GESCHICHTE DER VERFOLGUNG
Österreich wurde im März 1938 Teil des Deutschen Reiches. Zwischen 1939 und 1945 überzog dieses, unterstützt durch seine Verbündeten, Europa mit einem Ausbeutungs- und Vernichtungsfeldzug. An dessen Ende hatten etwa 35 Millionen Menschen ihr Leben verloren.
Die Justiz der Wehrmacht war ein wichtiges Werkzeug der politischen und militärischen Führung zur Durchführung dieses Krieges. Mit einer regelrechten Flut von Prozessen bekämpfte sie jede Form der Abweichung innerhalb der Wehrmacht. Die Militärrichter verhängten mit zunehmender Kriegsdauer immer härtere Strafen. Viele davon wurden zur »Frontbewährung« bis Kriegsende ausgesetzt.
Drei Million Gerichtsverfahren
Schätzungen zufolge führte die Wehrmachtsjustiz rund drei Millionen Gerichtsverfahren durch. Selbst geringfügige Delikte wurden oft mit hohen Zuchthaus- und Gefängnisstrafen geahndet. Die ungeheure Härte des Strafvollzugs bedeutete für die Gefangen oft den Tod und es ist erst ansatzweise erforscht, wie viele Soldaten durch die Folgen von Lagerhaft sowie den Einsatz in Straf- und Sondereinheiten umkamen.
Die deutsche Militärgerichtsbarkeit betraf auch österreichische Soldaten und ZivilistInnen, hier ist von einer Gesamtzahl von weit über 1.000 Opfern auszugehen. Wehrmachtsjuristen hielten zudem über Kriegsgefangene der alliierten Armeen sowie über ZivlistInnen aus den besetzten europäischen Gebieten Gericht. Gegen Angehörige dieser beiden Gruppen ergingen 7.000 bis 10.000 Todesurteile – wie viele davon vollstreckt wurden, ist aber weitgehend unbekannt.
15.000 vollstreckte Todesurteile – allein gegen Deserteure
Die besondere Dimension der Verfolgung zeigt der international vergleichende Blick auf den Umgang mit der wichtigsten Gruppe von Verurteilten, den Deserteuren: Während die NS-Militärjustiz im Zweiten Weltkrieg allein gegen die Fahnenflüchtigen 15.000 Todesurteile vollstreckte, wurde in der US-Armee zwischen 1941 und 1946 ein einziges Todesurteil gegen einen Fahnenflüchtigen vollstreckt. Die Militärjustiz der Armeen des Deutschen Kaiserreichs ließ 18 Todesurteile gegen Deserteure ausführen.
Die Feldgerichte der k.u.k. Armee führten während des Ersten Weltkrieges etwa drei Millionen Verfahren und verhängten insbesondere gegen ZivilistInnen in Ost- und Südosteuropa rund 30.000 Todesurteile. Die austrofaschistische Diktatur (1933-1938) nutzte zwar das Bundesheer zur Bekämpfung des »inneren Feindes« (SozialdemokratInnen, KommunistInnen und NationalsozialistInnen), eine eigenständige Militärjustiz führte sie für innerhalb des Bundesheeres jdeoch nicht offiziell ein. Nach dem »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 wurde das Bundesheer in die Wehrmacht eingegliedert und übernahm deren militärrechtliche Bestimmungen und Strafprozessordnung.
Literaturhinweise