Gericht der Division 177, Standort Stubenring

Gericht der Division 177, Standort Stubenring

Im ehem. Kriegsministerium (heutiges Regierungsgebäude) am Stubenring 1, befanden sich 1938 bis 1945 eine ganze Reihe von für die Etablierung der Wehrmachtsjustiz wichtige Stellen und Gerichte. In diesem Gebäude wurde das Netzwerk der NS-Militärjustiz in Österreich und Wien aufgebaut und über sieben Jahre lang betrieben.

Die deutsche Wehrmacht bezieht im März 1938 das ehemalige Kriegsministerium am Stubenring (Bild: Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung/Albert Hilscher)

Die deutsche Wehrmacht bezieht im März 1938 das ehemalige Kriegsministerium am Stubenring (Bild: Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung/Albert Hilscher)

 
Geschichte vor 1938
Das Gebäude wurde 1913 als k.u.k. Reichskriegsministerium errichtet und blieb auch nach der Ausrufung der Republik im Herbst 1918 in militärischer Verwendung. Als „Liquidierendes Kriegsministerium“ war es für die Demobilisierung der k.u.k. Armee und danach als „Staatsamt für Heereswesen“ für den Aufbau des Bundesheers der Ersten Republik verantwortlich. Im Jahr 1924 nahm die Radio-Verkehrs AG (kurz RAVAG), die erste österreichische Rundfunkgesellschaft, ihren Betrieb auf. Während des Austrofaschismus stand der Stubenring 1 einige Male im Brennpunkt österreichischer Politik, unter anderem wurde hier Kurt Schuschnigg zum Nachfolger des ermordeten Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß ernannt.
 
Nach dem „Anschluss“
Mit 1. April 1938 zogen das Generalkommando des XVII. Armeekorps (A.K.) und die Kommandantur des Wehrkreises XVII mit ihren jeweiligen Stäben und Abteilungen – darunter das Gericht des XVII. A.K. – in das ehemalige Kriegsministerium ein. Die Juristen am Stubenring etablierten in kurzer Zeit eine politisch willfährige Justiz und schworen Richter, Justizbeamte und Offiziere auf die kommenden Eroberungskriege und den Vollzug der neuen Rechtsordnung ein.
 
Briefkopf des Gerichts der Division 177, Standort Stubenring (Quelle: DÖW)

Briefkopf des Gerichts der Division 177, Standort Stubenring (Quelle: DÖW)

Aufbau der NS-Militärjustiz
In Österreich standen 18 Monate zur Verfügung, um eine Militärjustiz zu etablieren und diese entsprechend auf die Kriegserfordernisse vorzubereiten. Das Gericht des XVII. A.K. trug dabei die Hauptverantwortung. Die Berufungsinstanz wurde zweckentfremdet und in ein Konditionierungs- und Radikalisierungsinstrument umgebaut.
 
Nach Kriegsbeginn im September 1939 wurde das Gericht der Division 177 am Stubenring 1 etabliert. Außerdem hatten der Oberstkriegsgerichtsrat des Dienstaufsichtsbezirks 4 im Gebäude seinen Dienstort, weiters der Sachbearbeiters für den Reichkriegsanwalt und die Korps- bzw. Divisions-Stab und -Kommandantur in ihrer Funktion als Gerichsherren.
 
Der Platzbedarf des Gerichtes der Division 177 war mit Sicherheit hoch, da es erstinstanzlich urteilte und daher auch alle weiteren Verfahrensschritte – bis hin zur Korrespondenz mit Wehrmachtgefängnissen und Feldstrafgefangenenabteilungen über den Strafvollzug – zu überwachen hatte. Es ist anzunehmen, dass die Einrichtung eines zweiten Gerichtsstandortes am Loquaiplatz zwischen 1940 und 1942 dem immer dramatischer werdenden Platzmangel am Stubenring geschuldet war, während die Übersiedlung einer Abteilung des Gerichtes in die Hohenstaufengasse wohl durch die Konzentrierung auf die Verfolgung der sogenannten Selbstverstümmlerseuche begründet wurde.
 
Der ebenfalls am Stubenring 1 angesiedelte Oberstkriegsgerichtsrat des Dienstaufsichtsbezirks (DAB) 4 war in Gerichtsbelangen für die Wehrkreise XVII und XVIII zuständig. Er koordinierte den Aufbau der NS-Militärjustiz in den Wehrkreisen XVII und XVIII, wozu nicht nur die Klärung und Organisation von Abläufen und Zuständigkeiten zählte, sondern auch die Auswahl, Bestellung und Zuteilung von Richtern. Im ersten Halbjahr 1943 war der Oberstkriegsgerichtsrat im DAB 4 für mindestens fünf Gerichte und über 60 Richter in sieben Städten zuständig.
 
Generäle des österreichischen Bundesheeres werden 1938 im Marmorsaal des Kriegsministeriums, der später dem Gericht als Verhandlungssaal diente, in die Wehrmacht übernommen und vereidigt. (Bild: Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung/Albert Hilscher)

Generäle des österreichischen Bundesheeres werden 1938 im Marmorsaal des Kriegsministeriums, der später dem Gericht als Verhandlungssaal diente, in die Wehrmacht übernommen und vereidigt. (Bild: Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung/Albert Hilscher)

Reichskriegsgericht und Gerichtsherren
Das Reichskriegsgericht (RKG) verfügte über eine fix bestellte Reichskriegsanwaltschaft unter einem Oberreichskriegsanwalt. Vorarbeiten und -erhebungen zu RKG-Verfahren betreffend die Wehrkreise XVII und XVIII vor dem RKG wurden in Wien erledigt. Dabei kamen verschiedene Richter als (Rechts-)Gutachter und Untersuchungsführer zum Einsatz.
 
Am Stubenring 1 residierten weiters die Befehlshaber – und damit die Gerichtsherren – des Wehrkreises XVII. Diese Funktion wurde zwischen 1938 und 1945 von vier Generalen ausgeübt – Werner Kienitz, Otto von Stülpnagel, Alfred Streccius und Albrecht Schubert.
 
Als letzte Behörde, die am Stubenring 1 mit der Verfolgung von militärischen Delikten befasst war, ist die Abwehrstelle XVII (ASt XVII) zu nennen, die als militärischer Geheimdienst eigentlich für Spionageabwehr zuständig war und im 4. Stock untergebracht war. Sie brachte Verfahren ins Rollen, indem sie verdächtige Wehrmachtsangehörige bei der Wehrmachtsstreife oder direkt bei Gericht anzeigte, und gab im weiteren Verlauf dieser Verfahren auch politische Einschätzungen zu den Beschuldigten ab.
 
Der „heldenhafte Offizierswiderstand“ am Stubenring
Das ehemalige Kriegsministerium spielte sowohl bei der Operation „Walküre“ als auch bei den späteren Aktionen „Herbstlaub 44“ und „Radetzky“ des militärischen Widerstands eine Rolle. Nach dem Scheitern von „Walküre“ (also der geplante Putsch nach einem gelungenen Attentat auf Adolf Hitler) konzentrierte man sich auf die von Major Carl Szokoll, Ordonnanzoffizier beim Stv. Generalkommando des XVII. A.K. am Stubenring 1, für Herbst 1944 (daher der Name „Herbstlaub 44“) erwartete Befreiung durch die Alliierten. Daraus wurde aber nichts, und so sandte Szokoll Anfang April 1945 im Rahmen der „Operation Radetzky“ seinen Vertrauten, Oberfeldwebel Ferdinand Käs, zur Roten Armee, um Unterstützungsmöglichkeiten bei der bevorstehenden Besetzung Wiens zu besprechen. Die Kollaboration wurde jedoch verraten, SD und SS stürmten den Stubenring – das vermeintliche Zentrum des militärischen Widerstands – und die Rote Armee musste Wien allein befreien.
 
Befreiung 1945
Der Stubenring 1 war schon im März 1945 von einer Bombe getroffen worden und wurde in den letzten Kriegstagen auch noch Opfer eines Großbrandes. Dennoch koordinierte das Wehrkreiskommando von hier aus in Absprache mit der Stadtkommandantur in der Universitätsstraße 7 die Verteidigung der Stadt und die Evakuierungsmaßnahmen der Wehr- macht.
 
Nach 1945
Das Gebäude wurde 1946 an die Republik zurückgestellt. Es war so schwer beschädigt, dass man eine Komplettabtragung erwog aber verwarf. Die Wiederherstellung und Erweiterung des Bauwerkes um zwei Etagen dauerte drei, die Rekonstruktion der Inneneinrichtung weitere zehn Jahre. Schließlich entpuppte sich das Haus als zu groß für die militärischen Bedürfnisse der Zweiten Republik, weshalb das Amt für Landesverteidigung, die Übernahme ablehnte. Der Gebäudekomplex steht heute im Besitz des Wirtschaftsministeriums, wird von der Burghauptmannschaft Österreich verwaltet und dient, drei Bundesminister:innen als Amtssitz.
 
Aufarbeitung und Gedenken
Lange Zeit spielte die Darstellung der Gebäudegeschichte mit Bezug auf die Verwendung während dem Nationalsozialismus für die das Gebäude nützenden Ministerien keine Rolle. Anschluss, Funktion für die Miltärjustiz oder für die nationalsozialistischen Angriffskriege kamen nicht vor. Seit 2010er Jahren kommt es zu einem schrittweisen Umdenken – Ministerien stellen sich der Gebäudegeschichte umfassender. Am 23. Jänner 2023 wurde durch die Bundesminister:innen Alma Zadić, Johannes Rauch, Norbert Totschnig und Martin Kocher eine Gedenktafel am Gebäude enthüllt, die die NS-Geschichte des Gebäudes umfassend darstellt.
 
 Seit Jänner 2023 hängt eine Gedenktafel am Regierungsgebäude Stubenring (Bild: Lorenzo Vincentini)

Seit Jänner 2023 hängt eine Gedenktafel am Regierungsgebäude Stubenring (Bild: Lorenzo Vincentini)

Lange Nacht der Museen goes Deserteursdenkmal

Am Samstag, dem 6. Oktober 2018, findet bereits zum 19. Mal die „ORF Lange Nacht der Museen“ in ganz Österreich statt. Das Deserteursdenkmal ist als eines der rund 700 Stationen (Museen, Galerien, usw.) zum ersten Mal auch dabei und bietet kulturinteressierten NachtschwärmerInnen von 18.00 bis 01.00 Uhr Früh ein Programm.

Deserteursdenkmal am Ballhausplatz

Immer noch fragen sich viele Menschen, was das dreistufige liegende X auf dem Ballhausplatz darstellen soll. Die „ORF-Lange Nacht der Museen“ ist ein schöner Anlass, die Bekanntheit des Denkmals für die Verfolgten der NS-Militärjustiz zu erhöhen. Das 2014 von Olaf Nicolai geschaffene Monument bildet den Höhepunkt der gesellschaftlichen und juristischen Rehabilitierung österreichischer Wehrmachtsdeserteure, „Wehrkraftzersetzer“ und Kriegsdienstverweigerer, die vor allem dem Personenkomitee „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“ und den Grünen zu verdanken ist.

Guides informieren Sie zu jeder Zeit über die Hintergründe des Denkmals. Dazu gibts Informationsmaterial und Bücher.

Mehr Infos unter diesem Link: Lange Nacht der Museen 2018.

Demokratiepreis des Parlaments an Personenkomitee verliehen

Am 13.2.2017 wurde der Demokratiepreis 2016 der Margaretha-Lupac-Stiftung im Parlament überreicht. Ausgezeichnet wurden drei Vereine bzw. Institutionen:

  1. Das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (Link),
  2. das Freie Radio Salzkammergut (Link),
  3. sowie das “Personenkomitee ‘Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz'”.

Einer Rede der Präsidentin des Nationalrats Doris Bures folgten drei Festreden zur Verleihung von Manfried Welan, Brigitte Bierlein und Klaus Unterberger für die drei ausgezeichneten Projekte. Dem folgten Dankesreden im Namen der Projekte durch Patricia Hladschik (für das Boltzmann-Institut), Thomas Geldmacher (für das Personenkomitee) und Mario Friedwagner (für das Freie Radio Salzkammergut). Details der Reden könnten der Presseaussendung des Parlaments entnommen werden. Bei Gelegenheit reichen wir die Redetexte nach.

Das Personenkomitee

Personenkomitee „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“:

Beschreibung ist der Bewerbung zum Demokratiepreis der Margaretha-Lupac-Stiftung des österreichischen Parlaments entnommen.

Seit 2002 engagiert sich das Personenkomitee „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“ für die umfassende Rehabilitierung und Entschädigung der Wehrmachtsdeserteure, der „Wehrkraftzersetzer“ und Kriegsdienstverweigerer. Die Opfer der NS-Militärjustiz, Männer und Frauen, Soldaten und Zivilist_innen, darunter Widerstandskämpfer_innen aus ganz Europa, galten zu diesem Zeitpunkt als „Verräter“, als „Verräterinnen“ oder „Feiglinge“. Zu Beginn des neuen Jahrtausends interessierten sich weder die historische Forschung noch politisch-gesellschaftliche Initiativen für Geschichte oder Gegenwart dieser Menschen. Das Personenkomitee agierte von Anfang an auf unterschiedlichen Ebenen und verbindet – bis heute – auf breiter Basis zivilgesellschaftliches Engagement mit intensiver parlamentarischer Arbeit, mit medialer und kulturpolitischer Vermittlungstätigkeit. Die Basis dieser Aktivitäten bilden eine von den Mitgliedern des Personenkomitees überhaupt erst initiierte wissenschaftliche Expertise und rege Publikationstätigkeit.

Hervorgegangen ist das Personenkomitee aus einer Initiative von Studierenden der Universität Wien Ende der 1990er Jahre. Im Laufe der Jahre hat es sich zu einem weithin geachteten zivilgesellschaftlichen Akteur entwickelt, der ein bis dahin unbearbeitetes Thema benannt und die berechtigten Interessen einer Minderheit vor allem in den ersten Jahren gegen den gesellschaftlichen Mainstream durchgesetzt hat. Unterstützt wurde das Personenkomitee dabei von Institutionen der Zivilgesellschaft (Verbände der Opfer des Nationalsozialismus, Religionsgemeinschaft u. a.), von politischen Aktivist_innen, Kulturschaffenden, Journalist_nnen und Politiker_nnen, anfangs vor allem der Grünen, später auch von SPÖ und ÖVP. Insbesondere im Rahmen einer „Wortspendenkampagne“ für die Ausstellung „Was damals Recht war …“ – Soldaten und Zivilisten der Wehrmacht und später ein Deserteursdenkmal in Wien gelang es dem Personenkomitee, eine Koalition zu schmieden, die von Kardinal Christoph Schönborn über den ehemaligen Adjutanten des Bundespräsidenten General a. D. Hubertus Trauttenberg bis hin zum ehemaligen steirischen KPÖ-Chef Ernest Kaltenegger reichte. Namhafte Kulturschaffende wie Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek oder der Schauspieler Josef Hader komplettierten diese Allianz.

Nicht zuletzt aufgrund der Zusammenarbeit verschiedener gesellschaftlicher Akteur_innen ist der ursprüngliche Forderungskatalog des Personenkomitees aus dem Jahre 2002 heute umfassend umgesetzt. Die Umsetzung lässt sich am besten entlang der wichtigsten politischen Beschlüsse des Parlaments und anderer politischer Körperschaften nachzeichnen: die wissenschaftliche Aufarbeitung der Schicksale der österreichischen Opfer der NS-Militärgerichtsbarkeit, die sozialrechtliche Gleichstellung der Verfolgten der NS-Militärgerichte durch das Anerkennungsgesetz 2005, die endgültige Rehabilitierung durch den Beschluss des Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetzes 2009 und die Errichtung des Denkmals für die Verfolgten der NS-Militärjustiz am Wiener Ballhausplatz im Jahr 2014.

Sowohl die Gesetze als auch das Denkmal sind maßgeblich der Beharrlichkeit des Personenkomitees und insbesondere seines Ehrenobmannes, des ehemaligen Wehrmachtsdeserteurs Richard Wadani, zu verdanken.

Das Personenkomitee hat sich stets darum bemüht, wissenschaftliche Forschung mit parlamentarischer Arbeit zu koppeln und den Ergebnissen beider Tätigkeitsfelder massenmediale Präsenz zu verleihen. Diese Kombination ist zweifellos einer der Schlüssel für den Erfolg des Personenkomitees im Sinne der Demokratie und des Parlamentarismus in Österreich. Zahlreiche parlamentarische Anfragen und Anträge aus fünf Legislaturperioden, unzählige Zeitungsartikel, Radio- und Fernsehbeiträge, eine beträchtliche Anzahl von wissenschaftlichen Publikationen, eine mittlerweile an vier Standorten in Österreich präsentierte Ausstellung sowie Denkmäler in Wien und Bregenz zeugen von den Bemühungen um die Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz. Erleichtert wurde diese Arbeit auch dadurch, dass zwei Mitglieder des Personenkomitees (ab 1998 Hannes Metzler, ab 2007 auch Thomas Geldmacher) als Referenten im Grünen Parlamentsklub tätig waren und es immer wieder Politiker_innen (nicht nur der Grünen) gab, die dem Thema gegenüber aufgeschlossen waren (seitens der Grünen etwa Andreas Wabl, Terezija Stoisits, Karl Öllinger, Stefan Schennach, Eva Glawischnig, Alexander Van der Bellen, Harald Walser, Albert Steinhauser und Wolfgang Zinggl, seitens der SPÖ Heinz Fischer, Barbara Prammer, Albrecht Konecny und Hannes Jarolim, seitens der ÖVP Andreas Khol und Fritz Neugebauer).

Die Akteur_innen des Personenkomitees (heute vor allem: die Politikwissenschaftler Thomas Geldmacher, Hannes Metzler, Mathias Lichtenwagner und Peter Pirker, der Historiker Magnus Koch, die Historikerin Lisa Rettl, die Kulturwissenschaftlerin Juliane Alton sowie Richard Wadani) haben ein jahrzehntelang ignoriertes Kapitel österreichischer Vergangenheitspolitik sichtbar gemacht, die anschließenden Diskussionen darüber maßgeblich geprägt und der Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz immer wieder entscheidende Impulse gegeben. In der Folge hat sich zum einen das Bild des Deserteurs in der österreichischen Gesellschaft gewandelt; Österreichs politische Parteien haben ihre ursprünglich überwiegend ablehnenden Positionen zu den Wehrmachtsdeserteuren zum Teil drastisch geändert. Zum anderen hat insbesondere die historische Auseinandersetzung den Blick erweitert und ins Bewusstsein gerufen, dass der bisherige Verfolgtenbegriff weiter gefasst werden muss: von der Desertion hin zu verschiedensten Deliktformen, Handlungsmotiven und biografischen Hintergründen, von einer rein österreichischen Sicht hin zu einer europäischen Perspektive, die die Verfolgten in den von der Wehrmacht besetzten Länder mit einbezieht.

Seit der Eröffnung des Denkmals am Ballhausplatz sind die Opfer der NS-Militärjustiz auch symbolisch in der Mitte der österreichischen Gesellschaft angekommen. Die kontinuierliche Arbeit des Personenkomitees ist ein Beleg dafür, dass Demokratisierungs- und Aufklärungsbemühungen von Akteur_innen der Zivilgesellschaft politische Wirkung entfalten können. Rehabilitierung funktioniert nur, wenn sie öffentlich geschieht.

Die Geschichte des Personenkomitees

Es begann im Wintersemester 1998/99: Vier Studierende – Maria Fritsche (Geschichte), Hannes Metzler (Politikwissenschaft), Thomas Walter (Rechtswissenschaft) und Nina Horowitz (Politikwissenschaft) – interessierten sich im Rahmen des Seminars „Die Wehrmacht als Politikum. Ideologie – Struktur – Tätigkeit und Wirkungsgeschichte in Österreich“ für Geschichte und Gegenwart der österreichischen Wehrmachtsdeserteure. Sie schlugen das Thema ihrem Seminarleiter, dem Politikwissenschaftler Walter Manoschek, einem der Kuratoren der sogenannten ersten Wehrmachtsausstellung, für eine gemeinsame Seminararbeit vor.

