben und fasste auch schon nach sechs Wochen eine Strafe aus weil er während dem Wachdienst gesessen statt gestanden ist und so getan hat als wäre seine Waffe kaputt. Wohl wegen seinem Desinteresse für „das Soldatische“ wurde er zeitweise auch als Hilfskoch und Ähnlichem eingesetzt. Nichtsdestotrotz bekam der damals 26-jährige Mathias B. einiges zu sehen: Er machte verschiedene Offensiven der Wehrmacht mit, etwa die Überfälle auf Belgien und auf Frankreich. Später kam er auch in den Osten, also ins besetzte Polen und später auch nach Russland.
Immer wieder befand sich Mathias B. in der „Heimat“, also in Wien oder Umgebung. Von Jänner bis Mai 1942 wurde etwa seine Einheit in Wien aufgefrischt, im Oktober 1943 erkrankte er und bekam Erholungsurlaub in der Nähe seiner Familie. Insgesamt dreimal geriet er deswegen mit der Militärjustiz in Konflikt. An einem Wochenende im März 1942 hatte er Wochenendurlaub, konnte also die Kaserne verlassen. Er reiste nach Wien und traf FreundInnen. Auf der Rückfahrt in die Kaserne bemerkte er, dass er seinen Wehrpass – also das wichtigste Dokument eines Soldaten – verloren hatte. Er fuhr zurück und suchte es im Gebiet rund um den Franz-Josefs-Bahnhof, wo er in einem Hotel geschlafen hatte. Er fand es nicht.
„Der Verlust des Soldbuches beschäftigte mich so sehr, dass ich, ohne sofort eine Meldung zu machen, wieder zurück fuhr. Ich habe am Bahnhof und im Hotel nach dem Soldbuch gefragt. Dass ich das Soldbuch nicht wiederfand, ging mir immer im Kopf herum und ich traute mich nicht einrücken. Ich ging den ganzen Tag durch die Strassen Wiens und habe auch von Montag auf Dienstag nicht geschlafen. Ich bin immer herumgelaufen, wie ein Irrsinniger.“
Zu diesem Zeitpunkt war seine Abwesenheit in der Kaserne längst angezeigt worden, die Maschinerie der Wehrmachtsjustiz suchte nach ihm. Da ihn mehrere Mitsoldaten gesehen hatten („B., der auf mich den Eindruck eines vollkommen verstörten Menschen machte, sagte bloss ich solle ihn…. Ich sah, dass mit B. nichts anzufangen war und stieg wieder in die Strassenbahn ein.“) war das nicht allzuschwer: Er wurde von der Wehrmachtsstreife verhaftet, verhört, in eines der Wiener Militärgefängnis eingeliefert und am 11.3.1942 vom Gericht der Division 177 zu 5 Wochen geschärften Arrest verurteilt. Das Urteil selbst war tatsächlich recht milde, zum Verhängnis wurde Mathias B. vielmehr, dass das Urteil „zur Frontbewährung ausgesetzt wurde“. Das heißt: Er musste an der Front Dienst tun und an gefährlichen Einsätzen (für die er keine Eignung hatte) teilnehmen.
Bis Ende 1943 gelang es ihm offenbar hier mitzumachen, dann wurde er krank und durfte wieder in die Nähe von Wien um sich zu erholen. Als er wieder an die Front kommen sollte „verlängerte“ er einen Wochenendurlaub um ein paar Tage:
„Ich wollte über Sonntag dort bleiben und am Montag früh um 4 Uhr wegfahren, versäumte aber den Zug und da ich ja ohnehin nicht mehr rechtzeitig zur Truppe kommen konnte, blieb ich noch zu Hause bis ich am Freitag den 4.2.1944 in meiner Wohnung festgenommen wurde.“
Diesmal wurde er ins WUG XIX (Wien-Döbling) eingeleifert und saß dort bis Ende Februar 1943, das Urteil lautete dann auf sechs Monate, er aber sofort wieder zur „Frontbewährung“. Den Transport zur Front verpasste er jedoch, da er – Zufall oder nicht – während der Zugfahrt zur Kaserne krank wurde und wieder zur seiner Frau zurückfuhr. Dort wurde er nun zum dritten Mal festgenommen, diesmal ins WUG VII (Wien-Neubau) gebracht und am 29.3.1944 dann erneut vom Gericht der Division 177 verurteilt. Diesmal musste er seine Frontbewährung aber in einer „Feldstrafgefangenenabteilung“ ableisten. Vom WUG VII wurde er im April 1944 ins das Wehrmachtsgefängnis Glatz überstellt, im Mai dann zur Feldstrafgefangenenabteilung 4.
Schon drei Monate später war er vermisst. Der letzte Eintrag in seinem Akt lautet: „B. ist bei Lapkowa (Estl. Nordfront) am 8.8. vermisst!“. Das Schattendorfer Kriegerdenkmal führt seinen Namen nicht.
Rechtliche Anmerkung: Der Akt zu B. liegt im Östrerreichischen Staatsarchiv. Die Auslegung des Archivgesetzes und des Datenschutzgesetzes durch das Östrerreichische Staatsarchiv lässt es nicht zu den Namen von Mathias B. ganz zu nennen wenn nicht dessen Tod bewiesen ist. Obwohl B. seit 71 Jahren vermisst ist (Stand 2015) gelang es uns nicht bei den betreffenden Stellen in Wien, dem Burgenland und der Heimatgemeinde den verlangten Todesnachweis dem Österreichischen Staatsarchiv beizubringen.