Nach ersten Besuchen der Studierenden in den Archiven und Sichtung der Literatur stellte sich bald heraus, dass sich die historische Forschung in Österreich mit den Wehrmachtsdeserteuren noch kaum beschäftigt hatte. Der Jus-Student Thomas Walter etwa befasste sich mit der Frage, ob die Urteile der NS-Militärjustiz 1998 noch rechtskräftig und die verurteilten Deserteure oder „Wehrkraftzersetzer“ daher vorbestraft seien, und wandte sich daher in einem Brief an den damaligen Justizminister Nikolaus Michalek. Zur selben Zeit formulierte Hannes Metzler, zu diesem Zeitpunkt Mitarbeiter des Nationalratsabgeordneten der Grünen Andreas Wabl, eine ähnlich lautende parlamentarische Anfrage an den Justizminister. Aus den im Anschluss an diese Anfrage und deren Beantwortung im Frühjahr 1999 geführten parlamentarischen und öffentlichen Debatten resultierte im Juli des Jahres eine Entschließung des Nationalrates, in der dieser das Wissenschaftsministerium aufforderte, die Geschichte der österreichischen Opfer der NS-Militärgerichtsbarkeit erforschen zu lassen, um daraufhin die Aufhebung der Urteile von Amts wegen durchzuführen.

Aufgrund der Vorarbeiten der Jahre 1998/1999 erhielt eine Gruppe junger Wissenschaftler_innen um Walter Manoschek (David Forster, Maria Fritsche, Thomas Geldmacher, Hannes Metzler und Thomas Walter) den Zuschlag für ein Forschungsprojekt, das sich in den Jahren 2001–2003 den österreichischen Opfern der NS-Militärgerichtsbarkeit widmete. Diese Gruppe gründete das Personenkomitee „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“, das sich am 11. Oktober 2002 konstituierte, dem 80. Geburtstag des ehemaligen Wehrmachtsdeserteurs und kritischen Begleiters des Forschungsprojektes Richard Wadani. Unter dem Titel „Späte Gerechtigkeit“ wurden in einem Forderungskatalog folgende Ziele formuliert:

1.) Die Aufhebung aller Urteile der Wehrmachtsjustiz und vergleichbarer Sondergerichte durch eine Entscheidung des Nationalrates

2.) Die Anerkennung von Haftzeiten in Konzentrationslagern und Gefängnissen als Ersatzzeiten für die gesetzliche Pensionsversicherung

3.) Die Anerkennung von Opfern der NS-Militärjustiz als Opfer des Nationalsozialismus und die Aufnahme dieser Personengruppe in das Versorgungs- und Entschädigungsrecht

4.) Die ideelle und finanzielle Förderung der historischen und politischen Aufarbeitung der NS-Militärjustiz durch die Republik Österreich

Richard Wadani, Sprecher des Personenkomitees, fügte diesen vier Punkten handschriftlich eine fünfte, zu diesem Zeitpunkt völlig unrealistische Forderung hinzu:

5.) Die Errichtung eines Denkmals für die Opfer der NS-Militärjustiz (Original hier)

Am 1. November 2002 führte das Personenkomitee seine erste von bisher 14 Gedenkveranstaltungen für die Opfer der NS-Militärjustiz beim Gedenkstein im Donaupark auf dem Gelände des ehemaligen Militärschießplatzes Kagran durch. In den Jahren 1940–1945 wurden dort hunderte Widerstandskämpfer und verurteilte Wehrmachtsangehörige erschossen.

Im Juni 2003 präsentierten Walter Manoschek und seine Mitarbeiter_innen im Rahmen des Symposiums „Österreichische Opfer der NS-Militärgerichtsbarkeit. Rehabilitation und Entschädigung“ die Ergebnisse ihres Forschungsprojektes im Abgeordneten-Sprechzimmer des Parlaments. Sowohl der seinerzeitige Erste Nationalratspräsident Andreas Khol als auch der Zweite Nationalratspräsident Heinz Fischer leiteten aus den publizierten Resultaten konkrete Handlungsoptionen für den Nationalrat ab. Dennoch dauerte es weitere zwei Jahre bis zum Beschluss des Anerkennungsgesetzes 2005, mit dem die Opfer der NS-Militärjustiz als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt und deren sozialrechtliche Schlechterstellung beseitigt wurden. Dafür waren zwei Entwicklungen hauptverantwortlich. Zum einen forderte der mittlerweile zum Bundespräsidenten gewählte Heinz Fischer Ende 2004 und ein weiteres Mal im Jänner 2005 im Rahmen der Tagung „Widerstand in Österreich“ im Parlament einen „unmissverständlichen Akt des Gesetzgebers“, um die Urteile gegen die Opfer der NS-Militärjustiz aufzuheben. Er brachte auf diese Weise die moralische Autorität seines Amtes ins Spiel. Zum anderen entspann sich im April 2005 im Zuge der Behandlung einer Dringlichen Anfrage von Grünen und SPÖ im Bundesrat an die damalige Justizministerin Karin Miklautsch eine heftige Diskussion. In deren Verlauf gab der designierte Bundesratspräsident Siegfried Kampl (BZÖ, vormals FPÖ) zu Protokoll, Deserteure seien „zum Teil Kameradenmörder“ gewesen. Er beklagte zudem die „brutale Naziverfolgung“ nach 1945. Nicht zuletzt aufgrund des großen medialen Echos, das diese Äußerungen auslösten, ließ die Regierung um Bundeskanzler Wolfgang Schüssel das erwähnte Gesetz ausarbeiten, das noch vor der Sommerpause 2005 im Nationalrat beschlossen wurde.

Aus Sicht des Personenkomitees war das Anerkennungsgesetz, allen sozialrechtlichen Fortschritten zum Trotz, unbefriedigend, weil es die Frage der Rehabilitierung durch die Wiederverlautbarung zweier gesetzlicher Bestimmungen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit (Aufhebungs- und Einstellungsgesetz 1945 und Befreiungsamnestie 1946) nicht abschließend klärte. Das Personenkomitee ließ es daher nicht dabei bewenden und plante die nächsten Schritte, um die endgültige Rehabilitierung voranzubringen.

Zu diesem Zweck gab sich das Personenkomitee 2008 formale Strukturen, gründete den Verein „Personenkomitee Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“ und suchte beim Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, beim Zukunftsfonds der Republik Österreich, bei der Stadt Wien und verschiedenen Bundesministerien um finanzielle Förderung an. Ziel war es, die 2007 in Berlin erstmals gezeigte, von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas entwickelte Wanderausstellung “‘Was damals Recht war …’ – Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht” in einer für österreichische Zwecke adaptierten Form in Wien zu präsentieren. Die erforderlichen umfangreichen inhaltlichen Änderungen am Ausstellungskonzept leisteten ausschließlich die Mitglieder des Personenkomitees, das außerdem ein umfangreiches Begleitprogramm konzipierte, gemeinsam mit dem Verein Gedenkdienst die pädagogische Begleitung der Besucher_innen in die Hand nahm sowie sich um Öffentlichkeitsarbeit und politisches Lobbying kümmerte.

Die Eröffnung dieser Ausstellung im Leopoldstädter Theater Nestroyhof Hamakom fand nicht zufällig am 1. September 2009 statt, dem 70. Jahrestag des Überfalls des Deutschen Reichs auf Polen. Als Hauptrednerin fungierte die damalige Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, die in ihrer Festansprache die rasche umfassende gesetzliche Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz ankündigte. Der damalige Zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer konnte der Eröffnung aufgrund eines Auslandstermins zwar nicht beiwohnen, ließ sich aber am Nachmittag des 1. September, also noch vor der offiziellen Eröffnung, durch die Ausstellung führen und zeigte sich sehr an der Materie interessiert. Zugleich übernahm er gemeinsam mit Barbara Prammer, Verteidigungsminister Norbert Darabos sowie Bundespräsident Heinz Fischer den Ehrenschutz für die Ausstellung. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer veranstaltete in Kooperation mit dem Personenkomitee am 18. September 2009 im Palais Epstein die Zeitzeug_innen-Veranstaltung „Störenfriede der Erinnerung“ mit Friedrich Cerha, Helga Emperger, Peter Kuchar, Hugo Pepper und Richard Wadani.

Die Ausstellung und die (auch international) umfangreiche mediale Berichterstattung brachten den Durchbruch: Am 7. Oktober 2009 präsentierten Justizministerin Claudia Bandion-Ortner sowie Hannes Jarolim, Heribert Donnerbauer und Albert Steinhauser, die Justizsprecher von SPÖ, ÖVP und Grünen, im Rahmen einer Pressekonferenz im Parlament einen Gesetzesvorschlag, der sich im Großen und Ganzen an einem Entwurf des Linzer Strafrechtsprofessors und langjährigen Unterstützers des Personenkomitees Reinhard Moos orientierte, den dieser Jahre zuvor im Auftrag der Grünen und des Personenkomitees verfasst hatte. Genau zwei Wochen später, am 21. Oktober 2009, wurde das Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz 2009 im Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen beschlossen. Zehn Jahre nach dem erstmaligen Auftauchen des Themas auf der politischen Agenda, nach zähen und aufgrund der politischen Konstellationen manchmal für Jahre festgefahrenen Verhandlungen wurde der parlamentarische Prozess zu Ende gebracht.

Nach den Wiener Gemeinderatswahlen im Jahr 2010 bemühte sich das Personenkomitee erfolgreich darum, im Koalitionsübereinkommen von SPÖ und Grünen einen Passus zu verankern, der die Realisierung eines „Mahnmals für Deserteure“ vorsah. Nach intensiv geführten Diskussionen, die sich insbesondere an der Frage des Standortes entzündeten, gab die Stadt Wien schließlich der Forderung des Personenkomitees nach und entschied, das Denkmal an einen zentralen Ort im Herzen der Republik, nämlich am Ballhausplatz, zu errichten. Der Berliner Künstler Olaf Nicolai entschied den geladenen Wettbewerb, der von KÖR Kunst im öffentlichen Raum GmbH durchgeführt wurde, und in dessen Jury auch zwei Mitglieder des Personenkomitees sowie – als beratende Stimme – Richard Wadani saßen, am 27. Juni 2013 für sich. Mehr als 69 Jahre nach Kriegsende, am 24. Oktober 2014, übergab Bundespräsident Heinz Fischer das Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz im Rahmen eines Festaktes am Ballhausplatz der Öffentlichkeit.

Seither ist der Ballhausplatz ein Ort – und nicht länger bloß die leere Fläche zwischen Heldenplatz, Löwelstraße und Schauflergasse in der Wiener Innenstadt. (…)

Einige Mitglieder des Personenkomitees vor dem Deserteursdenkmal am Ballhausplatz

Einige Mitglieder des Personenkomitees vor dem Deserteursdenkmal am Ballhausplatz, Wien 2016.

Buchpräsentation Ballhausplatz 23.09.2016

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…und so schaut es aus, das Buch!

Programm

  • Thomas Geldmacher | Politikwissenschaftler, Mitherausgeber und Obmann des Personenkomitees „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“
  • Juliane Alton | Mitherausgeberin, Landesgeschäftsführerin der Grünen und Umweltstadträtin in Dornbirn Rede
  • Olaf Nicolai | Künstler und Schöpfer des Denkmals für die Verfolgten der NS-Militärjustiz in Wien
  • Musik | Paul Gulda | Klavier und Gesang

Am 24. Oktober 2014 wurde in Wien das Denkmal für die österreichischen Verfolgten der NS-Militärjustiz eröffnet. Es befindet sich am Ballhausplatz, zwischen Bundeskanzleramt und Präsidentschaftskanzlei gelegen, und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Heldenplatz. Der Staatsakt, an dem die prominentesten Politikerinnen und Politiker des Landes teilnahmen – allen voran der Bundespräsident -, markiert einen gedenkpolitischen Meilenstein und den Höhepunkt eines über 15-jährigen politischen Rehabilitierungsprozesses, der seinen Anfang Ende der 1990er Jahre in einer Initiative von Studierenden an der Universität Wien und in einer parlamentarischen Anfrage der Grünen an den Bundesminister für Justiz genommen hatte. Denn das Denkmal des Berliner Künstlers Olaf Nicolai steht für das Ende der Ausgrenzung der Deserteure aus der Erinnerung an die Verfolgten des Nationalsozialismus. Der Band leistet dreierlei: Er dokumentiert den Denkmalprozess von den Anfängen bis heute, er ordnet das Projekt in den zeit- und kunsthistorischen Kontext sowie in die vergangenheitspolitischen Debatten ein und lässt schließlich erstmals Angehörige der zweiten und dritten Generation der Verfolgten in kurzen Essays zu Wort kommen.

Link zur Einladung als PDF.

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 Fotos der Veranstaltung

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Mitherausgeber und Obmann des Personenkomitees Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz Thomas Geldmacher moderiert die Veranstaltung

Alle Fotos: Magnus Koch

 

Gericht der Division 177, Standort Hohenstaufengasse

Gericht der Division 177, Standort Hohenstaufengasse

Im Gebäude Hohenstaufengasse 3 befand sich ab Ende 1943 bis zur Befreiung ein Gericht der NS-Militärjustiz. Es war Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, u.a. verfolgte.

Briefkopf des Gerichts der Divison 177, Standort Hohenstaufengasse 3 (Quelle: DÖW)

Briefkopf des Gerichts der Divison 177, Standort Hohenstaufengasse 3 (Quelle: DÖW)

Geschichte vor 1938
Das Gebäude Hohenstaufengasse 3 wurde von Otto Wagner in den Jahren 1882-1884 für die Zentraleuropäische Länderbank errichtet. Es gilt als hervorragendes Beispiel für das Frühwerk des berühmten Jugendstilarchitekten und findet daher in zahlreichen Architekturlexika Erwähnung. Die Länderbank verkaufte das Haus im Sommer 1938 an das Deutsche Reich. Die Wehrmacht ließ sogleich Modernisierungen durchführen, einige Zeit nutzten auch andere Stellen das Gebäude, darunter das Ministerium für Landwirtschaft. Der große, helle Kassensaal und die Tresorräume im Keller bestehen bis heute.


NS-Militärjustiz
Das Feldkriegsgericht der Division 177 besaß in Wien bereits zwei Standorte, am Stubenring und Loquaiplatz. Ende 1943 wurde ein dritter Standort in der Hohenstaufengasse 3 eingerichtet. Man kann davon ausgehen, dass der Standort und die neue Abteilung III eigens zur Verfolgung des ‚Selbstverstümmler-Unwesens‘, das dem Divisionsrichter Karl Everts ein ideologischer Dorn im Auge war, eingerichtet wurden. Die geografische Nähe zu den Verhörräumlichkeiten in der Roßauer Kaserne und zum Gericht der Wehrmachtskommandantur Wien in der Universtitätsstraße boten zusätzliche Vorteile gegenüber der Mariahilfer Hauptstelle. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten insgesamt rund 17 Richter am Gericht der Division 177.


Jagd nach „Selbstverstümmlern“
Die nunmehrige Abteilung III des Gerichts der Division 177 unter der Leitung von Karl Everts führte vor allem einen unerbittlichen Kampf gegen Selbstverstümmler. Man war bei Gericht der Überzeugung, dass durch absichtlich beigefügte Verletzungen und Selbstansteckungen, falsche Krankmeldungen oder mutwilliger Verlängerung von Heilungsprozessen in Wien massenweise der Dienst in der Wehrmacht verweigert wurde.

Karl Everts, der schon vor dem Krieg als Richter beim Gericht der 2. Panzer-Division in Wien stationiert gewesen war, baute in Zusammenarbeit mit der Fahndungsgruppe 200 der Heeresstreife ein engmaschiges Netzwerk der Verfolgung auf, das sich anfangs auf bestimmte Formen von Knochenbrüchen und Kniegelenksverletzungen konzentrierte, schon bald aber jede vermutete Selbstverstümmelung untersuchte.

Die Fahndungsgruppe 200 lieferte Everts im Frühsommer 1944 zwar erste Hinweise auf systematisch betriebene Selbstverstümmelungen, es fehlten aber die Beweise. Dies änderte sich, als es Everts im Juli 1944 gelang, einen Denunzianten, dem er Strafmilderung versprochen hatte, in das Reservelazarett XIa in der Boerhavegasse in Wien-Landstraße einzuschleusen. Es wurde in Folge ein Netzwerk aus Denunziant:innen und Spion:innen aufgebaut, welche häufige Treffpunkte wie Schwimmbäder und Kaffeehäuser bzw. Tatorte wie Lazarette ausspähten. Zusätzlich kontrollierte die Heeresstreife vermehrt die Reservelazarette in Wien, um dort sowohl medizinisches Personal als auch Patienten unter Druck zu setzen und zu Denunziationen anzustiften.

Um sich selbstverletztende Soldaten zu finden war jedes Mittel Recht, auch explizit Folter. So meinte Everts in einer Urteilsbegründung:

„Wenn zeitlich und örtlich bestimmte Verletzungen geradezu seuchenartig auftreten, die am Marke und an der Wehrkraft eines Volkes, welches einen Kampf auf Leben und Tod führt, rütteln, dann müssen und können auch gegebenenfalls Mittel zur Anwendung gebracht werden, die geeignet sind, derartige Verbrecher zum Sprechen zu bringen. Bei der Auswahl der Mittel kann naturgemäß nicht jener Maßstab angelegt werden, wie er in Friedenszeiten üblich ist.“



Um die Kommunikation zwischen Hohenstaufengasse und Roßauer Kaserne zu vereinfachen, wo die Wehrmachtsstreife mit der Aufgabe betraut war, mit Verhören und Folterungen zu den erwünschten Geständnissen zu kommen, wurde ein Mitarbeiter des Gerichts direkt in der Kaserne stationiert.

Bereits am 4. August 1944 ging Everts davon aus, mindestens achtzig Fälle von Selbstverstümmelung zur Verhandlung bringen zu können. Die Anklagepunkte, die Everts ab Oktober 1944 verschriftlichte, basierten zu einem Großteil auf durch Folter erpressten Geständnissen, da die meisten Ärzte sich weigerten, tendenziöse Gutachten auszustellen, die die Anklage unterstützten. Zwischen 23. Oktober und 19. Dezember 1944 wurden jedenfalls 68 Personen, Frauen und Männer, wegen Selbstverstümmelung oder Beihilfe zur Selbstverstümmelung verurteilt, 27 von ihnen zum Tode, die übrigen Angeklagten erhielten insgesamt 378 Jahre Zuchthaus. 14 der zum Tode Verurteilten wurden am 7. Februar 1945 am Militärschießplatz Kagran erschossen. Everts leitete und organisierte diese Hinrichtungen.

Durchhalten in der Hohenstaufengasse
Noch am 15. Februar 1945, also zwei Monate vor der Befreiung Wiens durch die Rote Armee, führte Karl Everts Verfahren gegen Selbstverstümmler. Die Richter in der Hohenstaufengasse 3 hielten sogar in den letzten Tagen bis zur Befreiung den Dienstbetrieb aufrecht. Dieser bestand zu diesem Zeitpunkt vor allem daraus, verurteilte Soldaten zur „Frontbewährung“ zu schicken, also der Österreich vom Osten her befreienden Roten Armee entgegenzuschicken. Erst rund um den 4.4.1945 dürften sich auch die letzten Richter nach Oberösterreich abgesetzt haben.

Der historische Gerichtssaal des Divisonsgerichts dient heute als Sitzungszimmer (Quelle: Alexander Wallner)

Der historische Gerichtssaal des Divisonsgerichts dient heute als Sitzungszimmer (Quelle: Alexander Wallner)

Nach 1945
Das Gebäude fiel als „Deutsches Eigentum“ der Republik Österreich zu. In den ersten Jahren wurde es von den verschiedenen militärischen Stellen verwendet, dem folgte (wie am Otto-Wagner-Platz) das Zentralbüro des European Recovery Program (ERC, „Marshall-Plan“). Nach dessen Auslaufen nutzten verschiedene Bundesstellen (Bundesverlag, Lehrmittelstelle, Fremdenverkehrswerbung, Archiv des Innenministeriums, usw.) das Gebäude. Seit 1994 wurde es vom Bundeskanzleramt (Sektion III) genutzt, seit 2018 ist es Teil des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS). Der ehemalige Gerichtssaal ist heute ein Sitzungszimmer.


Aufarbeitung und Gedenken
Lange Zeit spielte die Darstellung der Gebäudegeschichte in Bezug auf die Verwendung während dem Nationalsozialismus für die das Gebäude nützenden Ministerien keine Rolle. Seit den 2010er Jahren wurde durch zivilgesellschaftliche Kampagnen die Geschichte des Gebäudes in der Öffentlichkeit thematisiert. So wies Richard Wadani, Wehrmachtsdeserteur und Ehrenobmann des Vereins ‚Personenkomitee Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz‘ am 13.8.2009 bei einer Pressekonferenz vor Ort auf das fehlende Gedenken hin:

Heldendenkmäler gibt es überall, aber an die Opfer erinnert nichts.



Am 6.9.2009 brachte eine vergangenheitspolitische Initiative namens ‚AK Denkmalpflege‘ während eines aktionistischen Stadtspazierganges eine temporäre Gedenktafel mit folgender Aufschrift am Gebäude an:

Hier, auf dem NS-Feldkriegsgericht für Wien von 1943-1945, hängt [k]eine Gedenktafel für die Verfolgten und Ermordeten der NS- Militärjustiz.



Am 12. Jänner 2024 wurde von Vizekanzler und Bundesminister Werner Kogler, in Anwesenheit der Bundesminister:innen Alma Zadić und Johannes Rauch, der zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures, sowie Bezirksvorsteher Markus Figl, eine Gedenktafel am Gebäude enthüllt, die auf die NS-Geschichte des Gebäudes verweist. Im Rahmen der feierlichen Enthüllung spielte das Ensemble der Gardemusik Wien das Moorsoldatenlied.

Fallbeispiele

Gericht Div. 177, Loquaiplatz

Briefkopf Gericht der Division 177, Standort Loquaiplatz. Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Gericht der Division 177, Standort Loquaiplatz

Im Gebäude Loquaiplatz 9 befand sich ab 1939 bis zur Befreiung ein Gerichts der NS-Militärjustiz. Es war Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte.

Geschichte vor 1938
Die Geschichte des Gebäudes am Loquaiplatz 9 (mit Fronten zur Königsegggasse 10 bzw. Otto-Bauer-Gasse 7-9, damals: Kasernengasse 7-9) ist eng mit der ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung verbunden. Deren Einrichtungen litten unter Platznot, weswegen für die Arbeiter-Krankenkasse das Gebäude errichtet und 1904 bezogen wurde. Das Haus war während der Ersten Republik deshalb auch Angriffen ausgesetzt, etwa im September 1932 während des Wiener NSDAP-Gauparteitages.
Das Haus bezog 1934 – nach dem Verbot aller sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Organisationen – die austrofaschistische Einheitsgewerkschaft und eine Soldatenorganisation.

Nach dem „Anschluss“
Direkt nach dem „Anschluss“ Österreichs übernahm die Deutsche Arbeitsfront (DAF)  das Gebäude. Bald darauf meldete die Wehrmacht Verwendung an, welche zu diesem Zeitpunkt auf der Suche nach Gerichts- und Haftgebäude war. Noch 1939 übersiedelten Teile des Gerichts der Division 177 aus der Zentrale am Stubenring ins Gebäude Loquaiplatz 9.

Verfügung des Gerichts der Division 177, Standort Loquaiplatz 9 über die Vorführung eines Verdächtigen zur Hauptverhandlung (Quelle: DÖW)

Verfügung des Gerichts der Division 177, Standort Loquaiplatz 9 über die Vorführung eines Verdächtigen zur Hauptverhandlung (Quelle: DÖW)

Nutzung durch die Wehrmachtsjustiz
Im Gebäude fanden Richter und ihre MitarbeiterInnen sowie Gerichtsherren und ihre Stäbe Platz. Man nützte dazu zwei Etagen (erster Stock und Hochparterre) als Gerichts- und Büroräumlichkeiten, die Etagen darüber als Wohnungen. Zumindest 1944 diente der Standort am Loquaiplatz als „Hauptstelle“ der Division 177. Diese verfügte zu diesem Zeitpunkt über drei Standorte in Wien und eine in Brno/Brünn, elf bis 17 Richter sprachen an diesen Recht.
Unter den am Mariahilfer Standort tätigen Militärrichtern war Karl Everts, Leopold Breitler und Erich Schwinge, ein zentraler Kommentator des NS-Militärstrafrechts und nach dem Krieg Apologet der Wehrmachtjustiz.

Ansicht des Gebäudes heute (jedoch noch ohne Gedenktafel), Ecke Loquaiplatz und Königsegggasse (Bild: Alexander Wallner)

Ansicht des Gebäudes heute (jedoch noch ohne Gedenktafel), Ecke Loquaiplatz und Königsegggasse (Bild: Alexander Wallner)

Urteilsbestätigung durch Gerichtsherren
Die der Militärgerichtsbarkeit zugrundeliegende Logik verlangte eine Bestätigung jedes Urteils durch den Gerichtsherren. Der Loquaiplatz war einer jener Dienstorte von Gerichtsherren, an denen die Urteile – von der Arreststrafe bis zum Todesurteil – wirksam und gültig wurden. Für die meisten Verfahren der Division 177 war dies Generalmajor Erich Müller-Derichsweiler.

Gedenktafel, Loquaiplatz (Quelle: privat)

Gedenktafel, Loquaiplatz (Quelle: privat)

Nach 1945
Über die Befreiung des Gerichtsgebäudes ist nichts bekannt. 1948 wurde das Gebäude an den ÖGB restituiert, 1961 erwarb es die Stadt Wien. Heute beherbergt es neben zahlreichen Wohnung etwa auch die SPÖ-Mariahilf und ein städtisches Haus der Begegnung. Seit 2013 weist eine Erinnerungsstafel des Bezirks auf die Geschichte und Funktion des Gebäudes hin.

Fallbeispiel:
Johann Wimmer wurde vom Gericht am Loquaiplatz 9 im Jahr 1943 wegen Fahnenflucht als 20jähriger zum Tode verurteilt. Zwei Personen, die Wimmer halfen, ihn versteckten und mit Essen versorgten, wurden zu Haftstrafen verurteilt.
Link zur Biografie von Johann Wimmer (DÖW)
Link zum Urteil gegen Johann Wimmer (samt Adressangabe Loquaiplatz 9)

Zentralgericht des Heeres, Außenstelle Wien

Zentralgericht des Heeres, Außenstelle Wien

Über dem heutigen Amtsgebäude des Bundesheeres am Franz-Josefs-Kai 7-9 wehte bis 1945 die Reichskriegsflagge, in ihm tagte die Wiener Außenstelle des Zentralgericht des Heeres. Es war als Gericht der NS-Militärjustiz Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte.

Inserat eines Kleiderhauses, 1932, mit Anschrift (Quelle: Lehmann)

Inserat eines Kleiderhauses, 1932, mit Anschrift (Quelle: Lehmann)

Geschichte vor 1938
Der „Industriepalast“ am Franz-Josefs-Kai 7-9 war bis in die 1930er Jahre eine weithin bekannte Adresse: eine Vielzahl an Speditionen, Reisebüros, Großhandelsfirmen, Verlage und ähnlichen Unternehmen boten dort ihre Dienste an. 1932 hatten 60 Wiener Firmen dort Niederlassungen auf rund 2000 Quadratmetern, ein Beispiel siehe nebenbei. Das für Moriz Brill erbaute Gebäude wurde 1907 fertig gestellt und verfügte sogar über einen eigenen Abgang zur damaligen Stadtbahn (heute: Linie U4).

Übernahme Wehrmachtsjustiz
Die BesitzerInnen des Gebäudes wurden 1938 enteignet, das nunmehr „arisierte“ Gebäude für Dienststellen des Dritten Reiches adaptiert. Kurzfristig bezog das in Auflösung befindliche und aus dem Stubenring ausquartierte Ministerium für Wirtschaft und Arbeit das Gebäude, 1939 folgte die Wehrmacht mit verschiedenen Dienststellen.

Ausschnitt aus einer Ansicht des Franz-Josefs-Kais, 1913; Ganz rechts im Bild der Industriepalast, links die Urania (Quelle: Wiener Linien, Bildstrecke)

Ausschnitt aus einer Ansicht des Franz-Josefs-Kais, 1913; Ganz rechts im Bild der Industriepalast, links die Urania (Quelle: Wiener Linien, Bildstrecke)

Gericht der Wehrmachtskommandantur Berlin, Außenstelle Wien
Es handelte sich dabei um ein Gericht mit besonderer Zuständigkeit innerhalb der Wehrmachtsjustiz. Es war kein Höchstgericht, manche grundsätzlichen Entscheidungen aber für andere Gerichte bindend. Es wurde 1934 unter der Bezeichnung „Gericht der  Wehrmachtskommandantur Berlin“ gegründet, seit 1938 besaß es seine einzige Außenstelle in Wien. Es ist strikt vom Gericht der  Wehrmachtskommandantur Wien zu unterscheiden.
Das Gericht der Wehrmachtskommandantur Berlin war ua. zuständig für alle im Ersatzheer anfallenden Fälle von Wehrkraftzersetzung (mit Ausnahmen, etwa Selbstverstümmelung), Verstößen gegen das „Heimtückegesetz“, politischen Strafsachen, Homosexualität sowie alle Fahnenflüchtigen, die nach drei Monaten Fahndung nicht gestellt  wurden.

Über 100 Richter waren in Berlin und Wien an diesem Gericht tätig und führten rund 46.000 Verfahren. Die Zuständigkeit dieses Wiener Gerichts reichte weit in den von der Wehrmacht besetzten Osten und Süden und Westen, hier wurden Verfahren aus Griechenland, Rumänien und Frankreich verhandelt. Die Verhafteten wurden dabei nur selten dem Gericht selbst vorgeführt, meist das Urteil dem Soldaten nur verlesen und vor Ort exekutiert.

Briefkopf des Gerichts der Wehrmachtskommandantur Berlin, Außenstelle Wien mit Adresse Franz-Josefs-Kai 7-9 vom 2.Februar 1944 (Quelle: DÖW)

Briefkopf des Gerichts der Wehrmachtskommandantur Berlin, Außenstelle Wien mit Adresse Franz-Josefs-Kai 7-9 vom 2.Februar 1944 (Quelle: DÖW)

Zentralgericht des Heeres, Außenstelle Wien
Im Frühjahr 1944 wurde das Zentralgericht des Heeres gegründet  und übernahm die allermeisten Agenden des Gerichts der Wehrmachtskommandantur Berlin. Auch die Außenstelle Wien ging in diese neuen Strukturen über. Die Größe des Gerichts blieb dabei im Wesentlichen gleich, ebenso die Anzahl der Verfahren. 1945  dürften Teile des Zentralgerichts des Heeres in die Hohenstaufengasse 3 übersiedelt sein, möglicherweise wegen Platzmangel oder Schäden am Gebäude.

Briefkopf des Zentralgerichts des Heeres, Außenstelle Wien mit Adresse Franz-Josefs-Kai 7-9 vom 4.Juni 1944 (Quelle: DÖW)

Briefkopf des Zentralgerichts des Heeres, Außenstelle Wien mit Adresse Franz-Josefs-Kai 7-9 vom 4.Juni 1944 (Quelle: DÖW)

Kommandantur der Wehrmachtsstreife
Die Wehrmachtsstreife war im Wesentlichen für Fahndung nach und Festnahme von verdächtigen Soldaten zuständig. Ihr Zentrum bildete die nahegelegene Rossauerkaserne, wohin die Festgenommenen gebracht wurden und wo Verhöre und Folterungen stattfanden. Übergeordnete Stellen waren die Kommandostandorte am Franz-Josefs-Kai 7-9 und  am Kohlmarkt 8-10. Gestapo, Schutzpolizei und Wehrmachtsstreife unterstützten einander bei der Fahndung nach Verdächtigen stark, tauschten Informationen aus und bedienten sich des  gleichen Netzwerks aus InformantInnen- und DenunziantInnen. Sie überstellten sich Verhaftete, die in die jeweils anderen Zuständigkeitsbereiche fielen. Entlang des Donaukanals konzentrierten sich diese Institutionen auch räumlich:  Die Gestapo-Zentrale am Morzinplatz lag nur 400 Meter von der Kommandantur der Wehrmachtsstreife entfernt, wenige hundert Meter flussaufwärts folgten die Rossauerkaserne als Verhör- und Folterort sowie  das Polizeigefängnis Rossauerlände, das alle drei nutzten.

Eingang des Amtsgebäude Franz-Josefs-Kai 7-9 (Quelle: Alexander Wallner)

Eingang des Amtsgebäude Franz-Josefs-Kai 7-9 (Quelle: Alexander Wallner)

Frontansicht des Amtsgebäude Franz-Josefs-Kai 7-9 (Quelle: Alexander Wallner)

Frontansicht des Amtsgebäude Franz-Josefs-Kai 7-9 (Quelle: Alexander Wallner)

Nach 1945
Das Gebäude wurde bei der Befreiung leicht beschädigt. Es fiel der Republik Österreich zu, obwohl es vor der „Arisierung“ gar nicht staatlichen Stellen diente. Gleich nach 1945 nutzte die Vorgänger-Institutionen des Bundesheeres und teils auch andere Einrichtungen der öffentlichen Hand das Gebäude. Erst Anfang 1955 wurde das Gebäude formal den enteigneten BesitzerInnen restituiert und daraufhin für das Verteidigungsministerium zurückgekauft. Ab 1957 wurde das Gebäude renoviert und modernisiert, damals erhielt es auch die schmucklose, grau-braune Fassade. Seither dient es dem Verteidigungsministerium als „Amtsgebäude Franz-Josefs-Kai“, zeitweise auch als Sitz des Ministers.

Gericht der 2.Panzer-Division

Gericht der 2.Panzer-Division

Im Gebäude Otto-Wagner-Platz 5 bestand ab 1938 ein großes Gericht der Wehrmacht. Als Gerichte der NS-Militärjustiz war sie Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte.

Inserat Phönix-Versicherung, 1930, mit Anschrift (Quelle: Lehmann)

Inserat Phönix-Versicherung, 1930, mit Anschrift (Q: Lehmann)

Geschichte vor 1938
Das Gebäude wurde 1928/1929 von Ernst Epstein als Hauptsitz der Versicherungs-Gesellschaft Phönix erbaut. Die „Phönix“ war eine der größten österreichischen Versicherungen der Zwischenkriegszeit und durch Sponsoring stark mit der Innenpolitik verknüpft. Anfang 1936 erschütterte der Phönix-Skandal und seine Auswirkungen die Innenpolitik des austrofaschistischen Regimes, die Firma wurde noch 1936 liquidiert.

Übernahme Wehrmachtsjustiz
1938 übernahm gleich nach dem „Anschluss“ Österreichs Kommandantur und Gericht der 2. Panzer-Division das riesige,  siebengeschoßige Gebäude. Die 2. Panzer-Division wurde 1935 in Deutschland aufgestellt und 1938 nach Wien verlegt, im September 1939 verließ sie bedingt durch den Überfall auf Polen die Stadt wieder. Das Gericht der 2. Panzer-Division war eines von vier Divisionsgerichten zwischen März 1938 und September 1939 das in Wien tätig war. Alle befanden sich im örtlichen Nahbereich zum heutigen Landesgericht, das damals als Haftanstalt diente.

Größe und Verfahren
Über die Anzahl an Verfahren des Gerichts in diesen achtzehn Monaten bis Kriegsbeginn ist wenig bekannt, die Delikate waren meist minderschwer, oftmals Bagatellen und selten „politisch“. Am Gericht der 2. Panzer-Division dienten bis 1939 zumindest sechs Richter, darunter Karl Everts, der ab 1944 als Richter am Gericht der Division 177 ein leidenschaftliche Jagd auf Selbstverstümmler veranstaltete. Welche Behörde 1939 bis zur Befreiung das Gebäude nützte ist nicht bekannt.

Blick auf das Gebäude, heute von der Finanzmarktaufsicht benützt. Rechts im Hintergrund das Wiener Landesgericht. (Quelle: Alexander Wallner)

Blick auf das Gebäude, heute von der Finanzmarktaufsicht benützt. Rechts im Hintergrund das Wiener Landesgericht. (Quelle: Alexander Wallner)

Nach 1945
Das Gebäude übernahm die ECA Special Mission (Economic Cooperation Administration), eine US-Berhörde, die den Marshall-Plan umsetzte (Adresse: Frankhplatz 3). Ihr folgte 1958 die Österreichische Mineralverwaltung (später: OMV), ab 2009 die Finanznmarktaufsicht (FMA).

Gerichte Schwindgasse

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Schwindgasse 8 – Luftwaffen-Gericht und Reichkriegsgericht

Im Gebäude Schwindgasse 8 bestand ab 1938 ein großes Luftwaffen-Gericht, später auch eine Außenstelle des Reichkriegsgericht. Als Gerichte der NS-Militärjustiz war sie Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte.

Briefkopf eines Schreibens des Gerichts des Luftgaus an eine Wiener Haftanstalt, 1942 (Quelle: DÖW)

Briefkopf eines Schreibens des Gerichts des Luftgaus an eine Wiener Haftanstalt, 1942 (Quelle: DÖW)

Einrichtung Gericht des Luftgau
Direkt nach dem „Anschluss“ 1938 bezog in der Schwindgasse 8 das Luftwaffen-Gericht Quartier. Dabei war die örtliche Nähe zu anderen hohen Stellen der Luftwaffe (Luftflottenkommando 4 am Schwarzenbergplatz, Luftgaukommando XVII am Schillerplatz) vorteilhaft. Das Gericht firmierte seit 1938 unter der Bezeichnung „Feldgericht des Luftgaus XVII“, später auch als „Feldgericht des kommandierenden Generals und Befehlshabers im Luftgau XVII“.

Zuständigkeit und Größe
Der Luftgau XVII war sehr groß und bestand aus einem Gutteil des heutigen Österreichs und der heutigen tschechischen Republik. Alle Angehörigen der Luftwaffe – Offiziere, Soldaten sowie etliche ZivilistInnen – unterstanden dem Luftgau-Gericht so nicht speziellere oder direktere Gerichte zuständig waren. Das Gericht unterhielt auch Außenstellen, etwa in Linz und Brno. Teilweise arbeiteten bis zu acht Richter gleichzeitig an diesem Gericht, ein Dienstaufsichtsrichter führte es. Urteil des Gerichts mussten von Gerichtsherren – den jeweiligen Luftwaffen-Kommandanten – unterzeichnet werden, die meisten saßen örtlich in den oben genannten Kommandanturen.

Ausschnitt aus einer Verfahrensverfügung gegen Angehörige einer steirischen Widerstandsgruppe (OFF) zu einer Verhandlung in der Schwindgasse 8, 1944 (Quelle: DÖW 21062/85C)

Ausschnitt aus einer Verfahrensverfügung gegen Angehörige einer steirischen Widerstandsgruppe (OFF) zu einer Verhandlung in der Schwindgasse 8, 1944 (Quelle: DÖW 21062/85C)

Reichskriegsgericht
Das Reichskriegsgericht (RKG) bestand in Berlin seit 1936, nach dem „Anschluss“ 1938 dehnte es seine Zuständigkeit auf Österreich aus. Bis zum Kriegsbeginn 1939 war es vor allem für Revisionsverfahren, nebst Verfahren wegen Hoch- und Landesverrat, zuständig. Manche seiner Entscheidungen waren richtungsweisend und verbindlich für andere Kriegsgerichte. Mitte August 1943 wechselte der Gerichtssitz von Berlin nach Torgau. Der 1941 eingerichtete 4. Senat des RKG tagte spätestens ab Herbst 1944 teils in der Schwindgasse in Wien. In mehr als 10.000 Fällen wurde vom RKG Ermittlungen geführt, rund die Hälfte dann auch angeklagt.

Zuständigkeiten des Reichskriegsgerichts
Das RKG war für bestimmte Delikte zuständig, egal ob von Soldaten oder ZivilistInnen verübt. Es war vor allem zuständig für die Delikte des Hochverrats, Landesverrats, Kriegsverrats, bei Angriffen auf den Führer und Reichskanzler, bei bestimmten Fällen der Wehrkraftzersetzung . Besonders viele Fälle religiöser und politischer (Kriegsdienst)Verweigerung landeten beim RKG.

Urteilspraxis des Reichskriegsgerichts
Von den 1189 verhängten Todesurteilen wurden 1049 vollstreckt, die meisten wegen Spionage (340), Landesverrat (313) und Zersetzung der Wehrkraft (313); ferner betrafen die Urteile mehr Zivilpersonen als Militärangehörige (689 zu 500), die meisten Militärangehörige waren wiederum Teil des Heeres. (422)

Bulgarische Botschaft heute (Bild: Mathias Lichtenwagner)

Bulgarische Botschaft heute (Bild: Mathias Lichtenwagner)

Auflösung beider Gerichte
Ende März 1945 wurde das Luftwaffengericht nach Oberösterreich verlegt, es bezog in Linz und Stadl-Paura bei Lambach Quartier. Wahrscheinlich wurde auch das Reichskriegsgericht zum gleichen Zeitpunkt aus der Schwindgasse abgezogen. Gegen Richter und Bedienstete des Luftwaffen-Gerichts in der Schwindgasse wurde 1945 ein Ermittlungsverfahren nach dem Kriegsverbrechergesetz geführt, bis Mitte 1947 jedoch alle Beschuldigten enthaftet und alle Verfahren eingestellt. Die Richter gaben zwar zu Protokoll, dutzende Todesurteile gegen Deserteure und Wehrkraftzersetzer gesprochen zu haben – das blieb für sie aber ohne Konsequenzen.

Die diplomatische Vertretung Bulgariens nutzt seit 1957 das Gebäude.

Fallbeispiel:
Karl und Edgar Ulsamer wurde am 11.März 1945 vom Reichskriegsgericht in der Schwindgasse zum Tode verurteilt, während der Evakuierung des WUG X gelang ihnen jedoch die Flucht.

Feldgericht Maxingstraße

Feldgericht in der Maxingstraße 20
Die Villa in der in der Maxingstraße 20 wurde 1938 enteignet und diente ab 1941 als Luftwaffen-Feldgericht. Als Gericht der NS-Militärjustiz war es Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte.

Die Villa Trebitsch in der Maxingstraße 20, um ca. 1942 (Bild: Privatarchiv Mathias Lichtenwagner)

Die Villa Trebitsch in der Maxingstraße 20, um ca. 1942 (Bild: Privatarchiv Mathias Lichtenwagner)

Verwendung vor 1938
Die Villa ließ 1907/08 der Übersetzer, Lyriker und Journalist Siegfried Trebitsch erbauen. Nach dem „Anschluss“ 1938 war das Ehepaar Trebitsch zur Flucht gezwungen und musste sich verarmt und über 70-Jährige in der Schweiz ein neue Existenz aufbauen. Die gesamte Einrichtung der Villa wurde in einer „privaten Versteigerung“ unter BeamtInnen der Vermögensverkehrsstelle und deren Bekannten im Herbst 1940 entwendet. Mitte Jänner 1941 besichtigten erstmals Offiziere der Luftwaffe das Gebäude um es sodann für die Einrichtung eines Gerichts zu übernehmen.

Kriegsrichter des "Feldgericht des Höheren Fliegerausbildungskommandeurs 17" im Garten des Gerichts, Mai 1942 (Bild: Privatarchiv Mathias Lichtenwagner)

Kriegsrichter des “Feldgericht des Höheren Fliegerausbildungskommandeurs 17” im Garten des Gerichts, Mai 1942 (sitzend, 4.v.L.: Kriegsgerichtsrat Dr. Kunze, 5.v.L.: Kriegsgerichtsrat Dr. Schweiger) (Bild: Privatarchiv Mathias Lichtenwagner)

Luftwaffen-Gericht
Im Umfeld bestanden mehrere Einrichtungen der Luftwaffe, darunter die Zentrale des Höheren Fliegerausbildungskommandos 17 und die Luftwaffen-Kaserne am Küniglberg. Dies machte die Errichtung eines entsprechenden Gerichtes in Wien-Hietzing – weit abseits der anderen Wiener Militärgerichte – notwendig. Das Feldgericht des Höheren Fliegerausbildungskommandeurs 17 hatte ein relativ hohes Aufkommen an Verfahren, bis zu 70 pro Monat. Das Gericht war zumindest bis 1943 tätig, möglicherweise auch länger. Verfolgte der Luftwaffen-Gerichte saßen meist im WUG XXI in Wien-Floridsdorf ein, zum Tode verurteilte Soldaten der Luftwaffe wurden oft am Schießplatz Kagran hingerichtet,

Befreiung und Nicht-Rückgabe
Das Haus fiel nach der Befreiung 1945 als „Deutsches Eigentum“ der Republik Österreich zu, welche es 1946 sofort an die Tschechoslowakische Republik verkaufte. Seit diesem Zeitpunkt diente es als Residenz des tschechoslowakischen, seit 1993 als Wohnsitz des slowakischen Botschafters. Die „arisierte“ Villa und das „eingezogenes“ Vermögen wurde niemals restituiert, vor Ort erinnert heute kein Hinweis an Trebitsch oder das NS-Militärgericht – sehrwohl jedoch an den Architekten der Villa…

WUG XXI – Floridsdorf

Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Floridsdorf (WUG XXI)

In Wien wurden von der Wehrmachtsjustiz fünf Gefängnisse betrieben: Die Zentrale (WUG X) befand sich in Wien-Favoriten, die erste und größte Nebenstellen war in Wien-Floridsdorf eingerichtet. Es war Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte.  Das historische Gebäude wird auch heute noch als Gefängnis genutzt.

Bezirksgericht (rechts, Altbau) und Justizanstalt (links, moderner Bau), 2012. (Quelle: Privatarchiv Mathias Lichtenwagner)

Bezirksgericht (rechts, Altbau) und Justizanstalt (links, moderner Bau), 2012. (Quelle: Privatarchiv Mathias Lichtenwagner)

Geschichte vor 1938
Das markante und große Gebäude wurde 1896 errichtet. Es beherbergte als Amtsgebäude Bezirksgericht samt Gefangenenhaus, Polizeistation und Magistratisches Bezirksamt, zudem mehrere Wohnungen. 1905 wurde Floridsdorf ein Wiener Bezirk, das Gefangenenhaus mehrmals erweitert und erneuert – es besaß 1938 zumindest 23 Zellen.

Übernahme der Wehrmachtsjustiz
Die Wehrmachtsjustiz verfügte direkt nach dem „Anschluss“ 1938 über zu wenig Hafträume, weswegen man Gefangenenhäuser der zivilen Justiz übernahm. Das Gefängnis in der Gerichtsgasse war das Erste, noch 1938 wurden hier Soldaten inhaftiert. Zum größten Teil betraf dies Soldaten der Luftwaffe. Das Gefängnis firmierte unter dem Titel „Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Floridsdorf“ oder „Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis XXI“ sowie teils auch als „Luftwaffen-Standortarrestanstalt“.

Nutzen und Netzwerk
Einerseits wurden im WUG XXI Soldaten von ihren militärischen Verbänden bei Verdacht selbst oder von Wehrmachtsstreife und anderen NS-Behörden, etwa der Polizei oder Gestapo, eingeliefert. Andererseits verbrachten Soldaten hier auch nach ihrer Verurteilung durch die Gerichte in der Innenstadt ihre Haft- bzw. Arreststrafen oder die Zeit bis zum Weitertransport in andere Anstalten des Strafvollzugs. Wie viele Soldaten das Gefängnis von 1938 bis 1945 durchliefen ist nicht exakt bestimmbar, vorsichtige Hochrechnungen ergeben weit über 1.000 Gefangene.

Blick aus dem Gefängnis-Spazierhof auf den historischen Teil des Gefangenenhauses, 2012. (Quelle: Privatarchiv Mathias Lichtenwagner)

Blick aus dem Gefängnis-Spazierhof auf den historischen Teil des Gefangenenhauses, 2012. (Quelle: Privatarchiv Mathias Lichtenwagner)

Befreiung und Nutzung nach 1945
Die Gegend um das Gefängnis stand, bedingt durch die vielen Firmen und die Remise, im Fokus der taktischen Flugangriffen der Alliierten, wovon auch der nicht-vollendete FlAK-Bunker gegenüber dem Gefängnis zeugt. Teile des Gebäudes wurden auch durch Bomben getroffen, wahrscheinlich aber nicht der Gefängnistrakt. Es ist nichts über die Befreiung des Gefängnisses selbst bekannt, wahrscheinlich wurden die Gefangenen wie in den anderen Wehrmachtsgefängnissen rechtzeitig Richtung Westen „evakuiert“. Die Hinrichtung der Offiziere Alfred Huth, Rudolf Raschke und Karl Biedermann am 6.4.1945 am nahen Floridsdorfer Spitz durch SS bzw. SD hat nichts mit der Haftanstalt zu tun. Der Bezirk selbst wurde erst Mitte April 1945 vollständig von der Wehrmacht befreit. Das Gefängnis wird seit 1997 als Außenstelle der Justizanstalt Mittersteig verwendet.

Fallbeispiel
Erich Salda wurde in der Rossauer Kaserne verhört, saß dann bis zu seiner Verurteilung vor dem Gericht der Div. 177 am 27.10.1944 im WUG XXI ein. Er wurde am 7.2.1945 am Hinrichtungsplatz Kagran mit anderen wegen mehrfacher Selbstverstümmelung erschossen: Einmal verletzte er sich selbst absichtlich um nicht mehr dienen zu müssen, zweimal half er Kameraden – Link Erschießung (DÖW)Link Foto Erich Salda (DÖW)

WUG Döbling (WUG XIX)

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Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Döbling (WUG XIX)

In Wien wurden von der Wehrmachtsjustiz fünf Gefängnisse betrieben: Die Zentrale (WUG X) befand sich in Wien-Favoriten, eine der vier Nebenstellen war Wien-Döbling eingerichtet. Es war Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte. Das ehemalige Gefängnis dient heute der Bezirksverwaltung als Magistratsgebäude, an die frühere Nutzung während des Nationalsozialismus erinnern noch originale Zellentüren und der Spazierhof des Gefängnis.

Plan des Gefangenenhauses von ca. 1900, zu sehen etwa der Spazierhof und eine Arrestzelle im Erdgeschoß (noch heute vorhanden!) (Quelle: Privatarchiv M.L.)

Plan des Gefangenenhauses von ca. 1900, zu sehen etwa der Spazierhof und eine Arrestzelle im Erdgeschoß (noch heute vorhanden!) (Quelle: Privatarchiv M.L.)

Geschichte vor 1938
Der verwinkelte und mehrmals erweiterte Gebäudekomplex diente vor 1938 verschiedenen staatlichen Stellen, wesentlich Magistratisches Bezirksamt, Bezirkshauptmannschaft sowie dem Bezirksgericht Döbling und Währing. Den Bezirksgerichten waren damals eigenständige Gefangenenhäuser angeschlossen, welches sodann nach 1938 von der Wehrmachtsjustiz übernommen wurde.

Größe und Beschreibung
Das eigentliche Gefängnis ist an der Rückseite Richtung Süden des Objekts Gatterburggasse 12-14. Es handelt sich um ein zweigeschossiges Gebäude mit Arrestzellen auf beiden Geschossen sowie einem Keller. Der maximale Belag lag bei der Errichtung bei rund 40 Personen, wurde aber nicht selten überschritten. Heute zeugen noch Zellentüren und der ungenutzte Spazierhof von der Verwendung als Gefängnis.

Übernahme der Wehrmachtsjustiz
Die Wehrmachtsjustiz verfügte über zu wenig Hafträume, weswegen sie auch das Döblinger Gefangenenhaus übernahm. Bis Ende 1939 fand die Verwendung für das Amtsgericht Döbling (AG Döbling), das ehemalige Bezirksgericht Döbling, ein Ende. Spätestens für 1942 ist die Verwendung als Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis belegt, wahrscheinlich aber schon früher. Das Gefängnis taucht sowohl als „Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Wien, Zweigstelle Döbling“ als auch „Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Döbling“ bzw. „Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis XIX“ in den Akten auf.

Bedeutung
Das WUG XIX war eines der vier Nebenstelle im Gefängnis-Netzwerk der Wiener Militärjustiz. Nur sehr wenige Akten zu Verfahren der Wehrmachtsjustiz sind erhalten geblieben, trotzdem lässt sich vieles über den Haftalltag und die Größenordnung sagen. Die Gefangenen verbrachten hier sowohl Haftstrafen, Untersuchungshaft als auch die Zeit bis zum Weitertransport in andere Gefängnisse – etwa ins Wehrmachtsgefängnis Groß-Mittel (Wiener Neustadt) oder Wehrmachtsgefängnis Glatz; Arreststrafen hingegen keine. Neben der Wehrmachtsstreife lieferten auch andere Stellen des NS-Staates, etwa die Gestapo, Gefangene hier ein oder holte sie ab. Leiter des WUG Gatterburggasse waren scheinbar Emil Riedel sowie Martin Mauser.

Befreiung und Nutzung nach 1945
Es ist nichts über die Befreiung des Gefängnisses selbst bekannt, wahrscheinlich wurden die Gefangenen wie in den anderen Wehrmachtsgefängnissen rechtzeitig Richtung Westen „evakuiert“. Der Bezirk Döbling selbst wurde um den 9. April 1945 durch die Rote Armee befreit. Heute nutzt der Bürgerdienst der Stadt Wien den im Erdgeschoss gelegenen Teil des ehemaligen Gefangenenhauses. Der erste Stock, wo sich die meisten Zellen befanden, wurde zu Schulungsräumen für SchülerInnen und Kindergruppen umgebaut. Der Großteil der für ein Gefangenenhaus typischen Einrichtung wurde entfernt, lediglich eine ehemalige Zellentür mit Guckloch und eine Klappe für Essen sowie der der Spazierhof für die Gefangenen sind noch vorhanden.

Fallbeispiel
Das Schicksal des Kärntner Hermann Pischelsberger, der im WUG Döbling einsaß und in Kagran hingerichtet wurde – Link Fallgeschichte (Erinnern Villach)

Chronologie des Denkmalprozesses

Dezember 2010: Koalitionsvereinbarung der rot-grünen Stadtregierung: Entscheidung zur Errichtung eines Denkmals für Deserteure der Wehrmacht in Wien.

Mai 2011: Auf Initiative des Personenkomitees „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“ (im folgenden „Personenkomitee“) und den Grünen erstes Treffen zwischen Vertretern des Personenkomitees und SP-Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (Kulturabteilung der Stadt Wien, kurz: MA 7). Letzterer stellt die baldige Bildung einer Arbeitsgruppe in Aussicht, die wissenschaftliche Grundlagen und andere wichtige Voraussetzungen für den Denkmalprozess erarbeiten sollte. Das Personenkomitee kritisiert kurz darauf in einem Schreiben an den Stadtrat den aus seiner Sicht fehlenden Nachdruck der MA 7 hinsichtlich eines konkreten Umsetzungsplans. Der Stadtrat verwahrt sich in einem Antwortschreiben vom 23. Mai gegen den Vorwurf der „Ärmelschonermentalität“ von Seiten des Personenkomitees – Initiativen des Stadtratbüros für das Projekt bleiben dann allerdings bis zum Herbst aus.

Oktober 2011: Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz in Kagran: Kulturstadtrat Mailath-Pokorny spricht sich in einer Rede für die zügige Errichtung des Denkmals aus und nennt als Termin der Fertigstellung das Jahr 2012. Grüne und Personenkomitee bringen verschiedene Persönlichkeiten zur Leitung einer Kommission ins Gespräch, die den Denkmalprozess koordinieren soll,darunter die damalige Leiterin des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands (DÖW) Brigitte Bailer, die Rektorin der Akademie für Bildende Künste Eva Blimlinger, die ehemalige Grüne Wiener Stadträtin Friedrun Huemer, den Politikwissenschaftler Walter Manoschek, die damalige Volksanwältin Terezija Stoisits sowie den ehemaligen Obmann des grünen Parlamentsklubs Andreas Wabl. Daraufhin benennt die MA 7 als ihren Kandidaten mit Manfried Rauchensteiner den ehemaligen Leiter des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien.

November 2011: Konstituierende Sitzung des Gremiums, das den Denkmalprozess koordinierend begleiten soll. Darin vertreten sind verschiedene Magistratsabteilungen der Stadt Wien wie die MA 9 (Wien Bibliothek im Rathaus), die MA 8 (Wiener Stadt- und Landesarchiv), die MA 7 (Kulturabteilung der Stadt Wien), die MA 19 (Architektur und Stadtgestaltung), ferner das DÖW, das Personenkomitee, sowie FachwissenschaftlerInnen (Magnus Koch, Peter Bruck) und mit der ehemaligen grünen Stadträtin Friedrun Huemer eine Aktivistin der ersten Stunde; mit Karl Albrecht-Weinberger und Magnus Koch werden zwei Koordinatoren benannt, die die organisatorische und inhaltliche Arbeit vorantreiben sollen. Die Kommission setzt sich zum Ziel, das Denkmal innerhalb eines Jahres zu errichten.

Drei Arbeitsgruppen in der Kommission haben die Aufgabe, Vorschläge zu den Themenbereichen Standort, Inhalt und Nachnutzung/Vermittlung zu erarbeiten – die letztendliche Entscheidung über den Standort des Denkmals bleibt allerdings den politischen EntscheidungsträgerInnen vorbehalten (Bürgermeister, Klubobleute der Koalitionsparteien). Im Rahmen dieser ersten Sitzung wird auch entschieden, die künstlerische Gestaltung des Denkmals in einem Wettbewerb auszuschreiben. Auf Vorschlag von Stadtrat Mailath-Pokorny wird zur Abwicklung des geplanten Wettbewerbs die städtische KÖR (Kunst im öffentlichen Raum GmbH) beauftragt.

Dezember 2011: Erste Sitzung der AG (Arbeitsgemeinschaft) zur Standortfrage des Denkmals. Eine Vorschlagsliste möglicher Örtlichkeiten liegt vor: Heldenplatz, Ballhausplatz, Friedrich-Schmidt-Platz, Grete-Rehor-Park, Julius- Raab-Platz, Schottengasse/Bastei, Schwarzenbergplatz, Elderschplatz, Ostarrichi Park, Rossauer Lände, Schlickplatz und Schmerlingplatz, erarbeitet vom Politikwissenschaftler Mathias Lichtenwagner. Das Personenkomitee favorisiert den Heldenplatz als gewünschten Standort für das Denkmal. Die MA 7 und MA 19 äußern demgegenüber Bedenken, weil dies pragmatisch und politisch schwer durchsetzbar sei. Inhaltlich schlägt das Personenkomitee vor, die vielen Wiener Standorte der NS-Militärjustiz (Dienststellen, Gerichtstandorte, Haft- und Hinrichtungsstätten) in das Denkmalkonzept einfließen zu lassen und damit sichtbar zu machen.

Januar 2012: Erste Sitzung der AG zur Frage der wissenschaftlichen Grundlagen: Über den im Vorfeld ausgesandten Widmungstext (Mission Statement) herrscht im Wesentlichen Konsens und es werden verbindliche Kriterien für den Standort festgelegt: Zentralität, gedenkpolitische und inhaltliche Relevanz, Würde des Ortes.

Anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktages am 27. Jänner, Beginn einer medialen Debatte um den Heldenplatz als künftigem Denkmalstandort: Kameradschaftsbund und FPÖ sprechen sich allgemein gegen das Deserteursdenkmal aus. Der grüne Nationalratsabgeordneter Harald Walser favorisiert in der Presse den Heldenplatz, Verteidigungsminister Norbert Darabos und der Wiener Professor für Zeitgeschichte Oliver Rathkolb sprechen sich gegen diesen Standort aus – befürworten das Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz allerdings grundsätzlich. Der Kulturstadtrat korrigiert den im Oktober formulierten Zeitrahmen und spricht nun vom ersten Halbjahr 2013 als neue Zielvorgabe zur Fertigstellung des Denkmals. Das Personenkomitee kündigt an, das Gespräch mit dem für den Heldenplatz auf Seiten des Bundes zuständigen Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) zu suchen.

Februar 2012: Ortstermin am Heldenplatz: VertreterInnen der AG Standort treffen Burghauptmann Reinhold Sahl und einen Vertreter des Bundesdenkmalamtes. Im Zuge des Gesprächs deutet der Burghauptmann an, dass gegenwärtig an einem neuen Raumnutzungskonzept für den Heldenplatz gearbeitet werde und daher die Umsetzung neuer Projekte unwahrscheinlich sei.

März 2012: Zweite Sitzung der AG Standort. Die Liste möglicher Denkmalstandorte verkürzt sich auf fünf Örtlichkeiten: Heldenplatz, Ballhausplatz, Grethe-Rehor-Park, Rossauer Lände und Julius-Raab- Platz. Die MA 7 stellt fest, dass die vom Personenkomitee in die Diskussion gebrachte Fläche am Ballhausplatz im städtischen Besitz ist – hier also die Entscheidung wesentlich einfacher herbeizuführen wäre als am Heldenplatz. Grünen-Klubchef David Ellensohn spricht sich in einem Beitrag des Fernsehmagazins Report für die Standorte Heldenplatz oder Ballhausplatz aus, Stadtrat Mailath-Pokorny will sich hingegen nicht festlegen; die Autoren des Beitrags fürchten „kleinliches Gezerre“ um den Standort. Auf Initiative des Personenkomitees kommt es zu einem Treffen zwischen Thomas Geldmacher (Obmann des Personenkomitees), Magnus Koch (mit der wissenschaftlichen Beratung der Stadt Wien in Sachen Deserteursdenkmal betrauter Zeithistoriker) und dem damaligen Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien Oliver Rathkolb. Dabei werden die Standorte Heldenplatz/Ballhausplatz erörtert.

April 2012: Zweite Kommissionssitzung in der MA 7: Verabschiedung des Mission Statements für das Denkmal. Standort Heldenplatz wird nun prioritär sondiert – bis Ende Mai sollen erste Ergebnisse dieser Sondierung vorliegen; der Stadtrat stellt in einem Interview mit der Kronen Zeitung fest, dass das Denkmal bis Ende 2013 fertiggestellt sein soll; der ORF bringt einen Zeit im Bild-Beitrag zur Frage des künftigen Denkmalstandortes.

In der Kommissionssitzung sprechen sich mehrere Anwesende für den Standort Ballhausplatz aus, vor allem aufgrund des Vorteils, dass die Liegenschaft im alleinigen Besitz der Stadt Wien ist: Im Gegensatz zum Heldenplatz müssten hier nicht divergierende Interessen unterschiedlicher Anrainer aufeinander abgestimmt und Belange des Denkmalschutzes nicht im Kontext eines neuen Raumnutzungskonzeptes berücksichtigt werden.

Mai 2012: Vertreter des Personenkomitees und der Nationalratsabgeordnete Alexander Van der Bellen (Grüne) treffen den für den Heldenplatz zuständigen Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Dieser signalisiert Offenheit hinsichtlich des Standortes Heldenplatz, formuliert als notwendigen nächsten Schritt allerdings eine direkte Ansprache durch die Stadt Wien und regt die Bildung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe an, die den Prozess der Verwirklichung des Denkmals vorantreibt.

Stadtrat Mailath-Pokorny äußert sich in der Kronen Zeitung zur Diskussion um die Neugestaltung der Krypta am Heldenplatz. Er regt an, „die nahen Asphaltflächen auch für weitere Opfergruppen zu nutzen.“ Damit könne – so der Stadtrat – „ein zentraler Gedächtnisort der jüngeren österreichischen Geschichte entstehen.“ Der Entscheidungszeitraum dafür sei „spätestens in einem Jahr“. Daraufhin werfen Grünen-Klubchef Ellensohn und der Ehrenobmann des Personenkomitees, Richard Wadani, dem Stadtrat ebenfalls in der Kronen Zeitung eine „Verzögerungstaktik“ vor. Stadtrat Mailath-Pokorny dementiert und sichert im Gespräch mit dem Kurier zu, dass der Zeitplan zur Enthüllung des Deserteursdenkmals im Jahr 2013 nach wie vor gelte, zumal Gespräche mit dem Wirtschaftsminister im Laufen seien.

Juni 2012: Verteidigungsminister Darabos spricht sich gegenüber dem Kurier erstmals öffentlich für den Denkmalstandort Heldenplatz aus; die MA 7 stellt ein baldiges Treffen Mailath-Pokornys und des Wirtschaftsministers in Aussicht; am 6. Juni trifft der Zeithistoriker Magnus Koch die Generaldirektorin der österreichischen Nationalbibliothek, Johanna Rachinger, um ihre Position zum Standort Heldenplatz zu sondieren – sie äußert sich in dieser Frage grundsätzlich positiv; gleichzeitig positioniert sich Kunstsenatspräsident Josef Winkler in einem APA-Gespräch zugunsten eines Deserteursdenkmals auf dem Heldenplatz; Bundesdenkmalamt und Burghauptmannschaft verhalten sich abwartend und verweisen darauf, dass dies noch Sache der Stadt sei. Am 23. Juni widmen die Salzburger Nachrichten den Deserteuren der Wehrmacht und der Frage nach dem Umgang mit dem Thema eine umfangreichen Wochenendbeilage.

Im Juni 2012 beschließt zeitgleich die Hamburger Bürgerschaft einstimmig (SPD, CDU, Grüne und FDP), dass auch in der Hansestadt ein Deserteursdenkmal an zentraler Stelle errichtet werden soll.

Juli 2012: Am 3. Juli äußert sich die Zeithistorikerin Heidemarie Uhl gegenüber derm ORF zum Umbau der Krypta am Heldenplatz. Anlass ist das Auffinden des Namens eines NS-Kriegsverbrechers in den Totenbüchern der Krypta. Uhl plädiert für die Einbindung des Deserteursdenkmals in die bereits bestehende Gedenkstätte am Äußeren Burgtor. Nur wenige Wochen zuvor, am 23. Juni 2012, hatte sie im Standard grundsätzliche Kritik an der gedenkpolitischen Konstellation am Heldentor geübt. Das Personenkomitee reagiert am nächsten Tag mit einer OTS-Aussendung, in der sie die Position Uhls kritisiert: Eine Vermischung des Gedenkens an die toten Wehrmachtssoldaten und die Verfolgten der NS-Militärjustiz würde „das nationale Opferkollektiv der Achtzigerjahre“ wieder erstehen lassen.

August 2012: Die Sommermonate stehen im Zeichen des Wartens auf eine Entscheidung in der Standortfrage. Die Fakten liegen spätestens seit dem Frühjahr auf dem Tisch, allerdings ist kein Fortschritt in der Sache erkennbar. Der Kurier zitiert Experten wie Walter Manoschek, Eva Blimlinger und Brigitte Bailer, die ihrer Sorge Ausdruck verleihen, dass den Deserteuren die Zeit davon läuft. Wenig später ist im Standard zu lesen, dass die Errichtung des Denkmals „verschleppt“ werde. Thomas Geldmacher vom Personenkomitee kritisiert vor allem das fehlende Engagement seitens der Stadt. Das Büro der Kulturabteilung dementiert dies einmal mehr und stellt fest, dass das Projekt voll im Zeitplan sei. Unklar bleibt allerdings weiterhin, welche Initiativen ergriffen werden, um die Möglichkeiten der jeweiligen Standorte Heldenplatz und Ballhausplatz auszuloten.

September 2012: Nachdem sich abzeichnet, dass sich hinsichtlich des Standorts Heldenplatz kaum etwas bewegen lässt (Bericht in Ö1), setzt sich das Personenkomitee aus pragmatischen Gründen nun auch öffentlich für den Ballhausplatz als Denkmalstandort ein. Der Ballhausplatz ist aus unterschiedlichen Gründen eine gute Wahl: Die Lage des Denkmals direkt gegenüber von Bundeskanzleramt und dem Sitz des Bundespräsidenten, so der Historiker Magnus Koch, wäre auch „ein Bekenntnis des neutralen Österreich zu Rechtsstaatlichkeit, Zivilcourage und der Freiheit des Einzelnen gegenüber staatlicher Verfolgung.“ Gleichzeitig bestehen Sichtbeziehungen sowohl zum „Hitler-Balkon“, dem Symbol für die staatliche Selbstaufgabe Österreichs im Jahr 1938, als auch zum Äußeren Burgtor mit seinen zentralen Gedenkstätten für die gefallenen Soldaten der beiden Weltkriege sowie für die Toten des Widerstandskampfes gegen den Nationalsozialismus.

Das Personenkomitee entscheidet, die seit 2002 alljährlich am 26. Oktober stattfindende Gedenkfeier zur Erinnerung an die Opfer der NS-Militärjustiz erstmals – auch ohne Denkmal – am Ballhausplatz abzuhalten, und nicht wie bisher am ehemaligen Militärschießplatz in Wien-Kagran. Am 20. September 2012 melden sich als Teilnehmer Clemens Jabloner (damaliger Präsident des Verwaltungsgerichtshofes), Eva Blimlinger (Rektorin der Akademie der Bildenden Künste), Albrecht Konecny (ehem. SP-Bundesrat und Abgeordneter im EU-Parlament), Alexander Van der Bellen (ehemaliger Bundessprecher der Grünen) und Johannes Jarolim (Justizssprecher der SP) an. Die Bundespolizeidirektion Wien sagt zwar ab – die Anmeldungen zeigen jedoch, wie prominent und breit aufgestellt die Unterstützung für ein Deserteursdenkmal am Ballhausplatz ist.

Oktober 2012: Der Monat, in dem Richard Wadani, Wehrmachtsdeserteur und Ehrenobmann des Personenkomitees, seinen 90. Geburtstag feiert, bringt die Entscheidung. Wadani äußerte sich wegen der langsamen Entwicklung gegenüber dem Standard mit deutlichen Worten: „Ich glaube, die wollen kein Denkmal.“ Am 12. Oktober dann die überraschende Entscheidung: Kulturstadtrat Mailath-Pokorny und Grünen-Klubchef Ellensohn verkünden, dass das „Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz“ – so die offizielle Bezeichnung – am Ballhausplatz errichtet und die Stadt Wien in diesem Kontext einen KünstlerInnenwettbewerb ausschreiben wird. Enthüllt werden sollte das Denkmal im Jahr 2013.

Neben dem Kameradschaftsbund, der sich gegenüber der Denkmalserrichtung bereits zuvor ablehnend geäußert hat, reagiert nun auch die FPÖ. Sie protestiert gegen das Denkmal, zumal Desertion bis heute „international geächtet“ sei. Damit bleibt die Partei ihrer jahrzehntelangen Position treu, nicht zwischen dem Zweiten Weltkrieg als völkerrechtswidrigem Angriffs- und Vernichtungskrieg und anderen bewaffneten Konflikten, bzw. zwischen dem Verhalten von Soldaten in der Wehrmacht und Bundesheer, differenzieren zu wollen.

Auf einem Rathausempfang anlässlich des 90. Geburtstages von Richard Wadani würdigt der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) Wadanis Lebenswerk und bringt Scham darüber zum Ausdruck, dass eine Anerkennung der Opfer der NS-Militärjustiz in Wien erst so spät stattfindet.

November 2012: Auch internationale Medien berichten über den Wiener Beschluss: Le Monde und die BBC greifen das Thema auf und die deutsche tageszeitung meldet die Entscheidung der Stadt Wien, das Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz am Ballhausplatz errichten zu wollen. Gleichzeitig stellen Wiener FP-Bezirksräte der Inneren Stadt einen Antrag, das Deserteursdenkmal nicht zu errichten, da dies vom Bundesheer als Provokation empfunden werden müsse.

Der Wiener Kulturausschuss beschließt ein Budget von 220.000 Euro für das zu errichtende Denkmal. Darin enthalten sind das Honorar für die beteiligten Kunstschaffenden, die Bau- und Erdarbeiten sowie die Ausrichtung des Wettbewerbs, die die KÖR später an eine externe Firma vergeben wird. Nicht enthalten im Budget ist Geld für die notwendige Konzeptionierung für die Vermittlungsarbeit rund um das Denkmal (begleitende Website, Bildungs- und Informationsarbeit für Schulen und Universitäten, Vermittlungsarbeit für TouristInnen usw.).

Die KÖR plant einen geladenen Wettbewerb mit folgendem Zeitplan: Bis zum Februar 2013 sollen Wettbewerbsunterlagen mit inhaltlichen und formalen Kriterien zur Denkmalsgestaltung vorliegen; bis Frühjahr 2013 soll entschieden sein, welche KünstlerInnen geladen werden. Im Sommer desselben Jahres sollte der Wettbewerb abgeschlossen sein.

Zeitgleich meldet der Standard, dass auch die Stadt Bregenz im Vorarlberg ein Deserteursdenkmal errichten will. Der Bregenzer Kulturausschuss setzt dafür eine Arbeitsgruppe ein, die bis Februar 2013 Vorschläge erarbeiten soll.

Dezember 2012: In der KÖR findet am 17. Dezember die konstituierende Sitzung des Wettbewerb-Beirats statt. Dabei werden Grundzüge des auszurichtenden Wettbewerbs festgelegt. Die Vorstellungen der Beteiligten gehen – vor allem was die Zahl der einzuladenden KünstlerInnen betrifft – auseinander. Die KÖR denkt an insgesamt fünf bis sieben KünstlerInnen, während das Personenkomitee eine umfangreichere Vorschlagsliste vorlegt und von mindestens 15 Teams oder Einzelpersonen ausgeht, um eine ausreichende Vielfalt an Einreichungen, die auch internationalen Standards genügen, zu gewährleisten.

Zudem kritisiert das Personenkomitee, dass der Betrag von 220.000 Euro nicht ausreichend erscheint, um der Bedeutung des Denkmals gerecht zu werden.

Die von der MA 7 im November 2011 eingesetzten Kommissionen zur begleitenden Beratung zum Denkmal werden nicht wieder tagen. Eine Arbeitsgruppe zur Frage der Nachnutzung des Denkmals wird – anders als in der konstituierenden Sitzung der Hauptkommission im November 2011 vorgesehen – nicht eingesetzt. Die Nachnutzungsfrage ist damit aus dem Denkmalprojekt ausgeklammert.

Januar 2013: Der von der Stadt Wien für die inhaltlichen Belange des Denkmals beauftragte Historiker Magnus Koch sondiert bei ersten Wiener Institutionen das Interesse an einer Kooperation in Sachen Vermittlungsarbeit rund um das Denkmal am Ballhausplatz. Von Jänner bis März führt er Gespräche mit Vertretern des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, dem Wiener Stadt- und Landesarchiv, dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands, der Wien Bibliothek, der WienTourismus sowie den ViennaTouristguides.

Zeitgleich beschließt in Bregenz eine Arbeitsgruppe im Auftrag des Kulturamtes der Stadt die Ausschreibung eines internationalen Ideenwettbewerbs zu einem Deserteursdenkmal, das bis zum Frühjahr 2014 errichtet sein sollte. Ab Mai 2013 soll aus den eingegangenen Ideen eine Auswahl getroffen und die jeweiligen KünstlerInnen eingeladen werden, einen ausführlichen Entwurf einzureichen. Eingerichtet werden soll außerdem eine international besetzte Jury.

Februar 2013: Die Planungen für die konstituierende Sitzung des Beurteilungsgremiums in Wien laufen; im Vorfeld des Treffens kritisiert der Historiker Peter Pirker, ebenfalls Mitglied des Personenkomitees, im Standard die schlechte finanzielle Ausstattung des Denkmals: „Man versucht das Denkmal möglichst klein zu halten.“ Auch die vom Personenkomitee als Vertreterin im Beurteilungsgremium benannte Juliane Alton (Geschäftsführerin der IG Kultur Vorarlberg und Vorstandsmitglied der IG Kultur Österreich) kritisiert gegenüber Andreas Koller von den Salzburger Nachrichten, dass das Budget zu klein, und die technischen und formalen Bedingungen für die KünstlerInnen zu restriktiv seien. Vergleichbare Denkmale in der Bundesrepublik Deutschland, etwa für die ermordeten Sinti und Roma, seien mit 2,8 Millionen Euro budgetiert – ein „lebendiges Denkmal“ sei offenbar von Seiten der Stadt Wien nicht erwünscht. VertreterInnen der KÖR sowie der Stadt halten dem entgegen, das Projekt sei finanziell gut ausgestattet.

März 2013: Das Beratungsgremium tagt erstmals am 5. März in Wien. Im Gremium vertreten sind:

  1. Juliane Alton, Personenkomitee „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“
  2. Berthold Ecker, Stadt Wien, MA 7
  3. Bernhard Engleder, Stadt Wien, MA 28
  4. Thomas Geldmacher, Personenkomitee „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“ (in der ersten Sitzung vertreten durch Peter Pirker)
  5. Lilli Hollein, KÖR Jury
  6. Anna Jermolaewa, Künstlerin
  7. Franz Kobermaier, Stadt Wien, MA 19
  8. Martin Kohlbauer, Architekt (Jury-Vorsitzender)
  9. Dirk Luckow, KÖR Jury
  10. Heidemarie Uhl, Historikerin

Ohne Stimmberechtigung sind vertreten:

  1. Wolfgang Ablinger, Stadt Wien MA 28
  2. Joachim Chen, Stadt Wien, MA 42
  3. Gerhard Dully, Stadt Wien, MA 33
  4. Magnus Koch, Historiker
  5. Martin Scherer, Stadt Wien, MA 34
  6. Monika Trimmel, werkraum wien, Vorprüferin
  7. Richard Wadani, Zeitzeuge und Ehrenobmann des Personenkomitees „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“

Die Beschlüsse und Beratungen des Gremiums werden vertraulich behandelt. Laut OTS-Meldung vom 6. März gibt die KÖR bekannt, dass 11 KünstlerInnen bzw. Teams für den Wettbewerb eingeladen wurden. Im März verschickt die Firma kultursupport.at die Wettbewerbsunterlagen an die geladenen KünstlerInnen.

Unterdessen fordert auch Grünen-Obfrau Ewa Glawischnig eine Verdoppelung des Budgets für das Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz, zumal auch der Bund Verantwortung übernehmen müsse.

Die HistorikerInnen Lisa Rettl und Magnus Koch reichen ein Konzept nebst Projektantrag für die Informationsvermittlung rund um das Denkmal am Ballhausplatz bei Zukunftsfonds und Nationalfonds ein.

April 2013: Am 8. April findet am Ballhausplatz eine Ortsbegehung mit den geladenen KünstlerInnen statt: Luis Camnitzer, Claire Fontaine, Vera Frenkel, Johanna und Helmut Kandl, Ernst Logar, Olaf Nicolai, Nicole Six und Paul Petritsch, Michael Seilstorfer, Heimo Zobernig. Aufgezeichnet auf den Asphalt ist jene Fläche, die für die Denkmalsgestaltung genutzt werden kann. Diskutiert werden vor allem technische Fragen (Licht, Strom, Bauliches usw.). Im Anschluss findet in der IG Architektur ein inhaltlich angelegter Workshop für allfällige Nachfragen statt, in dessen Rahmen Magnus Koch und Richard Wadani als Zeitzeuge auf die historischen und aktuellen Belange des Themas eingehen.

Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg beschließt unterdessen, für das von der Bürgerschaft einstimmig beschlossene Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz 730.000 Euro bereitzustellen. In der Senatsdrucksache wird die Empfehlung ausgesprochen, das Denkmal in der Nähe des Kriegerdenkmals für die Gefallenen des Hamburger Infanterie-Regiments 76 am Dammtorbahnhof zu errichten. Dieser Standort ist zentral gelegen und markiert zugleich den wichtigsten Ort der Auseinandersetzung um die Kriege des 20. Jahrhunderts in der Hansestadt.

April/Mai 2013: Am 28. Juni findet die entscheidende Jury-Sitzung in den Räumen der KÖR statt. Eingereicht hatten acht Künstlerinnen und Künstler aus dem In- und Ausland. Den Wettbewerb gewinnt schließlichder aus Berlin stammende Künstler Olaf Nicolai (OTS).

August 2013: Einreichung eines Projektantrags zur Nachnutzung/Vermittlung des Denkmals bzw. zur begleitenden Vermittlungsarbeit bei der MA 7 (Kultur) der Stadt Wien, später auch beim Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur.

Oktober 2013: Der Kulturstadtrat stellt gegenüber den Salzburger Nachrichten erstmals den zuvor ventilierten Eröffnungstermin 8. Mai 2014 in Frage und gibt bekannt, dass nun Herbst 2014 als Fertigstellungstermin angepeilt werde.

Februar 2014: Treffen der KÖR mit dem Künstler Olaf Nicolai, Kulturstadtrat Mailath-Pokorny und Klubchef Ellensohn am Ballhausplatz. Im Abendjournal des ORF nennt der Kulturstadtrat als möglichen Eröffnungstermin den 26. Oktober 2014. Spätestens bis dahin sollten auch „Vorschläge oder weiterführende Initiativen“ in Sachen Nachnutzung präsentiert werden. Konzeptionelle Vorarbeiten zum Denkmal könnten demnach also erst nach der Eröffnung im Herbst begonnen werden.

Unterdessen mahnen das Personenkomitee gemeinsam mit dem Künstler Olaf Nicolai eine rechtzeitige Planung und Gestaltung der Eröffnungsfeier ein. In einer Sitzung mit der KÖR unterbreiten Personenkomitee und Olaf Nicolai Vorschläge für ein künstlerisches und musikalisches Programm. Von Seiten der KÖR heißt es, dass es kein Budget für die Feier gebe.

März/April 2014: Das Personenkomitee lädt anlässlich des bevorstehenden Jahrestages der Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus am 8. Mai zu einer Festveranstaltung unter dem Motto „Hier entsteht ein Denkmal für Deserteure!“.

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Die Veranstaltung findet an der Denkmal-Baustelle am Ballhausplatz statt. Zu den FestrednerInnen gehören die Historikerin Heidemarie Uhl, Grünen Klubchef Ellensohn und Justizsprecher Albert Steinhauser.

Mai 2014: Anlässlich der Feierstunde zum 8. Mai am Ballhausplatz kritisiert Thomas Geldmacher in einem Interview mit dem Kurier die nach wie vor ungeklärte Fragen zu Eröffnungstermin sowie das Fehlen von Plänen zur Einweihungsfeier. Das Büro des Kulturstadtrats stellt fest: „Zeitnah zur Eröffnung wird auch die Nachnutzung feststehen.“

Juli 2014: Unterdessen gehen die Arbeiten zur Errichtung des Denkmals weiter. Ein Eröffnungstermin wird öffentlich nicht genannt. Auch in die Frage der Nachnutzung kommt etwas Bewegung: Nachdem das Unterrichtsministerium logistische Unterstützung in Aussicht gestellt hatte, teilt der Nationalfonds der Republik Österreich dem Personenkomitee mit, das Nachnutzungsprojekt teilfinanzieren zu wollen; der Zukunftsfonds beteiligt sich schließlich ebenfalls und auch die Stadt Wien übernimmt einen Teil der Kosten für ein Maßnahmenpaket rund um die Informationsvermittlung.

August/ September 2014: Als Eröffnungstermin steht nun der 24. Oktober fest.

Oktober 2014: Das Denkmal wird am 24. Oktober am Ballhausplatz eröffnet (vgl. die ausführliche Dokumentation der Eröffnungsfeier).

 

Literaturhinweise

Magnus Koch: Deserteure vor dem Kanzleramt. In: Gedenkdienst Jg. 2013, Nr. 1., S.1/2.

Hannes Metzler: „Daraus kann etwas entstehen“. Das Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz am Ballhausplatz (2000-2014). In: Alton, Juliane; Geldmacher, Thomas; Koch, Magnus; Metzler, Hannes (Hg.): „Verliehen für die Flucht von den Fahnen“. Das Wiener Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz, Wien 2016, S. 30-47.

Mahnwache des KZ-Verbands am Deserteursdenkmal

Der Landesverband Wien des KZ-Verbands hat am 30.1.2015 (bei schlechtem Wetter) eine Mahnwache am Deserteursdenkmal am Ballhausplatz abgehalten und einen Kranz niedergelegt. Im Folgenden zwei Videos und der Einladungstext.

Mahnwache im Gedenken an die Deserteure

Datum / Uhrzeit
30.01.2015
13:30 – 17:30

Mahnwache und Kranzniederlegung
beim Deserteursdenkmal (Wien I, Ballhausplatz)

Während Burschenschafter, die am selben Tag auf der anderen Seite des Heldenplatzes, in der Hofburg, tanzen, in Wehrmachtsdeserteuren “Verräter” sehen, ehren wir sie als die eigentlichen Helden, nach denen dieser Platz benannt sein sollte.
Viele der Deserteure verweigerten aus politischer Gegnerschaft zum NS-Regime den Gehorsam und liefen zu jenen “Feinden” über, die für die Befreiung Europas – und damit Österreichs – von der Nazi-Barbarei kämpften. Doch auch jene, deren Desertion keine unmittelbar politischen Motive hatte, halfen durch ihre mutige Tat mit, die Wehrmacht zu schwächen und damit den Krieg abzukürzen und die deutsche Niederlage zu beschleunigen.

Ihnen zu Ehren legt der KZ-Verband um 13:30 Uhr einen Kranz nieder und hält anschließend bis zum Beginn der Kundgebungen gegen den Burschenschafterball eine Mahnwache ab. (Quelle)

Zwei Videos wurden von Renate Sassmann davon angefertigt und veröffentlicht, welche im Folgenden auch gezeigt werden sollen:

Video Nr. 1: “Friedl Garscha – Mahngedenken an unsere wahren Helden”, ebenso am 30.1.2015 (auch direkt bei youtube anschaubar):

Video Nr. 2: “Mahnwache des KZ-Verbandes beim Deserteurdenkmal am 30.1.2015” (auch direkt bei youtube anschaubar):

Eröffnungsfeier des Deserteursdenkmals

Am 24. Oktober 2014 wurde durch einen Festakt am Ballhausplatz das Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz eröffnet. Denkmalsetzerin ist die Stadt Wien.

Im Folgenden dokumentieren wir wichtige Aspekte der Eröffnungsfeier. Anbei das Programm, eine Sammlung von Fotos, Hörfiles und Videos sowie weitergehende Reaktionen und Resonanzen.

Programm:

  • M!M – Eine Choreografie von Laurent Chétouane, gemeinsam erarbeitet und getanzt von Mikael Marklund, 2013/14 (einen digitalen Skizzenblock zur Choreografie finden Sie hier).
  • Martina Taig, Geschäftsführerin KÖR (Kunst im öffentlichen Raum)
  • David Ellensohn, Klubobmann der Grünen Wien Video
  • Walter Manoschek, Politikwissenschaftler Redetext

Friedrich Cerha, Spiegel VI, aus dem Zyklus Spiegel I-VII für großes Orchester und Tonband, 1960/61, Klangforum Wien, ORF Symphonie Orchester Wien, Leitung: Friedrich Cerha

 

  • Michael Häupl, Bürgermeister der Stadt Wien
  • Richard Wadani, Zeitzeuge und Deserteur
  • Kathrin Röggla, Schriftstellerin Redetext
  • Josef Ostermayer, Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst Redetext
  • Heinz Fischer, Bundespräsident der Republik Österreich Dokumentation

Chor Gegenstimmen, Sag Nein!, 2014 (ein Auszug aus der Ode an den Deserteur von Frederic Rzewski, Text: Kurt Tucholsky / Wolfgang Borchert)

Die Veranstaltung ist als Hördokument überliefert vom clultural broadcasting archive.
Die Bundesvereinigung “Opfer der NS-Militärjustiz” aus Bremen übermittelte anlässlich der Eröffnung folgende Grussadresse.

Fotos Iris Ranzinger, freundlicherweise überlassen von KÖR – Kunst im öffentlichen Raum.

WUG Favoriten

„Da saß schon einer drin, ein Fahrer, am Steuer. Der eine hat sich nach vorne hingesetzt und der Gefreite hinten zu mir. Das war ein Erlebnis. Nach Monaten im Gefängnis. Von Mai bis Oktober habe ich kaum das Tageslicht gesehen, und jetzt saß ich in einem offenen Wagen. […] Trotzdem, ich konnte natürlich auch erkennen, wohin es geht. Durch die Stadt, hinaus zum Ring, zum Gürtel, raus in den zehnten Bezirk. Sag ich zu dem Gefreiten nebenan, habe ich mich getraut und gefragt: „Sagen Sie, wohin fahren wir?“ Ich war eigentlich angenehm überrascht, als er mir Wienerisch geantwortet hat: „Nach Favoriten, ins Wehrmachtsgefängnis.“ (Roman Haller: Interview, geführt von Vladimir Vertlib, März 1997. DÖW 51666.)

Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Favoriten (WUG X)

Ein so großes und dichtes Netzwerk der Verfolgung wie das der NS-Militärjustiz braucht ausreichend Hafträume. In Wien wurden von der Wehrmacht fünf Gefängnisse betrieben: Das größte und wichtigste befand sich in Favoriten. Die heutige Justizanstalt Favoriten war zwischen 1938 und 1945 das zentrale Haftgebäude der NS-Militärjustiz in Wien: Das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis X (»WUG X«). Durch den heute unscheinbaren aber großen Komplex gingen nahezu alle Untersuchungshäftlinge die in Wien und dem ganzen Wehrkreis XVII innerhalb der Wehrmacht festgenommen wurden.

Ausschnitt eines Briefkopfes aus einem Verfahren der NS-Militärjustiz. Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Ausschnitt eines Briefkopfes aus einem Verfahren der NS-Militärjustiz.
Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Geschichte vor 1938
Die Geschichte des Gefängnisses ist eng mit dem Bezirksgericht Favoriten verbunden. Dieses wurde 1882 eingerichtet, jedoch an anderer Stelle. Erst ab 1914 bezog das Gericht das heutige Gebäude, ihm angeschlossen war ein Gefangenenhaus – das spätere Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis X. Bis 1938 blieb diese Verbindung bestehen. Die akute Raumnot der neu aufgebauten NS-Militärjustiz in Wien führte das Objekt 1938 von der zivilen Justiz zur Wehrmachtsjustiz die so – wie man damals feststellte – »das schönste und modernste Gerichtsgebäude Wiens« erhielt.

Die heutige Justizanstalt Favoriten, 2013. Bildquellen: privat

Die heutige Justizanstalt Favoriten, 2013.
Bildquellen: privat M.L.

Baulichkeit
Auf vier Stockwerken befanden sich auf den Straßenseiten Hardtmuthgasse und Muhrengasse die beiden Hafttrakte, an deren Schnittpunkt befand sich ein Wachzimmer. Das Gefangenenhaus war für 145 Gefangene in 43 Einzel- und 20 Gemeinschaftszellen konzipiert – zu dieser Zeit waren die Zellen aber auch teils mehrfach überbelegt. Im Erdgeschoß befanden sich Isolier- und Dunkelzellen, ebenso im Keller. Ein Eingang befand sich in der Hardtmuthgasse, eine Einfahrt in der Muhrengasse. Das Gefangenenhaus wurde seit seinem hundertjährigen Bestehen mehrfach umgebaut und erweitert.

 

Ausschnitt aus einem Urteils des Gerichts der Division 177. Die elf Angeklagten wurden auf fünf verschiedene Haftanstalten aufgeteilt. Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Ausschnitt aus einem Urteils des Gerichts der Division 177. Die elf Angeklagten wurden auf fünf verschiedene Haftanstalten aufgeteilt.
Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Zentrale Haftanstalt
Der NS-Militärjustiz in Wien diente das Objekt als zentrale Haftanstalt. Die von den Einheiten angezeigten Personen wurden hier ebenso eingeliefert wie die von den Gerichten zur Fahndung Ausgeschriebenen. Die Gefangenen wurde in Folge vom WUG X auf die vier Zweigstellen aufgeteilt. Die Zweigstellen in den Bezirken Wien-Neubau (WUG VII), Wien-Döbling (WUG XIX), Wien-Floridsdorf (WUG XXI) und Wien-Leopoldstadt (WUG II) waren der Favoritner Zentrale nachgeordnet und auch wesentlich kleiner. Das WUG X wies also neben einem hohen Belag einen noch höheren Durchlauf auf. Geleitet wurde die Anstalt von einem Major Weddige. Das sonstige Personal setze sich sowohl aus Soldaten und Zivilisten zusammen, darunter auch ein Truppenarzt der die Haftfähigkeit bestätigte bzw. Häftlinge in ein Lazarett überwies.

Die Bezeichnung des „WUG X“ ist nicht immer einheitlich, es taucht in der Literatur und in den Akten als Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis (WUG) und Standortarrestanstalt und den Ortszusätzen Favoriten, X oder Hardtmuthgasse auf. Entgegen dem Eindruck, den die Bezeichnung Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis suggeriert, wurden auch Haftstrafen und Arreststrafen im WUG X vollstreckt: Diese dauerten in einigen Fällen durchaus auch mehrere Jahre.

Bedeutung
Die zentrale Stellung des WUG X im Netzwerk der Wiener NS-Militärjustiz hat für eine gute Aktenüberlieferung gesorgt. Die Breite der Vergehen der WUG X-Insassen reicht von Selbstverstümmelung im Heimaturlaub und Desertion an der Ostfront, bis hin zu Führerbeleidigung durch Jugendliche in der FlAK-Stellung und putschverdächtigen Offizieren. Durch die Rolle Wiens als Knotenpunkt als »Bollwerk des deutschen Südostens«, erstreckte sich das Einzugsgebiet der hier eingelieferten Personen von Rumänien bis Griechenland, also weit in den von der Wehrmacht besetzten Raum. Das führte dazu, dass die unterschiedlichsten Personen über ihre Haft berichten konnten: Darunter der Wiener Künstler Roman Haller, der sich hier in Untersuchungshaft vor seinem Kriegsgerichtsprozess befand, oder etwa der spätere Justizminister Christian Broda, der hier 1943 drei Monate einsaß.

Querschnitt durch das Gebäude, zu sehen die Mauer im Gefängnishof, Plan: ca. 1920. Bildquellen: privat M.L.

Querschnitt durch das Gebäude, zu sehen die Mauer im Gefängnishof, Plan der Baupolizei ca. 1920.
Bildquellen: privat M.L.

Folter und Selbstmord
Es gibt vereinzelte Hinweise auf Folter im WUG X, jedenfalls kam es zu Übergriffen der Wachmannschaft auf die Gefangenen. Grundsätzlich wurden Verhöre und Folter aber vor allem in der Rossauer Kaserne angewandt. Auch gibt es Berichte über Selbstmorde um dem Haftalltag, den Übergriffen oder der Verurteilung zu entkommen.

Todesurteile
Personen, gegen die Todesurteile ergangen waren, verbrachten die Zeit bis zur Vollstreckung getrennt in den verschiedenen Wiener Haftanstalten. Einige Tage vor der Hinrichtung wurden sie gesammelt. Transporte brachten sie zum einen in das Landgericht I. Zum Zwecke der Abschreckung vor weiteren Desertionen ließ die NS-Militärjustiz Massenhinrichtungen vor Publikum am Schießplatz Kagran durchführen. Die Verurteilten verbrachten die Nächte davor in der heutigen Starhembergkaserne (früher: Trostkaserne). Das »WUG X« war in diesen Fällen zentral in das Hinrichtungs-Prozedere eingebunden, der Kommandant des WUG X verlas den Hinzurichtenden vor der Hinrichtung auch das Urteil.

Aufriss des Hofes und der Zellen, unten im Bild: Isolierzellen und Dunkelkammer, Plan: ca. 1920. Bildquellen: privat M.L.

Aufriss des Hofes und der Zellen, unten im Bild: Isolierzellen und Dunkelkammer, Plan der Baupolizei ca. 1920.
Bildquellen: privat M.L.

Evakuierung 1945
Auch als sich die Alliierten der Stadt Wien näherten, hielt die Wiener NS-Militärjustiz den Betrieb weiter aufrecht: Die Verfolgung von Deserteuren, Selbstverstümmlern usw. wurde sogar ausgebaut. Mehr und mehr Soldaten und ZivilistInnen durchliefen die die Hafteinrichtungen. Bis zuletzt wurden Verurteilte der NS-Militärjustiz „zur Frontbewährung“ in den Osten geschickt.
Ende März 1945 löste die Gefängnisleitung das Gefängnis auf. Die Insassen wurden Richtung Westen evakuiert. Ziel war das Wehrmachtsgefangenenanstalt Döllersheim/Allensteig, ein Außenlager des Wehrmachtsgefängnis Glatz (Kłodzko). Auf dem Weg dorthin gelang einigen die Flucht, andere wiederum wurden erschossen.

Tafel der Bezirksvertretung Favoriten, 2015

Tafel der Bezirksvertretung Favoriten, 2015

Befreiung April 1945
Die Rote Armee stand Anfang April 1945 vor Wien. Am 6. April begann sie damit das Stadtgebiet von Süden her zu befreien und im Westen zu umfassen; noch an diesem Tag wurde der ganze Bezirk Favoriten befreit, so auch das Gefängnis. Die Justizwache übernahm das Gebäude und und unterstellte es der Kriminalpolizei, kurzzeitig waren im Gebäude auch nationalsozialistische ParteifunktionärInnen inhaftiert.

Aufarbeitung
Ende April 2015 wurde von der Bezirksvertretung Favoriten ein Erinnerungszeichen am Gebäude errichtet. 100 Jahre nach Gebäudeerrichtung und 75 Jahre nach Einrichtung des „WUG X“ erinnert eine Tafel an die Geschichte des Gebäudes sowie die Leiden der Verfolgten und Opfer des NS-Regimes.

Fallbeispiel WUG-X: Edgar Ulsamer, Herta Ulsamer, Karl Ulsamer.

Fallbeispiel WUG-X: Edgar Ulsamer, Herta Ulsamer, Karl Ulsamer.

Fallbeispiele zum WUG X Favoriten:

 

 

 

WUG Neubau

Briefkopf eines Schreibens aus dem WUG VII an ein Gericht in der Innenstadt. Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Neubau (WUG VII)

In Wien wurden von der Wehrmachtsjustiz fünf Gefängnisse betrieben: Die Zentrale (WUG X) befand sich in Favoriten, eine der Nebenstellen war im Bezirk Neubau eingerichtet. Das Gebäude wird heute als Kindergarten und Wohnhaus verwendet.  Es war Teil eines Unrechtsregimes das Deserteure, Selbstverstümmler, Saboteure, Wehrdienstverweigerer, usw. verfolgte. Seit Mai 2014 trägt es eine Informationstafel das seine Geschichte während der NS-Zeit erzählt.

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Ausschnitt aus einem Plan (etwa 1940), rechte Bildmitte das Gefängnis (rot) eingezeichnet.
Bildquellen: Übersichtsplan ca. 1940 (Ausschnitt), Quelle: Wiener Stadt und Landesarchiv, Kartographische Sammlung, Sammelbestand P4: 4021

Geschichte vor 1938
Das Gebäude war in der Monarchie als „Schottenhof“ bekannt da es immer dem Schottenstift gehörte. 1825/1826 erbaut, war es  Armen- und Versorgungshaus, stiftliches Weinhaus und -keller. Seit 1850 hatte im Gebäude das Bezirksgericht seinen Sitz; es war für die Bezirke Neubau und Mariahilf zuständig. Das Haus verfügte über viele Amtsräume und Gerichtssäle, im Inneren des U-förmigen Baus auch mehrere Arrestzellen. Das Bezirksgericht wurde in die Erste Republik übernommen, ab 1931 kam eine Polizeidienststelle im Haus dazu. Schon 1932 übernahm die Polizei das Gebäude zur Gänze, das Bezirkgericht zog aus. Wohl auch deshalb wurde das Gebäude während der Novemberpogrome 1938 für kurze Zeit von der Polizei genutzt: Gefangen genommene Juden und Jüdinnen, insbesondere aus den Umlandbezirken Mödling und Baden, wurden hier kurzzeitig festgehalten.

 

 

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Ausschnitt aus einem Gebäudeplan, um 1900.
Bildquellen: Archiv M.L.

Baulichkeit
Das Gebäude liegt an der Ecke eines Häuserblocks, Ecke Burggasse und Hermanngasse. Die zwei Haupttrakte wiesen Büroräume und große Gerichtsräume auf – heute sind dort Wohnungen und ein Kindergarten. Im hinteren Teil gab es mehrere Hafträume und Arreste. In der Monarchie boten die Zellen Platz für rund 40 Personen sowie eine Isolierzelle, ob diese Kapazitäten in der Ersten Republik oder im Nationalsozialismus erweitert geworden sind ist unbekannt.

 

 

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Standartisierter Inhaftnahmezettel eines Gefangenen der NS-Militärjustiz. Aufnahme in der Zentrale „Hardtmuthgasse“, dann Übernahme ins WUG VII.
Bildquellen: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / www.doew.at

Haftanstalt für die Wehrmacht
Wann genau die Wehrmacht in Neubau ein Gefängnis einrichtete ist unklar, vermutlich erst 1944/1945. Die meisten Häftlinge wurden aus der Zentralen Haftanstalt in Favoriten (WUG X) hierher verlegt. Entweder weil sie auf ihr Gerichtsverfahren oder nach der Verurteilung auf die Verlegung in ein anderes Gefängnis warten mussten. Einige Gefangene wurden auch verurteilt, ihre Strafen aber zur „Frontbewährung“ ausgesetzt: Das bedeutete, dass sie zum Beispiel ohne Ausrüstung an gefährlichen Frontabschnitten Minen räumen oder Verwunderte bergen mussten. Vor solchen Einsätzen kamen die Gefangenen meist für einige Wochen ins WUG II im 2. Bezirk. Auch Todeskandidaten befanden sich in der Hermanngasse: Sie verbrachten hier die letzten Wochen vor ihrer Hinrichtung im Landgericht I oder dem Militärschießplatz Kagran. Auch andere NS-Organisationen, etwa die Gestapo, durften auf das Gebäude und die Gefangenen zugreifen.

Bedeutung
Das WUG VII war eines der vier Nebenstelle im Gefängnis-Netzwerk der Wiener Militärjustiz. Nur wenige Akten zu Verfahren der Wehrmachtsjustiz sind erhalten geblieben. Trotzdem lässt sich sagen, dass viele hundert Wehrmachtshäftlinge in der Hermanngasse 38 einsaßen – Größtenteils wohl Untersuchungs-Häftlinge und Verurteilte, die auf ihren Weitertransport in die verschiedenen Formen des Wehrmachtstrafvollzugs warteten.

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Gedenktafel am Gebäude des ehemaligen WUG VII in Wien-Neubau, Hermanngasse 38. Bildquelle: www.deserteursdenkmal.at

Befreiung April 1945
Über die Tage während der Befreiung ist nichts genaues bekannt. Die Haftanstalt wurde bis Ende März 1945 schrittweise evakuiert, die Gefangenen Richtung Westen getrieben. Ebenso wenig weiß man über den „leitenden Hauptmann“ des WUG VII, Emil Riedel. Nach der Befreiung 1945 übernahm das Schottenstift das Gebäude wieder, es beherbergte Büros, ein katholisches Verbindungsheim und seit 1984/85 einen Pfarrkindergarten. 2010 ließ das Stift das Haus grundlegend umbauen, die ehemaligen Zellen wurden zu Wohnraum umgewandeln. Nach Abschluss der Renovierung brachten am 8.Mai Mai 2014 der Abt des Schottenstiftes (Abt Johannes Jung) und der Neubauer Bezirksvorsteher (Thomas Blimlinger) eine Informationstafel zur Geschichte des Gebäudes an.

 

Fallbeispiel zum WUG Neubau:

 

 

 

 

Österreichische Gedenkinitiativen

ÖSTERREICHISCHE GEDENKINITIATIVEN 

Diverse versteckte oder temporäre Deserteursdenkmäler in Österreich

Diverse versteckte oder temporäre Deserteursdenkmäler in Österreich

Erst seit dem 24.10.2014 gibt es in Österreich einen Ort, an dem in angemessener und kollektiver Form die Leiden und Handlungen derjenigen Männer und Frauen erinnert und gewürdigt wird, die von der NS-Militärjustiz verurteilt wurden. Vor 2014 – und damit 69 Jahre der Zweiten Republik – waren die verschiedene Denkmalsinitiativen Einzelpersonen gewidmet, nur temporär und auf meist abgelegenen Orten platziert.

Die meisten der vorgestellten Denkmalsinitiativen sind bis heute einzelnen Akteuren gewidmet, beziehen sich also nicht auf das Gruppenschicksal der Verfolgten; einige Denkmäler erwähnen nicht einmal, dass es sich bei den genannten Personen um Opfer deutscher Militärgerichte ging; andere Initiativen konnten nicht erfolgreich zu Ende geführt werden oder waren von vornherein nur als temporäre Aktionen geplant.

Vergessene Opfer

Die mit Abstand größte Zahl an Denkmälern, die heute in Österreich an den Zweiten Weltkrieg erinnern, sind Kriegerdenkmale. Dieses »Heldengedenken« schließt die Erinnerung an die Opfer der NS-Militärjustiz noch immer aus. Denkmalsinitiativen scheitern bis heute immer wieder an Institutionen und Akteuren, die Österreich nach 1938 als Opfer nationalsozialistischer Politik sehen und gleichzeitig den besonderen Charakter des Zweiten Weltkriegs als Angriffs- und Vernichtungskrieg verleugnen. Viel zu wenig ist über lokale Initiativen zur öffentlichen Rehabilitierung der Deserteure bekannt; deshalb kann diese Aufzählung auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.

Diese Seite ist work-in-progress. Sollten Sie weitere Gedenkorte oder -initiativen kennen die sich Deserteuren, Kriegsdienstverweigerern, »Wehrkraftzersetzern«, »Selbstverstümmlern« oder Hoch- und Landesverrätern im weitesten Sinne widmen, freuen wir uns sehr über Informationen! Kontakt-Seite

 

Denkmal in Bregenz / Foto: Vorarlberger Nachrichten/Stiplovsek

Denkmal in Bregenz / Foto: Vorarlberger Nachrichten (Stiplovsek)

Bregenz I (Vorarlberg)
Seit November 2010 erinnert eine Stele des Künstlers Georg Vith an den katholischen Kriegsdienstverweigerer Ernst Volkmann. Am 23. September 2007 brachte die Stadt Bregenz auf Initiative des Vorarlberger Historikers Meinrad Pichler eine Gedenkplatte für den Kriegsdienstverweigerer Ernst Volkmann an die Außenmauer der Bregenzer Galluskirche an. Erstmals gedachte Vorarlberg eines Opfers der NS-Militärjustiz. Gut drei Jahre später, am 14. November 2010, wurde diese Plakette ersetzt durch eine Stele, die dem religiösen Verweiger ein ehrendes Gedenken bereitet. Sie dokumentiert Informationen zur Biografie des 1941 in Brandenburg hingerichteten Katholiken. Für den Schöpfer der Stele, den Vorarlberger Künstler Georg Vith, ist die aus dem Alltag stammende Formensprache des Werkes besonders geeignet, Denkanstöße zu bieten. Bis heute wird Ernst Volkmann übrigens auf dem benachbarten Kriegerdenkmal unter den Gefallenen des Kriegesjahres 1941 aufgeführt.

Mehr Infos zur Stele ist auf der Seite der Johann-August-Malin-Gesellschaft zu finden. Aktuelle Informationen zu dem in Bregenz geplanten Deserteursdenkmal sind einer Anfrage und Anfragebeantwortung zu entnehmen.

 

Bregenz II (Vorarlberg)
Am 14. November 2015 wurde am Sparkassenplatz das Bregenzer Widerstandsmahnmal feierlich eröffnet. Hauptrednerin der Veranstaltung war die Philosophin und Holocaust-Überlebende Ágnes Heller.

Bereits 2011 hatten die Bregenzer Grünen und die Johann-August-Malin-Gesellschaft die Errichtung eines Denkmals gefordert – allerdings sollte es den Vorarlberger Wehrmachtsdeserteuren und Wehrdienstverweigerern allein gewidmet sein. Eine vom Bregenzer Bürgermeister eingesetzte Arbeitsgruppe legte allerdings fest, das Denkmal solle an “jene Vorarlbergerinnen/Vorarlberger erinnern, die dem nationalsozialistischen Unrechtsregime den Gehorsam verweigert oder aufgekündigt haben: im Besonderen an Wehrdienstverweigerer und Deserteure, an Widerstandskämpferinnen/ Widerstandskämpfer und an Bürgerinnen/Bürger, die gegenüber Verfolgten und Misshandelten trotz Verbots Menschlichkeit geübt haben”. Ein offener Wettbewerb wurde ausgeschrieben, den die kärntner-slowenische Künstlerin Nataša Sienčnik für sich entschied.

Bregenz II SchemaIhr Denkmal besteht aus einer Reihe von Fallblattanzeigen, die die Namen und wichtigsten Stichworte zu den Verfolgten zeigen (siehe Grafik). Abfahrtstafeln an Bahnöhfen oder Flughäfen gleich, bleiben die Information nur für einen kurzen Augenblick zu sehen. Das Geräusch des Weiterblätterns wird durch einen Lautsprecher verstärkt, was die Aufmerksamkeit der PassantInnen zusätzlich weckt. Der Text verweist auf die ProtagonistInnen des Widerstandes,  veranschaulicht die Vielzahl an Möglichkeiten, sich zu widersezten und zeigt die Konsequenzen auf, die damit einhergingen.

Mehr Infos zum Denkmal: Eintrag zum Denkmal auf erinnern.at mit einigen weiteren Links / Umfangreiches Begleitprogramm mit vielfältigen Aspekten der Verfolgung und der Nachgeschichte / Eine Denkmal-Homepage mit grundlegenden Informationen und pädagogische Materialien zum Themenkomplex sind in Vorbereitung

 

Denkmal in Dornbirn / Foto: Werner Bundschuh/ Johann-August-Malin-Gesellschaft

Denkmal in Dornbirn / Foto: Werner Bundschuh (Johann-August-Malin-Gesellschaft)

Dornbirn (Vorarlberg)
1993 enthüllten SPÖ, ÖVP und Grüne einen Gedenkstein, der sich den »Opfern der NS-Gewaltherrschaft« widmet und auf dem sich auch der Name des »Wehrkraftzersetzers« Rudolf Bodemann befindet.
Die Bregenzer Johann-August-Malin-Gesellschaft stieß, unterstützt von überlebenden Deserteuren der Wehrmacht, Ende der 1980er Jahre in Dornbirn Diskussionen über ein Denkmal für Opfer des Nationalsozialismus an. Diese Pläne stießen, wie fast überall in Österreich, auf erbitterten Widerstand vor allem bei traditionspflegenden Kameradschaftsbünden und der FPÖ.
Die Auseinandersetzungen in Dornbirn dauerten bis 1993. Dabei ging es zum einen um die Frage der namentlichen Erwähnung von NS-Opfern, zum anderen aber auch darum, welche Opfergruppen auf einem Gedenkstein überhaupt Erwähnung finden sollten: Insbesondere Homosexuelle sowie verurteilte Deserteure und »Wehrkraftzersetzer« waren zunächst auch für die ÖVP nicht tragbar. Zudem sah ein Antrag der Mehrheitsfraktion der Konservativen zunächst ein pauschales Gedenken »für die Ermordeten, die Kriegsgefallenen, die Verwundeten aus Dornbirn und die Toten aus ganz Europa« vor – oder auch ein »Kriegerdenkmal«, das zwischen Deserteuren und gefallenen regulären Soldaten nicht unterscheiden sollte. Nach zähen Auseinandersetzungen und der Einsetzung einer Historikerkommission  beschloss eine Mehrheit von ÖVP, SPÖ und der »Bürgerliste« (Grüne) schließlich einen Gedenkstein, auf dem sich unter anderen auch der Name des wegen »Wehrkraftzersetzung« zum Tode verurteilten Rudolf  Bodemann befindet.

Die Inschrift  lautet: »Friede-Menschenwürde-Toleranz/ Zur Erinnerung an alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt Dornbirn, die Opfer der NS-Gewaltherrschaft wurden, die in Konzentrationslagern und Gefängnissen gelitten haben, die ausgegrenzt und verfolgt wurden. Den wehrlosen Opfern der Euthanasie und den Ermordeten von Widerstand und Verfolgung. [Es folgen Namen von Opfern].« Bis heute führt übrigens das »Online-Projekt Gefallenendenkmäler« im Netz Rudolf Bodemann als gewöhnliches Kriegsopfer.

 

    Grabdenkmal am Friedhof von Bad Eisenkappel / Železna Kapla (2001) / Foto: Lisa Rettl

Grabdenkmal am Friedhof von Bad Eisenkappel / Železna Kapla (2001) / Foto: Lisa Rettl

Eisenkappel/Železna Kapla (Kärnten/Koroška)
Auf dem Friedhof des Südkärntner Dorfes befindet sich ein Grabdenkmal für den Deserteur und Partisanen Franc Pasterk.
Der Friedhof der kleinen Marktgemeinde Bad Eisenkappel/Železna Kapla nahe der slowenischen Grenze verweist bis heute auf einen heimatlichen Kriegsschauplatz: Rund 120 Partisanen und Partisaninnen, die in dieser Gegend zwischen 1942 und 1945 im bewaffneten Widerstand gegen das NS-Regime den Tod fanden, sind hier beerdigt. Auf dem Friedhof befindet sich auch das Grab des kärntner-slowenischen Deserteurs und Partisanenkommandanten Franc Pasterk-Lenart. Das quaderförmige Grabdenkmal aus Marmor, das der Kärntner Partisanenverband hier errichtete, verbindet personenzentriertes und allgemeines Gedenken an die kärntner-slowenischen Opfer und Partisanen. Auf letzteres verweist die übergeordnete slowenischsprachige Inschrift: »MOSTOVI RASTO IZ VSEH ČLOVEŠKIH SRC SE PNO IN V VSA SRCA« (Brücken wachsen aus allen Menschenherzen und verbinden sie miteinander), kombiniert mit der namentlichen Nennung von in Konzentrationslagern ermordeten EisenkapplerInnen und gefallenen PartisanInnen.

Gedenktafel für die Brüder Jurij und Franc Pasterk in Lobnig/Lobnik, 2001 / Foto: Lisa Rettl

Gedenktafel für die Brüder Jurij und Franc Pasterk in Lobnig/Lobnik, 2001 / Foto: Lisa Rettl

Franc Pasterk wurde auf dem Grabdenkmal eine eigene Inschrift gewidmet: »SLAVA NARODNEMUHERHOJU FRANCU PASTERK-LENARTU IN TOVARIŠEM« (Ehre dem Volkshelden Franc-Pasterk-Lenart und den Kameraden), verbunden mit einem bronzenem Porträt-Relief am Fuß der Marmorstele. Seit der Überstellung seines Leichnams von seinem Todesort Mežica (Slowenien) nach Bad Eisenkappel im Jahr 1949 wurden hier vom Kärntner Partisanenverband Gedenkfeiern organisiert. Die besondere Stellung Franc Pasterks im Gedächtnis der Kärntner SlowenInnen wird anhand einer weiteren Gedenktafel deutlich, die der Partisanenverband 1959 am Geburtshaus im nahe gelegenen Lobnig – Ziel alljährlicher gut besuchter Gedenkwanderungen – installierte: »Das ist das Geburtshaus des Nationalhelden Franc Pasterk-Lenarts, geb. 12. März 1912, gefallen als Kommandant des 1. Kärntner Bataillons am 6. April 1943, und Jurij Pasterks, des Besitzers dieses Hauses, geb. am 12. April 1903, enthauptet in Wien am 29. April 1943. Ehre den Kämpfern für die Freiheit«, steht auf der slowenischsprachigen Gedenktafel zu lesen.

Die Brüder Pasterk nehmen im Gedächtnis der Kärntner SlowenInnen als zentrale »Begründer« des Kärntner Partisanenkampfes bis heute eine herausragende Stelle ein, wohingegen dem Großteil der deutschsprachigen Mehrheit die kärntner-slowenischen WiderstandskämpferInnen vorrangig als »Verräter« gelten und ihre Gedenkstätten als Ausdruck einer territorialen »Slowenisierung Kärntens« gelesen werden.

 

Altes Denkmal in Goldegg im Pongau (Salzburg) / Foto: Archiv Michael Mooslechner

Altes Denkmal in Goldegg im Pongau (Salzburg) / Foto: Archiv Michael Mooslechner

Goldegg im Pongau (Salzburg)
Ein Gedenkstein zwischen Hochleitner-Hof und Böndlsee im Salzburger Pongau erinnert an Simon und Alois Hochleitner; ein Hinweis auf die Fahnenflucht der Brüder und ihre Ermordung durch die SS fehlt allerdings. 2005 schrieb der Linzer Komponist Thomas Doss eine »Symphonie der Hoffnung im Gedenken an die Deserteure von Goldegg.
Die Mutter der beiden Deserteure Simon und Alois Hochleitner ließ kurz nach Kriegsende auf Weg von ihrem Hof zum Böndlsee ein Holzkreuz mit folgender Inschrift aufstellen: »Unvergesslich meine Söhne Simon und Alois Hochleitner, welche hier am 2. Juli 1944 meuchlings erschossen wurden«. Einige Jahrzehnte später ließ die Familie das Kreuz durch einen Gedenkstein ersetzen, auf dem der Hinweis auf die Ermordung der Brüder fehlte. Außerdem bemühte sich die Familie Hochleitner um eine Aufnahme von Simon und Alois Hochleitner in die Liste der Gefallenen des Zweiten Weltkrieges am örtlichen Friedhof. Offensichtlich hatte die Familie schon bald nach Kriegsende die feindliche Stimmung gegenüber den NS-Opfern zu spüren bekommen. Ein Denkmal akustischer Art komponierte der Linzer Musiker Thomas Doss im Gedenkjahr 2005 auf Initiative des damaligen Bezirksobmanns der Pongauer Blasmusik, Hans Mayr. Der Komponist nahm die Verfolgung und Ermordung von Deserteuren und ihrer Familien in Goldegg zum Anlass die sogenannte »Symphonie der Hoffnung« schreiben. Das Werk wurde durch Trachtenmusikkapellen aus Goldegg und Taxenbach mit mehr als 120 Musikerinnen und Musikern einstudiert und vor über 3.000 Menschen an verschiedenen Orten der Region aufgeführt.

Im Jahre 2013 ergriff Brigitte Höfert, Tochter eines der ermordeten Deserteure (Karl Rupitsch) die Initiative: Sie trat an den renommierten Bildhauer Anton Thuswaldner aus Kaprun heran und bat ihn um einen Entwurf für ein Erinnerungszeichen. Der in der Folge angerfertigte Gedenkstein sollte zunächst im Hof des Schlosses Goldegg, also dem historisch-symbolischen Zentrum des Ortes, verlegt werden. Mit der Gemeinde konnte jedoch keine Einigung erzielt werden und so wurde der Stein schließlich an anderer Stelle gesetzt. Am 8. August 2013 konnte der Stein auf dem Gelände des Regenerationszentrums in Goldegg eingeweiht werden.

Mehr Infos auf der Homepage “Die Goldegger Wehrmachtsdeserteure” (v.a. zu den zahlreichen – auch konfliktreichen – Entwicklungen) / Eröffnungsrede von ao.Univ.-Prof. Dr. Walter Manoschek zur Enthüllung Gedenktafel an die Wehrmachtsdeserteure, Verweigerer und Selbstverstümmeler in Goldegg/Weng am 8. August 2014

 

Gedenkkreuz am Grazer Stadtrand / Foto: Hans Fraeulin, Georg Fuchs

Gedenkkreuz am Grazer Stadtrand / Foto: Hans Fraeulin, Georg Fuchs

Graz (Steiermark)
1988 wurde auf der Ries am Stadtrand von Graz ein Gedenkkreuz für »7 junge Soldaten« eingeweiht, die »wegen Widerstandes hingerichtet« wurden.
Bereits Anfang der 1950er Jahre wurde auf der Ries am Stadtrand von Graz ein Gedenkkreuz errichtet, das an sieben junge Soldaten erinnerte, die sich Anfang April 1945 unerlaubt von ihrer Truppe entfernt hatten und deshalb von einem Militärstandgericht in Graz zum Tode verurteilt wurden. Der Standort wurde gewählt, weil die Behörden die Leichen der Soldaten aus Abschreckungsgründen an der Riesstraße zur Schau gestellt hatten. Unbekannte Personen entfernten dieses Denkmal aber bereits kurze Zeit später. Erst im Gedenkjahr 1988 enthüllten Stadt Graz und Pfarre St. Leonhard ein neues, steinernes Gedenkreuz auf der Ries. Eine Texttafel trägt die Aufschrift:

»Hier wurden / am 4. April 1945 / 7 junge Soldaten / wegen Widerstandes / hingerichtet«

– von der Desertion ist also keine Rede. Seit 1995 organisiert der Musiker und Theaterkünstler Hans Fräulin jeweils am 4. April Gedenkfeiern an diesem Ort.

 

Denkmal in Greifenburg. Foto: A. H. Pirker

Denkmal in Greifenburg. Foto: A. H. Pirker

Greifenburg (Kärnten/Koroška)
Im Oberen Drautal eröffneten die Vereine kuland und aegide im Oktober 2012 nach einem mehrjährigen Forschungs- und Diskussionprozess für 40 lokale NS-Opfer das “Denkmal für die Verfolgten des Nationalsozialismus im Oberen Drautal”. Auf der Erläuterungstafel des Denkmales in Greifenburg wird die Verfolgung von Wehrmachtsdeserteuren explizit thematisiert. Mehr als ein Viertel der Erinnerten wurde von den Nationalsozialisten wegen Fahnenflucht, Befehlsverweigerung, Kriegsdienstverweigerung, Wehrkraftzersetzung und Unterstützung von Deserteuren getötet, etwa der Wehrmachtsdeserteur Stefan Hassler aus Dellach im Drautal oder der Kriegsdienstverweigerer Hermann Fertin aus Oberdrauburg.

Mehr Informationen hier: Homepage “Aus dem Gedächtnis – in die Erinnerung.”

 

Hartberg (Steiermark)

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Quelle: Generationendialog-Steiermark.at

Im steirischen Hartberg wird ein Denkmal für die Gefallenen einer Widerstandsgruppe um Gustav Pfeiler der Öffentlichkeit übergeben, der neben Wehrmachtsdeserteuren auch Männer des Volkssturms angehörten. Rund 40 Personen hatten bei Kriegsende gegen zunehmend stärker werdende SS-Verbände gekämpft. 13 Personen wurden am
4. Mai 1945 in Hartberg von einem Standgericht zum Tode verurteilt und anschließend ermordet. Weitere UnterstützerInnen der Widerstandsgruppe tötete die SS um den 7. Mai herum, nachdem sie sich vor der anrückenden Roten Armee zurückzog.

 

Temporäre Denkmäler in Krems (NÖ) / Foto: Robert Streibel

Temporäre Denkmäler in Krems (NÖ) / Foto: Robert Streibel

Krems (Niederösterreich)
Der Historiker Robert Streibel stellte im Oktober 2009 im Stadtzentrum insgesamt sechs Informationstafeln auf, die an Kremser Deserteure erinnerten.

Binnen 24 Stunden ließ die Stadtverwaltung diese Tafeln entfernen.
Der Historiker Robert Streibel machte im Oktober 2009 auf das fehlende Gedenken an die Deserteure, »Wehrkraftzersetzer« und andere Opfer der NS-Militärjustiz aufmerksam. Zur Erinnerung an fünf namentlich bekannte Kremser Fahnenflüchtige rief er eine »Deserteurs-Meile« aus und stellte auf dem zentral gelegenen Südtirolerplatz, auf dem 1945 drei Deserteure gehängt worden waren, sowie beim Denkmal für den Wehrmachtsgeneral Karl Eibl sechs Tafeln auf. Am Südtirolerplatz waren bei Kriegsende drei Deserteure gehängt worden. Streibel schrieb:

»Ganz selbstverständlich wurde nach dem Zweiten Weltkrieg die Erinnerung an die Gefallenen begonnen und gepflegt. Nicht nur einfache Soldaten der Deutschen Wehrmacht, sondern auch Generäle werden ganz selbstverständlich geehrt. Dies ist ein Teil unserer Geschichte. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit soll nun auch der Deserteure und Wehrdienstverweigerer gedacht werden. Nach mehr als 60 Jahren eine Selbstverständlichkeit. Ein Initiativkomitee lädt Sie zu dieser Aktion Zivilcourage ein. Wer könnte etwas dagegen haben? Selbstverständlich niemand.«

Die Stadt Krems entfernte am nächsten Tag die Installation und berief sich darauf, dass Streibel die erforderlichen Genehmigungen nicht eingeholt habe. Dennoch brachte Streibel mit seiner Initiative eine Diskussion in Gang, die die Kommunalpolitik unter Druck setzte. Bis heute harrt das Denkmal seiner Verwirklichung.

 

Gedenktafel in der Gedenkstätte Mauthausen / Foto: KZ-Gedenkstätte Mauthausen

Gedenktafel in der Gedenkstätte Mauthausen / Foto: KZ-Gedenkstätte Mauthausen

Mauthausen (Oberösterreich)
Im Mai 1997 wurde eine Tafel enthüllt, die »den pazifistischen Widerständen in der Wehrmacht gegen Verbrechen und Krieg, Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern, in Erinnerung an zehntausende Opfer der NS-Militärjustiz« gewidmet ist.

In Mauthausen wurde am 17. Mai 1997 eine Tafel enthüllt, die an rund 15.000 hingerichtete Deserteure und Kriegsdienstverweigerer der Wehrmacht erinnert. Initiator der Gedenkveranstaltung war das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO). Bereits am Tag zuvor hatte EBCO in Kooperation mit der Friedenswerkstatt Linz und unter Mitwirkung von Amnesty International, Pax Christi, der Evangelischen Kirche Deutschlands, des Oberösterreichsichen KZ-Verbandes, des Oberösterreichischen Studentenwerkes, Mitgliedern des Europäischen Parlamentes, des Deutschen Bundestages und anderen in Linz eine internationale Zusammenkunft von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren des Zweiten Weltkrieges und den Armeen des Bürgerkrieges im ehemaligen Jugoslawien veranstaltet. Auf die Gedenktafel ist folgender Text eingraviert: »Den pazifistischen Widerständen in der Wehrmacht gegen Verbrechen und Krieg. Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern, in Erinnerung an zehntausende Opfer der NS-Militärjustiz.«

 

Salzburg
Denkmalsinitiativen der ungewöhnlichen Art hat der deutsche Aktionskünstler Wolfram Kastner in den Jahren 1996/1997 in Salzburg vorangetrieben. Kastner und eine Reihe anderer Künstler und Friedensaktivisten verbanden ihre Initiativen für ein Deserteursdenkmal in Salzburg stets mit Protestinitiativen gegen Aufmärsche der »SS-Kameradschaft IV« in Salzburg. Im Jahre 1996 wehrte sich die Stadt gegen den Versuch der der Bürgerliste, ein Totengedenken zu Ehren der 1944 von der SS ermordeten Salzburger Deserteure durchzusetzen. Spontane Aktionen zu deren Ehrung im November 1996 unterband die Bundespolizei, es folgten Strafverfügungen und Straferkenntnisse für die Teilnehmenden. Ein Jahr später meldete Kastner eine »unsichtbare Versammlung« und die »Errichtung eines unsichtbaren Denkmals für die ermordeten Deserteure« an. Beides wurde aus formalen Gründen verboten, Einsprüche gegen die betreffenden Bescheide wurden von österreichischen Höchstgerichten (VwGH und VfGH) abgelehnt. Nach einer Kranzniederlegung wiederum gemeinsam mit Vertretern der Bürgerliste ermittelte die Polizei abermals wegen »Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und rücksichtsloser Störung«.

 

Bsptext

Denkmal für Stolzlechner / Foto: Personenkomitee

Schlaiten (Osttirol)
Auf dem Friedhof des Osttiroler Dorfes befindet sich eine Erinnerungstafel an den in Wien-Kagran erschossenen Deserteur Franz Stolzlechner. Die Umstände seines Todes werden allerdings nicht erwähnt. Der 19-jährige Landwirt Franz Stolzlechner war im Sommer 1943 nach einem Heimaturlaub nicht zu seiner Einheit zurückgekehrt und versteckte sich in den folgenden Monaten gemeinsam mit zwei Kameraden in der Umgebung seines Heimatortes. Im Jänner 1944 wurde Stolzlechner verhaftet und im Juli 1944 auf dem Militärschießplatz Wien-Kagran hingerichtet. Nach Kriegsende ließ Stolzlechners Familie auf dem Friedhof von Schlaiten eine Erinnerungstafel anbringen, aus dem allerdings die näheren Umstände des Todes des Deserteurs nicht hervorgehen.

 

 

Denkmal für Franz Jägerstätter in St. Radegund / Foto: Wikipedia

Denkmal für Franz Jägerstätter in St. Radegund / Foto: Wikipedia

St. Radegund (Oberösterreich)
Der katholische Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter, der 1943 in Brandenburg bei Berlin hingerichtet wurde, ist vielleicht das bekannteste Opfer der NS-Militärjustiz überhaupt. 2007, im Jahre des 100. Geburtstages von Franz Jägerstätter, weihte die Gemeinde St. Radegund ein Denkmal für den bekanntesten Sohn des Ortes ein. Der aus Holz geschnitzte Obelisk trägt die Inschrift »Besser die Hände als der Wille gefesselt. Franz Jägerstätter«. Das Denkmal steht auf einem alten Schulgebäude, das heute Sitz des Künstlerhauses »Farbwerk« ist, auf dessen Initiative die Holzskulptur auch entstanden ist. Inner- und außerhalb von Jägerstätters Geburtsort gibt es seit den 1960er Jahren Jahren eine Reihe von Gedenkinitiativen, so auch in Deutschland. Um nur einige der vielen Ehrungen und Denkzeichen zu nennen: Seit 1995 befindet sich dauerhaft eine Gedenktafel vor dem Gebäude des ehemaligen Reichskriegsgerichts in Berlin, das Jägerstätter wegen »Wehrkraftzersetzung« zum Tode verurteilt hatte; seit 1993 ehrte ihn die österreichische Post durch Herausgabe einer Sondermarke; im 14. Wiener Stadtbezirk wurde ebenfalls 1993 dem Pazifisten eine Straße gewidmet; 2006 verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig vor dem Jägerstätter-Haus in St. Radegund einen Stolperstein; die Stadt Braunau am Inn benannte im Jahre 2008 einen Park nach Franz Jägerstätter; am Vorabend seines 103. Geburtstages, am 20.Mai 2010, wurde das Studierendenheim der Katholischen Hochschulgemeinde Linz in »Wohnheim für Studierende Franz Jägerstätter« umbenannt; am dem 26. Oktober 2007 sprach Papst Benedikt XVI. Franz Jägerstätter selig. Gleichwohl fanden und finden sich in der katholischen Kirche Österreichs immer wieder Vertreter einer Linie, die soldatischen Gehorsam auch im Kontext des Vernichtungskrieges einfordern. Die ungewöhnliche Aufmerksamkeit und die große Zahl an Ehrungen ist sicher vor allem darauf zurückzuführen, das Jägerstätter als religiöser Verweigerer insbesondere für den Wertehimmel des bürgerlich-konservativen Lagers wesentlich eher tragbar war und ist als etwa kommunistische Verweigerer oder etwa so genannte Selbstverstümmeler, bei denen christlich-religiöse Motive eine untergeordnete Rolle spielten.

 

Hallein (Salzburg)
Seit Mitte 2015 erinnert ein “Stolperstein” an den Wehrmachtsdeserteur Ernst Hallinger. Der am 26. April 1907 geborene Tischler und Funktionär der KPÖ diente in der Luftwaffe. Während eines Heimaturlaubs im Frühjahr 1944 beschloss er nicht mehr einrücken zu wollen. Im Frühjahr 1944 gelang es ihm sich mit Hilfe seiner Familie in Haslach (bei Glasenbach, Salzburg) zu verstecken, wobei ihn seine Familie versorgte. Die SS spürte ihn auf, das Gericht der Division Nr. 418 in Salzburg verurteilte ihn zum Tode. Zwei Tage vor seiner für den 25.Oktober 1944 anberaumten Hinrichtung wurde er ins Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Wien-Favoriten (WUG X) überstellt und sodann in Kagran hingerichtet. (Quelle (Wiki)/Quelle (DÖW))

 

Denkmal in Villach/Beljak / Foto: Verein kärnöl

Denkmal in Villach/Beljak / Foto: Verein kärnöl

Villach/Beljak (Kärnten/Koroška)
Der Verein Erinnern Villach erinnert auf dem 1999 eröffneten Denkmal der Namen im Stadtzentrum an eine Reihe von Wehrmachtsdeserteuren und UnterstützerInnen, die von der NS-Justiz hingerichtet wurden, etwa die Angehörigen der Partisanengruppe von Treffen Erich Ranacher und Heinrich Brunner sowie ihre Helferinnen Maria Peskoller, Rosa Eberhard und Margarethe Jessernig. Mehr Informationen hier: Verein Erinnern Villach.

 

 

 

Wien
Bereits um das Jahr 1990 hatte die Künstlerin Friedrun Huemer als Mitglied einer Bezirksgruppe der Grünen in Wien ein mobiles Denkmal für die Deserteure geschaffen. Das Mobile Denkmal war an verschiedenen Orten in Wien zu sehen. Aus der Initiative konnte allerdings kein dauerhaftes Denkmal hervorgehen.

Am 26. Oktober 1998 wurde in Wien von der Arbeitsgemeinschaft für Wehrdienstverweigerung und Gewaltfreiheit/Deserteurs- und Flüchtlingsberatung und anderen Initiativen ein temporäres Deserteursdenkmal aus Pappmaché der Künstlerin Tanja Windbüchler enthüllt. Anlass war die Heeresleistungsschau am gegenüberliegenden Heldenplatz, Aufstellungsort der Maria-Theresien-Platz zwischen Natur- und Kunsthistorischem Museum.

Aktion am 26.10.1998 am Maria-Theresien-Platz, Plastik: Deserteur der Jugoslawienkriege (von Tanja Windbüchler) Foto: Irene Messinger

Aktion am 26.10.1998 am Maria-Theresien-Platz, Plastik: Deserteur der Jugoslawienkriege (von Tanja Windbüchler)
Foto: Irene Messinger

 

Temporäres Denkmal für Deserteure am Heldenplatz / Foto: AK Denkmalpflege

Temporäres Denkmal für Deserteure am Heldenplatz / Foto: AK Denkmalpflege

Wien: Heldenplatz
Im September 2009 enthüllte der »AK Denkmalpflege« ein temporäres Deserteursdenkmal auf dem Heldenplatz. Das Denkmal bestand aus zwei roten eckigen Klammern und einer erläuterenden Tafel. Die Tafel am Fuße des Denkmals trug die Aufschrift:

Dieses Denkmal steht für
[k]eine Auseinandersetzung
[k]eine Rehabilitierung
[k]ein Gedenken
für die Opfer der NS-Militärjustiz.
Bewaffneter Widerstand, Zersetzung, Entziehung, Unerlaubte Entfernung, Desertion/Fahnenflucht, Landes-, Hoch-, Kriegsverrat, Sabotage, Meuterei, u.A.
Dank und Anerkennung dem antifaschistischen Widerstand.

Auf dem Wiener Heldenplatz hatte Adolf Hitler im Frühjahr 1938 seine Rede anlässlich des »Anschlusses« gehalten, und hier wird in der nahen Krypta nach wie vor den österreichischen “Helden” der beiden Weltkriege gedacht. Das Denkmal musste binnen einer Stunde den Aufbauarbeiten für das Erntedankfest der ÖVP Wien weichen. 2013 wurde es in gleicher Konfiguration ein weiteres Mal temporär aufgestellt, diesmal am Standort Ballhausplatz – vor den jeweiligen Amtssitzen von Bundespräsident und Bundeskanzler.

 

Kranzniederlegung beim Denkmal in Kagran (Wien) / Foto: »Personenkomitee Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz«

Kranzniederlegung beim Denkmal in Kagran (Wien) / Foto: »Personenkomitee Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz«

Wien: Kagran
Seit 1984 erinnert ein Gedenkstein im Donaupark daran, dass hier zwischen 1938 und 1945 »zahlreiche österreichische Freiheitskämpfer aus den Reihen der Wehrmacht erschossen« wurden.
Seit 2002 veranstaltet das Personenkomitee »Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz« um den 26. Oktober im Donaupark, auf dem Gelände des ehemaligen Militärschießplatzes Kagran, Gedenkfeiern für die hier hingerichteten Opfer der NS-Militärjustiz. Zwischen 1940 und 1945 wurden hier mindestens 129 Menschen erschossen. 1964 wurde der Militärschießplatz geschleift, der genaue Standort der Hinrichtungsstätte ist umstritten. Er befand sich entweder auf dem Gebiet des heutigen ‘Sparefroh-Spielplatzes’ oder im hinteren Bereich des Sportcenters (Kratochwjlestraße 3/Leonard-Bernstein-Straße). Die Inschrift des bereits am 5. November 1984 Stadt von der Stadt Wien und dem Ministerium für Landesverteidigung gesetzten Gedenksteins lautet: »In den Jahren der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft 1938–1945 wurden in unmittelbarer Nähe zahlreiche österreichische Freiheitskämpfer aus den Reihen der Wehrmacht erschossen. Unter den Opfern, die hier hingerichtet wurden, waren auch Angehörige der Wiener Feuerwehr. Niemals vergessen!« Neben dem Gedenkstein erinnert die Floridsdorfer Kugelfanggasse an die ehemalige Hinrichtungsstätte.

 

Denkmal am Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 40)

Denkmal am Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 40)

 

Wien: Zentralfriedhof
»In Memoriam – Im Bereich der Gruppe 40 sind mehr als Tausend Frauen und Männer beerdigt, die in der Zeit 1938-1945 von einer unmenschlichen NS-Justiz zum Tode verurteilt und im Wiener Landesgericht oder auf dem Schießplatz Kagran hingerichtet wurden – Sie bleiben unvergessen.«
So lautet der Text auf einem Gedenkstein auf dem Wiener Zentralfriedhof, der am 21. April 2005 vom Bürgermeister der Stadt Wien enthüllt wurde. Initiator war die Arbeitsgemeinschaft der KZ-Verbände und Widerstandskämpfer Österreichs. Unter den genannten Opfern befinden sich auch weit über 100 Oper der NS-Militärjustiz, ohne dass diese allerdings explizit Erwähnung finden.

 

Wien: Mariahilferstraße

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Temporäres Erinnerungszeichen in der Stiftskirche

Unbekannte AktivistInnen brachten am 3. März 1986 in der Siftskirche in der Mariahilfer Str. 2, im 7. Wiener Gemeindebezirk eine Gedenktafel für „Opfer und Deserteure vergangener und kommender Kriege“ an. Das Erinnerungszeichen, das vermutlich kurz nach der Aktion wieder entfernt wurde, war bei der Gedenktafel für den Generaloberst der Wehrmacht Alexander Löhr im Innenraum der Kirche befestigt. Löhr war während des Zweiten Weltkrieges als Befehlshaber vor allem auf dem Balkan für zahlreiche Kriegsverbrechen mit verantwortlich und wurde dafür nach 1945 in Belgrad zum Tode verurteilt und hingerichtet.

 

 

 

Zwei weitere Gedenkorte für die Verfolgten der Wehrmachtgerichte sind in den Jahren 2015 in Wien Wien Favoriten (am ehemaligen Standort des Wehrmachtuntersuchungsgefängnis X) sowie 2014 in Wien Neubau entstanden. Beide Tafeltexte verweisen ihrerseits auf das Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz am Ballhausplatz. Ebensolche Tafeln müssten für die restlichen der unter Verfolgungsorte aufgeführten Gebäuden und Plätzen der Wehrmachtjustiz in Wien ebenfalls noch angebracht werden.

 

Prominente Unterstützung für das Denkmal in Wien

Eine wichtige Grundlage für die erfolgreiche Durchsetzung des schließlich am Ballhausplatz realisierte Denkmalprojekt war die Wortspendenkampagne vom Frühjahr 2011. Sie hatte ihr Vorbild im Ehrenschutzkomitee der Wanderausstellung “Was damals Recht war – Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht”, die am 1. September 2009 im Wiener Theater Nestroyhof Hamakom eröffnet wurde.

 

Literaturhinweise

Juliane Alton; Thomas Geldmacher; Magnus Koch; Hannes Metzler (Hg.): „Verliehen für die Flucht von den Fahnen“. Das Wiener Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz, Wien 2016.

Werner Bundschuh: Noch fehlen „Deserteursdenkmäler“… In: KULTUR 8 (2007), S. 46-49.

Werner Bundschuh, »Die Namen der Deserteure kommen mir nicht auf das Denkmal!«. In: Geldmacher, Thomas u.a. (Hg.): »Da machen wir nicht mehr mit«. Österreichische Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht, Wien 2010, S. S. 76-84.

Mathias Lichtenwagner: Leerstellen. Zur Topografie der Wehrmachtjustiz in Wien vor und nach 1945, Wien 2012.

Mathias Lichtenwagner: Belasteter Beton. Formen der Erinnerung an die NS-Militärjustiz in Wien. In: Alton, Juliane; Geldmacher, Thomas; Koch, Magnus; Metzler, Hannes (Hg.): „Verliehen für die Flucht von den Fahnen“. Das Wiener Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz, Wien 2016, S. 104-125.

Peter Pirker: Vom Kopf auf die Füße. Das Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz in der Erinnerungslandschaft Wien. In: Alton, Juliane; Geldmacher, Thomas; Koch, Magnus; Metzler, Hannes (Hg.): „Verliehen für die Flucht von den Fahnen“. Das Wiener Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz, Wien 2016, S. 126-159.

 

 

Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz in Kagran 2013

Am 26.10.2013 fand am ehemaligen Schießplatz in Kagran bei der Gedenktafel für die dort hingereichteten Soldaten und Zivilisten eine Gedenkveranstaltung statt. Im Folgenden der Einladungtext des Personenkomittee ‘Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz’ und einige Fotos und auch ein Video von der Veranstaltung.

Nie wieder Gleichschritt!
12. Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Militärjustiz
Zeit: 26. Oktober 2013, 11 Uhr
Ort: Gedenkstein im Donaupark

Das Personenkomitee »Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz« lädt herzlich zur 12. Gedenkveranstaltung »Nie wieder Gleichschritt!« an der ehemaligen Hinrichtungsstätte auf dem Gelände des Militärschießplatzes Kagran ein. Dort starben zwischen 1938 und 1945 Hunderte wegen Fahnenflucht und Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilte Wehrmachtsoldaten im Kugelhagel von Exekutionskommandos. Wir treffen uns zum Gedenken an alle ungehorsamen Soldaten und ZivilistInnen, die von Wehrmacht und SS ermordet wurden.

Programm

  • Begrüßung: Terezija Stoisits, Ehrenmitglied des Personenkomitees »Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz«
  • David Ellensohn, Klubobmann des Grünen Gemeinderatsklubs, “Warum ein Deserteursdenkmal in Österreich 69 Jahre braucht”
  • Mathias Lichtenwagner, Politkwissenschaftler, “Vernetztes Gedenken: Das Deserteursdenkmal am Ballhausplatz und die Orte der Verfolgung in Wien”

Das Video der Gedenkfeier 2013 ist dem Youtube-Profil der AUGE/UG entnommen, wer sichs direkt dort ansehen möchte: Link zum Youtube-Video.

 

Rechte an den Bildern beim Archiv des Personenkomitees. Video von youtube bzw. AUGE/UG (Danke!), folglich Rechte auch dort.